Nach dem Telefonat mit Lorelei überlegte Matt, was besser wäre. Einfach wieder rein gehen und sich entschuldigen oder einfach ohne ein Wort zu sagen zu geben. Er traute seinem Vater zu, dass er eine Menge Fragen stellen würde. Es war Matt bewusst, dass er einen strategischen Plan brauchte um keinen Argwohn bei seinem Vater auszulösen.
Nachdem Matt eine Entscheidung getroffen hatte, ging er zurück zum Saal um nach seiner Verlobten zu suchen. Als er den Saal betrat, stand Geraldine direkt auf und ging lächelnd auf ihn zu. Ihr Designer Kleid wehte in der leichten Brise, die durch die offenen Türen in den Saal wehte. Als Geraldine immer näher kam erwiderte er ihr Lächeln.
„Wo warst du?“
Ihr französischer Akzent war gering, was sie der Gesellschaft und ihr Leben in Amerika und Europa in den letzten Jahren zu verdanken hatte.
Glücklicherweise hatte Matt in den letzten paar Jahren gelernt, Geraldine anzulügen. Aktuell gab es einen Deal, den er allein ausgehandelt hatte. Niemand, selbst Mitchell nicht, wusste etwas von dem Kauf und diesen Deal nahm er nun als Ausrede.
„Schlechte Nachrichten.“ Er sah sie ernst an. „Der Kauf des Multimedia Unternehmens in Polen steht auf der Kippe.“
„Matt es ist nicht richtig, dass du jetzt arbeiten musst. Es ist das Probeessen.“
„Besser jetzt als auf unserer Hochzeit zu arbeiten.“
„Das stimmt. Was tust du jetzt?“, fragte Geraldine.
„Ich werde ins Büro fahren. Da habe ich alle Dateien und Unterlagen, die ich brauche. Ich werde wahrscheinlich zurück sein, wenn der Hauptgang serviert wird. Okay?“
Er sah sie an. Es war halt nicht so schlecht ein paar Wahrheiten in seine Geschichte einzubauen. Sobald sie ganze Wahrheit kennen würde, wird sie ihm wahrscheinlich dankbar sein, dass er ihr diese nicht sagte.
„So wird es sein, wenn wir verheiratet sind. Du weißt wie viel ich arbeite. Du kannst dich daran gewöhnen.“
„Ich weiß.“, seufzte sie. „Beeil dich.“
„Ich werde mich beeilen und nur solange bleiben wie nötig.“ Auch das war keine Lüge.
„Ich möchte jetzt nicht mit meinem Vater reden. Er war mit dem Kauf nicht einverstanden. Wenn er dich fragt, sag ihm einfach das ich ins Büro gefahren bin um was geschäftliches zu regeln. Okay?“
„Natürlich. Ich werde ihm sagen, dass wir den Toast auf nach dem Abendessen verschieben."
Innerlich zuckte Matt zusammen. Seine Verlobte wird enttäuscht sein, wenn er nicht zurück kommen wird. Sie wird wahrscheinlich auch enttäuscht sein, dass er nicht zu der Hochzeit erscheinen wird.
„Wir sehen uns.“
Er beugte sich vor und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange. Geraldine lächelte und ging zurück zu ihren Gästen.
Bei der einzigen Person, die eine Entschuldigung brauchte, hatte er sich entschuldigt. Alle anderen konnten warten. Er schaute zu seinen Freunden und bewegte leicht den Kopf in Richtung Ausgang. Als er aus dem Ballsaal in die Lobby des Hotels ging, sah er, dass sie ihm folgten.
„Was ist los, Matt?“, fragte Colin.
„Gute Frage.“
„Hast du eine gute Antwort?“
„Ja, Mann. Wohin gehst du? Hat es mit deinem liebsten Yale Souvenir zu tun?"
„Ja.“
Matt überlegte wie viel er erzählen sollte. Finn, Colin und Robert waren seit langer Zeit in die Details seines Lebens eingeweiht, einschließlich in die Beziehung zu Leighton und abgesehen davon, wusste er, dass sie sich auch Sorgen machen würde.
„Leighton hatte einen schweren Unfall und hat ein Baby bekommen.“
„Ein Unfall und ein Baby?“, wiederholte Finn.
