Verwirrung macht sich in mir breit. Wieso hatte ich plötzlich Erinnerungen in meinem Kopf an Dinge die ich unmöglich erlebt hatte? Mit meinen 20 Jahren hatte ich bisher ein relativ ruhiges Leben geführt. Hatte nicht allzu grosse Ortswechsel gemacht, war nicht sonderlich oft im Ausland, aber vor allem hatte ich nicht sonderlich viele Erfahrungen mit Männern gemacht. Klar ich war bisher schon ein paar Mal verliebt gewesen. Aber das ich plötzlich das Gefühl von starker Liebe empfand für jemanden den ich eigentlich nicht mal kennen sollte?
Ich erinnerte mich an Orte und Zeiten die ich in den letzten 20 Jahren unmöglich erlebt haben konnte. Aufenthalte in Städten die lange nicht mehr existierten oder gar nicht mehr so aussahen. Was war das? Was passierte mit mir? Vor allem, wieso hatte ich plötzlich all diese Bilder im Kopf? Was hatte das zu bedeuten?
Vor meinem inneren Auge tauchte wieder das Bild des Mannes aus meinem Traum aus, ein grosser Mann mit wunderbaren braunen Augen und kurzen dunklen Haaren. Nur beim Gedanken daran wurde mir schon warm ums Herz. Doch ich hatte ihn in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Ein Mann wie diesen würde ich bestimmt nicht vergessen oder übersehen.
Mir wurde bewusst dass ich immer noch im Gras auf einem Feld sass. Langsam erhob ich mich und strich mir mein braunes Haar aus dem Gesicht. Inzwischen schienen die ersten Sonnenstrahlen über das Feld. Es waren einige Stunden vergangen seit ich aus meinem Traum erwacht war. Es überraschte mich wie lange ich unterwegs war. Langsam spürte ich wie ich fröstelte und ich machte mich rasch auf den Heimweg. Ein Blick auf meine Armbanduhr sagte mir dass ich noch ein paar Stunden Zeit hatte bevor ich zur Arbeit musste.
In meiner kleinen Wohnung angekommen erreichte ich auf direktem Weg das Badezimmer und stellte mich unter die Dusche, das warme Wasser war wohltuend.
Als ich mich angezogen vor meinem Kühlschrank wiederfand, wurde mir bewusst das ich eigentlich gar keinen Hunger hatte, trotzdem überzeugte ich mich zu einem Jogurt.
Meine Konzentration fehlte heute überall, ich konnte mich einfach nicht auf meine Arbeit fixieren sondern schweifte die ganze Zeit gedanklich wieder ab zu meinem verwirrenden Traum.
Als dann der Tag endlich vorbei war, nachdem ich ein paar bedenkliche Blicke meiner Vorgesetzten kassiert hatte, machte ich mich wieder auf den Heimweg. Der Weg zwischen meiner Wohnung und meiner Arbeitsstelle war gut mit dem Bus erreichbar, ich verlor nur einige wenige Minuten zur Bushaltestelle. Diese Zeit nutzte ich um mein Handy wieder anzuschalten, ich hatte drei Anrufe in Abwesenheit von meiner Cousine. Was mochte sie wohl wollen? Ich hatte seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt, wir wohnten ziemlich weit weg voneinander und unsere Familien hatten in den letzten Jahren auch eher ein kaltes Verhältnis.
Nachdem ich noch einige neue Nachrichten gelesen und beantwortet hatte, war ich inzwischen bei der Bushaltestelle angekommen. Der Bus kam gleich darauf und ich setzte mich weit hinten hin um ein bisschen meine Ruhe zu haben. Ich wählte die Nummer meiner Cousine und wartete.
Nach langem klingeln nahm sie ab: „Hallo Awa! Wie geht’s dir so?“, sie klang sehr fröhlich und ich spürte ihr aufgestelltes Strahlen sogar durch das Telefon.
„Hey Monira! Mir geht es gut, danke. Wie geht es dir?“, erwiderte ich ebenso fröhlich. Eigentliche mochte ich meine Cousine sehr, obwohl wir uns die letzten zwei Jahre aus den Augen verloren hatten. Sie war acht Jahre älter als ich, als Kind war das für mich ein sehr grosser Altersunterschied gewesen. Doch jetzt fand ich das acht Jahre nicht mehr ganz so ein grosser Unterschied darstellte. „Mir geht es super! Awa, du musst mich unbedingt besuchen kommen. Ich möchte dir jemanden vorstellen. Denn ich werde bald heiraten und ich würde dich gerne dabei haben.“
Wow. Monira wollte heiraten! Ich war überrascht. Klar, sie war in einem alter in dem viele heirateten oder schon verheiratet waren. Doch nachdem ich zwei Jahre nichts mehr von ihr gehört hatte traf mich das doch sehr überraschend. Mir wurde bewusst wieviel in zwei Jahren passieren konnte.
„Monira! Wow! Ich gratuliere! Klar ich komme sehr gerne vorbei!“
Wir sprachen noch ein Weilchen und planten unser Treffen bis wir uns auf das Datum geeinigt hatten. Ich würde nächstes Wochenende hinfahren. Mir stand eine dreistündige Zugfahrt bevor. Doch ich freute mich meine Cousine zu sehen und ihren Verlobten kennen zu lernen.