Kapitel 12
........Elmer konnte sich genau erinnern. Grossvater hatte das Gewand nun angelegt und drehte sich zu Elmer um. Es war ein Gewand des ägyptischen Hohepriesters. Mitten auf seiner Brust prangte das Auge des Ra. Er schaute Elmer fragend an. "Du erkennst es wieder, Ultied"?, frage er. "Ja, das tue ich Grossvater." "Ich kann mich sogar an die Worte erinnern, welche Du jetzt gleich sprechen wirst, wenn Du die Kraft des Ringes auf mich überträgst." "Du hast sehr gute Vorarbeit geleistet. Ich kann mich an sehr viel bereits wieder erinnern." "Das ist sehr gut mein Junge." "Bist Du bereit?" "Ja, ich bin bereit!"
Elmers Grossvater nahm seine rechte Hand und legte sie in seine. Dann sprach er die magischen Formeln. Er liess nun Elmers Hand los und zog den Ring von seinem Finger ab. Er legte ihn in Elmers Hand ab und legte seine Hand darüber. Wieder sprach er die Formeln. Nun kam es darauf an. Wenn Elmer den Ring aufzog, musste er erkennbar die Energie auf ihn übertragen, ansonsten wäre alles umsonst gewesen. "Nun stecke ihn an Deinen Finger, Elmer", sagte Grossvater. Elmer nahm den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand und führte ihn zum Mittelfinger sener rechten Hand. Er setzte ihn vorn über dem Fingernagel auf und liess ihn los. Bläuliche Energieflämmchen blitzten auf. Sie wanderten aus dem Ring heraus Elmers Finger entlang, dann in die ganze Hand um dann seinen ganzen Körper auf und ab, um ihn abzuchecken. Dann kam der wichtigste und entscheidende Moment. Gespannt sah Grossvater auf Elmer, der völlig still da stand, seine Augen geschlossen hatte und abwartete.
Dann kam der ersehnte Augenblick. Der Ring leuchtete für einen kurzen Moment rot auf, zog sich von alleine bis an das Ende von Elmers Finger und "schloss". Das bedeutete, dass der Ring sich so weit zusammenzog, dass er zwar noch angenehm für den Träger sass, aber nicht mehr abzunehmen war. Er war enger geworden und hatte sich am Finger optimal ausgerichtet. Grossvater blickte sehr zufrieden auf Elmer, der gerade wieder die Augen geöffnet hatte und lächelte ihn an. Elmer wollte gerade etwas sagen, als Grossvater die Hand hob und ihn so zum Schweigen brachte. Er stellte sich vor Elmer, hob beide Hände und sprach die wichtigen abschliessenden Worte: " Ashker sa nahr - ashker sa mu - ashker sa d'hor , Anchor- mu ashker Nefreth." Elmer schloss die Zeremonie dann mit den Worten: " Nefreth ankh sun amun tie."
"Er hat Dich angenommen und Du ihn", sagte Grossvater lächelnd zu Elmer und hob erfreut die Hände, als wolle er zum Erreichten Beifall klatschen. Die Tür öffnete sich und Grossmutter erschien im Türrahmen. "Nun ist es endlich vollbracht"?, fragte sie. "Ja, es ist soweit - Elmer ist jetzt soweit." Grossmutter kam die Treppe hinunter auf Elmer zu. Sie und Grossvater stellten sich ihm gegenüber auf, kreuzten ihre ihre Hände über der Brust und verbeugten sich vor Elmer. Es war ein merkwürdiges Gefühl für Elmer, aber er wusste, es gehörte zum Ritual dazu. Danach nahmen sich die drei in die Arme....
