Das Beben
Elmer bemerkte es zuerst. Er war zwar sofort eingeschlafen, aber sein Schlaf war nur ganz leicht, ging nicht in die tiefe Traumphase. Ihm war, als hätte ihn jemand geweckt. Er war gleich hellwach. Die Erde zitterte. Sofort weckte er Nani. Erschrocken sah sie ihn an und merkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. "Was ist dass?", fragte sie Elmer. "Zieh Dir was an Nani, wir müssen hier schnellstens raus. Ein Erdbeben!" Beide sprangen aus dem Bett. Elmer rannte auf den Flur. "Grossmutter, Grossvater, Ahmed, steht auf. Schnell raus hier, ein Erdbeben", rief er so laut er konnte. Ins Zimmer seiner Grosseltern kam sofort Bewegung. Keine fünf Sekunden später stand sein Grossvater auf dem Flur. "Du hattest Recht, sagte Elmer, ein Erdbeben. Schnell raus hier!" Grossmutter stand hinter ihm. Ein Krachen liess sie alle zusammenfahren. Der schwere Leuchter war abgerissen und an der Bettkante zerschellt.
Elmer riss die Tür von Ahmed's Zimmer auf. "Ahmed!" Doch Ahmed schlief immer noch tief und fest. Er schien den Traum seines Lebens zu träumen. Mit seeligem Gesichtsausdruck schien er tief in einen Traum versunken und hatte von der grossen Gefahr nichts mitbekommen. Elmer rüttelte heftig an seiner Schulter und rief: "Ahmed steh auf, ein Erdbeben!" Erst nach ein paar weiteren heftigen Rüttlern schlug Ahmed die Augen endlich auf und sah Elmer lächelnd an. Doch dann begriff er beim Blick in Elmers Gesicht sofort dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Sofort sprang er auf. "Was ist passiert?" "Ein Erdbeben, antwortete Elmer knapp. Mach Dich schnell fertig, wir treffen uns alle auf dem Flur. Schnell!"
Eine Minute später standen die Fünf auf dem Flur und sahen auf Elmer. Er setzte den Ring ein. Grün schimmerndes Licht verliess den Ring und liess um die vier Menschen eine Kugel aus schützendem grünen Licht entstehen. Eng zusammengedrängt gingen sie in der Kugel die Treppe hinunter. Ein Teil der Holzdecke fiel herab und prallte vom der schützenden Kugel ab. Als sie gerade die untere Diele erreicht hatten und kurz vor der Hauseingangstür waren, passierte es. Heftige Erdstösse liessen den Boden schwanken. "Schnell," rief Elmer, raus hier!" Gerade als er die Tür ein Stückchen aufgezogen hatte, passierte die Bebenwelle das Haus. Sie fasste unter das Haus und hob es etwa drei Meter in die Höhe um alles zwei Sekunden später wieder nach unten fallen zu lassen. Das Haus stürzte komplett ein. Wände knickten einfach weg wie Strohhalme. Das Dach stürzte ein. Schwere Steine fielen auf die Kugel und prallten einfach von ihr ab. Eng aneinander gekauert zuckten die Fünf im Schlaf überraschten Menschen erschrocken bei jedem Stein zusammen, der auf die Kugel fiel, aber ihnen passierte nichts. Selbst das Beben des Bodens spürten sie nicht, obwohl alle das Gefühl hatten festen Boden unter ihren Füssen zu haben. Dann war die Erdbebenwelle durchgelaufen. Über die Trümmer des Hauses bewegten sie sich ins Freie. Nur noch leicht zitterte die Erde.