„Und das beeinflusst dich?“, fragte Colin.
„Es ist mein Baby und Leighton… sie wird operiert und man weiß nicht wie es um ihr steht. Mehr weiß ich nicht.“
Matt ließ seinen Freunden Zeit, das zu verarbeiten. Es war für ihn schon amüsierend die verblüffen Gesichtsausdrücke seiner Freunde zu als er sagte er habe ein Baby. Doch überschattet wurde das von der Tatsache, dass Leighton einen schweren Unfall hatte.
Nach einem Moment des geschockten Schweigens reagierte Finn als erster. „Mein Gott.“ Finn runzelte die Stirn. „Ich dachte, du hättest gesagt: habt ihr Bock sie aufzumuntern!“
„Ich bin ganz bei Finn.“, Colin schüttelte den Kopf.
„Du hast dich selbst übertroffen.“
„Seit ruhig.“ Matt lächelte einige Gäste an, die durch die Lobby in den Saal gingen.
„Wie ist das passiert?“
„Es war zugegebenermaßen eine magische Zeit, Finn. Aber ich bin mir sicher, dass es auf die übliche Weise passiert ist.“ Matt zuckte mit den Schultern.
„Es ist einfach passiert. Es war nicht beabsichtigt.“
„Unfall oder Schicksal?“
Matt ignorierte Finn Bemerkung.
„Ich muss sagen, das ist ein neuer Höhepunkt der Live and Death Brigade. Du bist in Costa Rica fast gestorben, hast fast zehn Jahre ein Geheimnis gehabt und zehn Jahre später hast du einen kleinen Hemingway geschaffen, der die Live and Death Familientraditon fortführt.“
Matt drehte sich um und starrte Robert an.
„Bist du verrückt? Kein Sohn von mir wird diesen Scheiß erleben.“
Verblüfft starrten ihn seine drei Freunde an. Matt hatte keine Ahnung, woher dieser Ausbruch kam, aber sein Ärger wandelte sich schnell in Wut um.
„Wenn einer von euch nachgerechnet hätte, dann hättet ihr bemerkt, dass das Baby zu früh kam. Nicht nur Leighton geht es scheisse sondern wahrscheinlich auch meinem Kind.“
„Oh Gott.“ Finns Stimme war mitfühlend.
„Es tut mir Leid, Kumpel.“
„Ich weiß absolut nichts. Ich weiß nur, dass Lorelei sich Sorgen macht.“
„Wir wissen ja, dass du daran gewöhnt bist immer das zu tun was du willst. Aber erinnerst du dich vielleicht daran, dass du in fünf Tagen heiratest?“, wies Robert ihn hin.
„Ich weiß, dass ich in fünf Tagen heiraten sollte.“
„Warte! Was ist mit dem Vertrag?“, fragte Colin.
„War da nicht irgendwo erwähnt, dass die Nachkommenschaft der Ehe, die Erben des Imperiums sind?“
„Ja, so ähnlich.“, nickte Matt.
„Die Existenz deines Kindes macht also diesen Vertrag ungültig.“ Als Matt nickte fuhr Colin fort. „Was passiert denn, wenn dein Schwiegervater davon Wind bekommt?“
„Verdammt gute Frage. Du hast die juristische Fakultät besucht. Also finde es heraus!“
„Aber ich habe die Prüfung nicht bestanden.“
„Wer hat das von uns jemals?“
„Sehr nett, Finn. Bevor ihr zwei heiratet, müsst ihr auf die elterlichen Pflichten verzichten.“, fuhr Colin fort.
„Leighton müsste sich auf eine finanzielle Unterstützung und Geheimhaltung einlassen. Das würdest du tun? Du würdest nicht nur Leighton sondern auch deinem Kind den Rücken kehren?“
Robert, der immer noch nach zehn Jahren für Leighton schwärmte, bemühte sich nicht seinen Ekel zu verbergen.
„Es muss ein verdammt kalter Tag in der Hölle sein, das ich zum ersten Mal Robert recht gebe.“, sagte Finn mit einem traurigen Ausdruck auf seinem Gesicht.
„Ich dachte immer, du bist besser als dein Vater, Matt. Ich hätte niemals gedacht, dass du schlimmer bist.“
Matt zuckte zusammen. Denn er wusste immer, dass die Jungs Leighton mochten – vielleicht sogar liebten. Aber er hätte eine solche Situation niemals vorhersagen können. Autsch.
