Im Kellergewölbe angelangt, folgen wir Hilley, die entspannt vor uns herläuft. Ihr Schritt ist schnell, aber trotzdem wirkt sie entspannt und nicht gestresst. Es macht mich zwar nervös, dass es hier so dunkel ist und dass Hilley mit uns unbedingt hierher gehen will, anstatt einfach draußen zu trainieren, doch ich versuche ihr einfach zu vertrauen. Immer wieder schicke ich verwirrte Blicke in Arias Richtung, die keinen anderen Gesichtsaufdruck aufgesetzt hat, als ich.
Die Augenbrauen hat sie in die Höhe gezogen und ihr Mund steht einen Spalt breit offen. Ihre Zähne klappern leicht und ihre Stiefel klappern auf dem Boden, während wir uns der Tür immer weiter nähern, zu der Hilley uns bringt.
"Was machen wir hier unten?", fragt Ruby. Ihre bissige Stimme hallt von den steinernen Wänden wieder. Scheinbar ist sie auch nicht sonderlich begeistert davon, dass Hilley uns so früh zu sich gerufen hat. "Ich will einen Test mit euch machen und das geht nur hier", erklärt die Frau, die uns vorangeht. "Was für einen Test?", frage nun auch ich ein wenig misstrauisch. "Na ja, die Kräfte von Aria, Ruby, Miles und dir kenne ich ja schon, aber Sarah kann, haben wir noch nie getestet." "Was? Ich denke nicht, dass das so eine gute Idee ist", aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie sich Sarahs Körper augenblicklich versteift: "Schließlich könnte ich dir auch einfach sagen, was ich so kann." "Das könntest du tatsächlich, aber bei den anderen war es so, dass sie zwar wussten, dass sie Kräfte haben, allerdings nicht von ihrem vollen Potenzial wussten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir deine Kräfte testen. Dann kann ich sehen, was du schon kannst und was dir momentan vielleicht noch im Verborgenen liegt", erklärt Hilley hartnäckig.
Am Ende des Ganges angekommen, öffnet Hilley eine Tür und sieht uns auffordernd an: "Ihr werdet den Test alles machen, Mädchen. Dann kann ich nämlich auch herausfinden, was ihr noch lernen oder verbessern könnt. Außerdem kann sich Sarah dann bei euch sicher auch den einen oder anderen Trick abgucken. Nur Miles bleibt hier, um mich zu unterstützen." Verwundert schaue ich in die Runde. Irgendwie gefällt mir der Gedanke daran, mit den drei anderen Mädchen in einem engen Raum eingesperrt zu sein, gar nicht. Da kann doch sonst was passieren.
Ruby und Aria scheinen allerdings keine Bedenken bei der Sache zu haben, weshalb ich ihnen folge. "Die Wände sind extra dünn, damit ihr mich hören könnt", Hilleys Rufe dringen an meine Ohren: "Ich sage euch Bescheid, wenn es losgeht. Bereitet euch bitte schon einmal vor!" "Ja, machen wir", antwortet Aria.
Meine Konzentration ist allerdings nicht bei dem Test. Stattdessen hat sich eine Idee in meinen Kopf geschlichen und ohne lange darüber nachzudenken, erhebe ich meine Stimme: "Hilley?" "Gibt es ein Problem?", fragt die Frau mich besorgt. "Nein, es geht mir gut", beruhige ich sie schnell: "Allerdings frage ich mich, ob es nicht gut wäre, Sarah die Kette zu geben, die ich gefunden habe. Schließlich verstärkt sie die Kräfte und das wäre vielleicht gut, um zu schauen, wie stark sie ist, wenn sie alles, was sie maximal hat, einsetzt." "Das wäre eine wirklich gute Idee, Stella. Miles reicht sie dir eben rein, in Ordnung?", erklärt sie. Ich nicke nur und blende in dem Moment völlig aus, dass sie diese Geste mit ziemlicher Sicherheit gar nicht sehen kann.
Wenige Sekunden später öffnet sich die Tür, die uns in diesen Raum sperrt, und Miles erscheint. In den Händen hält er tatsächlich das Schmuckstück mit dem braunen Stein, der als Anhänger fungiert.
Schnell husche ich zu ihm hinüber und nehme ihm das Accessoire ab. Ohne lange mit uns zu reden, verschwindet Miles sofort wieder. Allerdings entgeht mir das sanfte Lächeln, das er Ruby schenkt, nicht.
Obwohl ich kein großer Fan von Ruby bin, was wohl auf Gegenseitigkeit beruht, freut es mich sowohl für sie als auch für Miles, dass sich beide so gut verstehen. Schließlich verdient es keiner allein zu sein. Jeder braucht etwas Zuneigung im Leben.
Schnell schüttle ich den Gedanken wieder ab, um mich konzentrieren zu können und strecke meiner Schwester die Kette entgegen: "Hier, leg sie einfach um. Der Rest sollte von alleine funktionieren."
Glücklicherweise weiß keiner, dass es nicht meine Absicht ist, ihr dabei zu helfen im Test besser zu sein, sondern nur sehen will, ob der Stein so leuchtet, wie er es bei den anderen und auch mir selbst getan hat.
Mir entgeht nicht, wie Sarah einen langen Atemzug nimmt, bevor sie den Stein mit zwei Fingern greift und sich so zu eigen macht. Vorsichtig legt sie sich die Kette um und sieht in die Runde: "Können wir dann anfangen? Ich würde das gerne so schnell wie möglich hinter mich bringen." "Perfekt, dann können wir ja jetzt anfangen", schaltet sich nun auch Hilley ein: "Sind alle fertig." "Fertig!", bestätigen Aria und Ruby und nach einigen Sekunden bestätigt auch Sarah, dass sie bereit ist. Mein Fokus liegt allerdings schon lange nicht mehr auf dem Test, sondern auf dem braunen Stein.
Anstatt sofort hell zu erstrahlen, ändert sich der Zustand des Steins kaum merklich. Zwar ist ein Leuchten zu erkennen, doch es ist nur zaghaft und kaum zu sehen. Man könnte sogar meinen, dass sich gar nichts verändert hätte, wenn man nicht darauf achtet. Stimmt etwas mit ihren Kräften nicht? Sonst würde er jetzt doch leuchten.
"Es geht los in drei, ...", beginnt Miles hinunter zu zählen: " ... zwei, ..." Jeder begibt sich in seine persönliche Kampfposition. " ... eins ... "