Nun wurde erst einmal ausgiebig gegessen und getrunken. Eine Weile unterhielten sich die Drei noch nach dem Essen am Tisch. Elmer sah den Ring versonnen an und strich darüber. "Was ist mit Dir, Elmer? Du machst so einen merkwürdigen gedankenversunkenen Eindruck." "Sie ist ganz nah. Ich kann sie spüren." "Wen?", fragte Grossmutter mit grossen Augen. "Nanchi-ankh-sun", sagte Elmer. "Ich weiss nun, dass ich ihr bereits begegnet bin, damals im Museum. Sie ist die junge hübsche Frau mit den schwarzen Haaren, die sich so nett um mich gekümmert hat." Ein Lächeln huschte über Grossmutters Gesicht. "Aaach Nachni", sagte sie seufzend. "Ja, sie ist da", sagte Elmer. Sein Gesichtsausdruck änderte sich. Er nahm nun etwas dunklere Züge an und er fügte hinzu: "Und ihre Schwester..... hat sie auch gleich mitgebracht". "Es ist ihre Freundin, die mit im Museum war." "Dann wären wir ja komplett", schloss Grossvater. Elmer nickte nur. Der Ring zeigte bereits seine Wirkung bei Elmer. Er wusste, dass Nanchi-ankh-sun in seiner Nähe war. Er hatte sie bereits getroffen. Er wusste auch, dass ihre Schwester Anchor-ankh-sun ebenfalls die Bühne betreten hatte. Und er wusste auch, dass Anchor-ankh-sun nicht mehr sie selbst war.....
Etwas Dunkles hatte Besitz von ihr ergriffen und ihr eigenes Wesen ausgeschaltet. Sie wird es nicht einmal mitbekommen haben, dass sie zu einem willenlosen Werkzeug gemacht wurde, dachte Elmer. Das Dunkle war noch da. Damals im alten Atlantis und auch heute. Ein Kampf, der immer weiter ging und immer noch nicht entschieden war. Würde er überhaupt jemals enden? Elmer überlegte, was jetzt zu tun war. Er entschied sich zunächst dafür, erst einmal wieder zurück zu fahren. Daheim wollte er in Ruhe seine nächsten Schritte überlegen. Kurz darauf sass Elmer in seinem Auto und winkte seinen Grosseltern zum Abschied zu.
Die Gedanken kreisten in seinem Kopf. Die ganze Rückfahrt überlegte er, wie er wohl einen Kontakt zu Nanchi-ankh-sun aufnehmen konnte. Er wusste nichts über sie. Nicht welchen Namen sie heute trug oder wo sie wohnte. Aber wenn sie auch diese Ausstellung besucht hatte, würde sie vermutlich nicht allzu weit davon entfernt wohnen. Es war ja auch keine riesengrosse Ausstellung und es war auch keine überregionale Werbung dafür gemacht worden. Ja, sie musste hier aus der Gegend sein! Elmer war nun fast da und konzentrierte sich wieder stärker auf den Verkehr, da hier kurz vor dem Ziel eine Umleitung eingerichtet worden war. Er wollte darauf vertrauen, dass sich letztlich alles fügte, so wie immer.
Er bog links ab, um dem Schild mit der eingerichteten Umleitung zu folgen. Vor ihm hatte sich ein kleiner Stau gebildet, den die Müllwerker in der schmalen Strasse verursachten, in der gerade die Mülltonnen geleert wurden. Es ging nur langsam und Stück für Stück voran. Plötzlich wurde sein Blick auf eine junge Frau gelenkt, die in seinem Rückspiegel auftauchte und sich auf dem Bürgersteig in seine Richtung bewegte. Sie war noch weiter weg, aber er hatte das Gefühl, sie zu kennen. Die Art zu gehen und wie sie sich bewegte, kam ihm bekannt vor. Schwarze Haare. Der Pagenkopf. Das war sie! Jetzt erkannte er ihr Gesicht. Nanchi-ankh-sun! Elmer sucht nach einer Lücke, um auszuscheren und irgendwo zu parken. Er musste sie ansprechen! Aber er war hoffnungslos festgesetzt - jedenfalls im Moment. Schnell blickte er wieder in den Spiegel. Sie war weg! Sie musste irgendwo abgebogen sein. Die andere Strassenseite! Auch nichts. Elmer fuhr die Seitenscheibe der Fahrertür ganz herunter, steckte den Kopf aus dem Fenster und sah nach hinten. Irgendwo musste sie doch abgeblieben sein. "Na, schöner Mann, geht's wieder besser?", hörte er eine Frauenstimme von der Beifahrerseite her fragen. Elmer flog förmlich herum und stiess sich dabei den Kopf an.