Sie alle waren so mit der Situation beschäftigt und in ihrer Angst gefangen gewesen, dass keiner nach draussen geblickt hatte. Nun aber sahen sie das ganze Ausmass der Katastrophe. Grossmutter presste erschüttert die grosse Tasche an ihren Körper, in dem sich alle schnell zusammengepackten wichtigen Dinge und die persönlichen Sachen von allen befanden. Tränen sickerten aus ihren Augen und liefen ihr über die Wangen. Schreiend liefen Menschen durcheinander. Aus vielen Häusern loderten Flammen und an einigen Stellen spritzte das Wasser meterhoch aus den geborstenen Wasserleitungen auf den Strassen. Explosionen waren entfernt zu hören. Die Gasleitungen! Gerissene Stromleitungen pendelten an den Masten hin und her und verströmten einen Funkenregen. Es war noch dunkel und die Brände und Explosionen waren das Einzige, das die Situation erhellte. Der Strom war komplett ausgefallen. Dann war das Beben vorbei. Elmer deaktivierte den Schutz der Kugel und schaute in die Runde. "Sind alle O.K.?", fragte er. Alle nickten. Mitten in dem Chaos setzte sich Elmers Grossvater auf einen in der Nähe herum liegenden Stein und blickte gedankenversunken in die Ferne. Elmer ging zu ihm. "Was hast Du," fragte er. "Er ist hier!" "Wer?" "Voltuid. Ich weiss nicht, wer er ist und wie er heute aussieht, aber ich kann ihn deutlich spüren. Wenn er vor mir steht werde ich ihn erkennen." "Wir müssen sehr wachsam sein," sagte Elmer. Sein Grossvater nickte.
Elmer sah sich um. Er fühlte sich wie in einer anderen Welt. Um sie herum tobte das Chaos und sie sassen hier einfach herum. Er wunderte sich über sich selber, denn eigentlich hätte er nun zuerst die Tendenz zum Helfen gehabt, aber er spürte, dass es gerade jetzt Wichtigeres gab. Die Pyramide! Er blickte zum Auto und war froh, dass sie es hatten draussen stehen lassen. Der Wagen wies zwar etliche Dellen auf und die Frontscheibe war zerborsten, aber ansonsten schien er äusserlich in Ordnung zu sein. Elmer liess sich von Ahmed die Schlüssel geben und stieg ein. Sie hatten Glück und der Wagen sprang an. "Lasst uns die Steine etwas aus dem Weg räumen," sagte Elmer und alle fassten mit an, um eine einigermassen freie Ausfahrt zu ermöglichen. Ahmed setzte sich hinter das Steuer und alle stiegen ein. Ohne ein einziges weiteres Wort zu verlieren, wussten alle worum es ging und dass das nächste Ziel die Pyramide war. Die Fahrt die unter normalen Umständen in ein paar Minuten zu bewältigen gewesen wäre, dauerte diesmal fast eine Stunde. Die Not und das Leid, dass ihnen begegnete, waren fast unerträglich und Grossmutter schaute nach einer Weile nur noch auf die mitgenommene Tasche auf ihrem Schoss. Ahmed konnte sich nicht umschauen, er musste sich so stark auf die Strasse konzentrieren. Überall lagen Schutt, Steine und Holzteile herum, die die Weiterfahrt erheblich erschwerten. Ständig wurden die Insassen auf ihren Sitzen nach oben geschubst, weil Ahmed über ein Hinderniss fuhr.
Doch dann hatten sie es endlich geschafft. Sie stiegen aus und sahen, dass zwischen der Sphinx und der Pyramide ein Graben entstanden war. Der Gang war eingestürzt! Ohne Worte und mit offenem Mund wies Elmers Grossmutter auf die Pyramide. Die zur Sphinx weisende Seite war teilweise abgestürzt! Mit besorgten Gesichtern gingen sie auf das Bauwerk zu. Elmer sah, dass der Einsturz bis fast hoch an die Spitze ging. Dort lag der geheime Raum, in dem die Kristalle und der andere Ring aufbewahrt waren. "Wir haben keine Wahl, sagte Elmer, wir müssen hinein." Grossvater nickte zustimmend. Ahmed ging zum Auto zurück, um Taschenlampen zu holen. Sie wollten an der gleichen Stelle einsteigen, wie beim letzten Mal und erreichten die Pyramide. Grossvater legte die Hände auf einen der Quader. Elmer schaute sich um. Sie waren allein. Er aktivierte den Ring. Kurz darauf passierten sie den Einstieg und stiegen durch die Aussenhaut in das Bauwerk ein. Alle hatten ein ungutes Gefühl. Zurecht.
Sie wurden bereits erwartet.....