„Hört zu – seit leise.“
Matt zwang sich ein Lächeln ab als ein paar Dinner Gäste an ihnen vorbei gingen.
„Ich weiß nicht was passieren wird. Leighton hat mir nichts von… meinem Kind erzählt. Ich habe keine Ahnung was sie denkt. In letzter Zeit war sie gut darin, mir zu sagen was sie nicht will und nicht mehr."
Er stieg einen frustrierten Seufzer aus.
„Das einzige was ich weiß, ist, dass ich am Samstag nicht heiraten werde.“
Als die Worte über seinen Lippen kamen, wusste Matt, dass es die Wahrheit war.
„Was sagst du? Zeit für eine Kurskorrektur?“, fragte Colin.
„Könnte sein.“
„Halleluja!“, rief Finn.
„Du weißt, was ich immer sage: es ist nicht vorbei bis die dicke Dame singt. Eine schwangere Frau sollte dazu zählen.“ Er stoppte plötzlich. „Sag Leighton ja nicht, dass sie fett ist. Frauen können sensibel sein.“
Finns Lippen verzogen sich zu einem teuflischen Grinsen.
„Kann ich dabei sein, wenn du die Baby Neuigkeit dem dunklen Lord überbringst?“
„Ich sage jetzt kein Wort und du auch nicht!“
„Also was machst du jetzt? Gehst du nach Quail Hollow Village?“, fragte Colin.
„Eigentlich Hartford. Ich muss gehen. Ich muss zu ihr.“
„Willst du, dass wir mit dir mit kommen?“
„Ah, denk an die liebe Lorelei. Du brauchst vielleicht Verstärkung.“ Finns Augenbrauen zogen sich nach oben.
„Ich nutze meine Chance.“, nickte Matt.
„Nichts für ungut, aber du hast nicht den besten Eindruck hinterlassen.“
„Aber du?“, konterte Finn.
„Ich bin mir sicher, dass die Punkte, die ich gesammelt habe, längst wieder verspielt habe.“
„Was hast du Geraldine erzählt?“, fragte Colin.
„Ich habe ihr gesagt, dass es ein Problem mit dem Kauf einer Firma gibt, an dem ich arbeite. Sie weiß, dass ich gehe und vielleicht eine oder zwei Stunden weg bin. Mehr habe ich nicht gesagt.“
„Hast du es Mitchell gesagt?“
„Ich nehme an, er wird zuerst Geraldine fragen, bevor er euch fragt. Sie weiß, was sie ihm sagen soll. Ihr drei solltet ihm aus dem Weg gehen, wenn ihr es könnt.“
„Matt, versteh das nicht falsch, wir wissen, dass er dein Vater ist, aber wir tun schon was wir können um ihn zu meiden.“
„Ja ich weiß.“
„Jetzt sag uns schon, was du brauchst, Kumpel.“
„Colin, ist euer Familienjet in der Nähe?“
„Meine Schwester ist für ein paar Tage in Edinburgh.“
„Warum nimmst du nicht euren Jet?“, fragte Finn.
„Nein. Ich muss mich zurückhalten.“
„Vielleicht hättest du dir das vorher überlegen sollen, Heming.“
„Guter Rat. Nur ein paar Monate zu spät.“
Er blickte zu Robert und warf dann abwechselnd einen Blick auf Finn und Colin.
„Ich muss hier raus. Sagt nichts“
„Unsere Lippen sind versiegelt.“, versprach Finn.
„Drück Leighton von uns.“, bat Colin.
„In welchem Krankenhaus liegt sie?“, fragte Robert.
„Hartford Hospital.“
Er blickte ein letztes Mal zu seinen Freunden und nickte.
„Ich muss gehen.“ Matt drehte sich und wollte gerade gehen.
„Matt!“ Als Matt Finns Stimme hörte drehte er sich um.
„Ja?“
„In Omnia Paratus.“
Matt nickte während ein leichtes Lächeln seine Lippen zierte.
„In Omnia Paratus.“
Er schüttelte den Kopf, als er sich umdrehte und ging. Diese Worte waren nie passender gewesen.