Er sah zur Beifahrerseite herüber. Da stand sie und lächelte ihn an! Nanchi-ankh-sun! "Wie?....ähh, was?... Elmer fehlten die Worte. "Elmer, nicht wahr?", fragte sie. "Museum? Hier in der Nähe? Zusammengeklappt? Erste Hilfe? Du erinnerst Dich?" "Woher weisst Du meinen Namen?", war das Erste, was Elmer einfiel. "Als Du im Museum umgekippt warst, ist Dir Deine Geldbörse herausgefallen, dabei war Dein Ausweis herausgerutscht und beim Einpacken ist mir Dein Vorname aufgefallen." "Elmer". "Dein Auto war das Einzige, dass an dem Tag auf dem Museumsparkplatz stand und ich habe es gerade wieder erkannt - hatte mir das Nummernschild gemerkt - für alle Fälle." Sie lächelte ihn immer noch an. "Ähm, willst Du nicht einsteigen - vielleicht kann ich Dich ein Stück mitnehmen?", fragte Elmer. Als er ihr "Ja gern" vernahm, sass Nani bereits auf dem Beifahrersitz und hielt ihm ihre Hand entgegen. "Ich heisse Nani", sagte sie. "Elmer - aber das weisst Du ja schon." Er reichte ihr die Hand und bemerkte sofort, dass Nani der Ring auffiel. Sie kannte ihn!
Und als sich dann ihre Hände berührten, konnte Elmer es nicht mehr aufhalten. Der Ring drang in Nanis Bewusstsein ein und augenblicklich war sie weggetreten. Ihr Kopf fiel auf ihre Brust. Elmer nahm Kontakt zur Energie des Ringes auf. Sie war zu stark und er musste die Intensität ein wenig zurück nehmen, um Nani keinen Schaden zuzufügen. Erleichtert sah Elmer, wie sie sich erholte. Ruhig atmend sass sie auf dem Beifahrersitz. Elmer hielt ihre Hand. Der Ring tat das Seine. Die Strasse war wieder frei und Elmer steuerte den Wagen auf einen nahen Parkplatz. Hier war es ruhiger. Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis Elmer bemerkte, wie langsam wieder Leben in Nanis Körper kam. Kurz darauf schlug sie die Augen auf und blickte ihn an. Elmer hielt immer noch ihre Hand. Sie lächelte.
"Ich erinnere mich an alles", sagte sie. "Ultied, Nefreth, Nanchi-ankh-sun, Anchor-ankh-sun, die zwei Ringe und..... an unsere Verabredung." Elmer strich ihr zärtlich mit dem Handrücken über die Wange. Sie fuhren zu Elmer in seine Wohnung. Als sie mit dem Aufzug nach oben fuhren, fiel Elmer die Situation vor ein paar Tagen ein, als er sich hier im Aufzug plötzlich in dieser Szene aus Ägypten wiederfand. Er erzählte Nani davon. Nani berichtete Elmer ihrerseits von ihrem Erlebnis während ihrer Meditation, der den Untergang von Atlantis zum Thema hatte und sie sprachen darüber, dass all dies zusammen gehörte. Bis spät in die Nacht unterhielten sie die zwei und fanden kein Ende, bis Nani schliesslich ins Bad ging und Elmer fragte, wo sie denn schlafen würden. Es war alles wie selbstverständlich. Wie vor vielen vielen Jahren. Als Nani aus dem Bad kam, mit nichts mehr an als ihrer Haut, blieb Elmers Blick auf ihrem schönen Körper haften. "Kommst Du?", fragte sie - ich glaube wir haben eine Menge nachzuholen".............