Das kalte Eis zwischen meinen Zähnen lässt Gehirnfrost in meinem Kopf entstehen und sorgt dafür, dass ich die Hände gegen den Kopf schlage. Vielleicht war es doch keine gute Idee nach dem Kampftrainig mit Cameron Eis essen zu gehen, doch ich dachte, dass das leckere Eis meinem geschundenen Körper guttun würde. Sonst klappt das schließlich auch immer bestens.
Niedergeschlagen stecke ich meinen Löffel zurück in den großen Spaghettieisbecher, um zu warten, bis die Kopfschmerzen nachlassen, was bei mir merkwürdiger immer ziemlich lange dauert. Mein Blick wandert hinüber zu Cameron, der mir gegenüber sitzt und sein eigenes Eis mit großen Happen nahezu verschlingt. Ob dieser starke Hunger wohl darin seine Ursache hat, dass er ein halber Wolf ist? Bei Gelegenheit werde ich ihn das mal fragen müssen.
Als er meinen Blick entdeckt, lässt er ebenfalls seinen Löffel sinken und fragt mich verwundert: “Ist alles okay, Kat?“ Seine Fürsorge rührt mich: “Ja, alles gut. Ich habe nur Hirnfrost!“ “Hast du das oft?“, fragt er lachend. Ich steige in das Gelächter ein und nicke: “Du nicht?“ “Nein, noch nie“, lacht er und hält mir seinen Löffel, der mit seinem Eis bedeckt ist, vor den Mund. Grinsend öffne ich den Mund und schmecke die kalte, süße Masse. Sein Eis schmeckt ehrlich gesagt noch besser als mein eigenes, weshalb ich schnell meinen Löffel nehme, als die kleine Portion Eis von seinem Löffel gegessen habe, und sein eigenes Eis zu vernaschen beginne. “Hey, das ist meins“, mault er grinsend und drückt seinen Löffel daraufhin in mein Eis, was mich aber eher weniger stört.
Am liebsten würde ich mit ihm für immer hier sitzen, Eis essen und Spaß haben, denn jedes Mal, wenn wir gemeinsam Zeit verbringen, fühle ich diese wunderbare Unbeschwertheit, die ich, als ich Cameron und ich uns noch hassten, nie gespürt und mir immer herbeigewünscht habe. Ich atme tief durch, schließe die Augen und genieße die Situation, doch gerade als mir fast ein leiser Seufzer entflieht, klingelt ein Handy neben mir und ich öffne überrascht die Augen.
Automatisch taste ich mit meiner rechten Hand an meinen Taschen herum, um mein Handy herauszuziehen, doch als mir das endlich gelingt, stelle ich fest, dass es gar nicht mein Handy war, was geklingelt hat. Verwundert ziehe ich eine Augenbraue hoch und sehe zu Cameron, der mit einem wütenden Blick auf sein klingelndes Handy starrt, aber keine Anstalten macht dran zu gehen. “Wieso gehst du nicht ran?“, frage ich ein wenig verwirrt. Schließlich verstehe ich nicht, warum er sich weigert ans Handy zu gehen und warum er wütend ist. Daran, dass man uns unterbricht, kann es nicht liegen, denn weitermachen können wir ja auch später noch. “Keine Lust“, sagt er und legt das Smartphone zurück auf den Tisch. Daraufhin hört es kurz auf zu klingeln, doch dann beginnt es wieder, doch Cameron scheint das nicht zu interessieren, weshalb ich selbst nach dem Handy greife und auf den grünen “Annehmen“ – Knopf drücke. Mit einer Hand führe ich das Smartphone ans Ohr und versuche den Anrufer zu identifizieren, in dem ich frage: “Handy von Cameron Ross. Wer ist da?“ “Katy? Bist du das?“, sofort kann ich die Stimme am anderen Ende als Tonys, die eines anderen Wolfes aus Camerons Rudel, identifizieren. “Tony? Ja, ich bin, Katy“, erkläre ich, während mein Blick zu Cameron wandert, der mich, mit leichter Wut in seinem Blick, ansieht. “Ist Cameron bei dir?“ fragt der Wolf, mit den besonderen Augen, am anderen Ende. “Ja, soll ich ihn dir geben?“, frage ich weiter und sehe Cameron zu, der abwehrend den Kopf schüttelt, doch als Tony meine Frage bejaht, reiche ich ihm das Handy, ohne auf seine Bitten einfach aufzulegen, zu hören.
Entnervt verdreht er die Augen, als ich es ihm reiche, legt aber nicht auf, sondern beginnt mit Tony zu reden. Interessiert sehe ich zu, weil ich echt keine Ahnung habe, was der andere Wolf wollen könnte. Schließlich ist Cameron ja nicht in seinem Alter, als wird es wohl kaum um ein freundschaftliches Treffen gehen.
Mit einer Handbewegung bedeutet er mir, dass er kurz nach draußen gehen wird, woraufhin meine Augenbrauen automatisch fragend nach oben wandern, doch um zu fragen, was los ist, habe ich keine Zeit mehr, denn bevor ich überhaupt den Mund öffnen kann, ist er aufgestanden und hat das Café verlassen.
Erstaunt blicke ich ihm hinterher und lasse mich gegen meine Stuhllehne sinken. Jetzt wurde ich einfach stehen gelassen. Danke dafür, denke ich nur, das war ein richtiger Korb, und esse gedankenverloren mein schmackhaftes Eis weiter, während ich auf die Rückkehr meines Freundes warte, die sich länger hinzieht als gedacht.
Nachdem ich fast zu beginnen denke, dass mein Mate gar nicht mehr zu mir zurückkehren wird, sondern nur seine Chance genutzt hat, um von diesem Ort abzuhauen, eilt er durch die Glastür zurück zu mir und greift seine Jacke vom Stuhl.
Aus meinen Gedanken gerissen, lehne ich mich wieder zu ihm nach vorne und frage: “Was ist los?“ Doch er zieht nur sein Portmonee aus der Jackentasche und wirft einige Geldscheine auf den Tisch: “Erkläre ich dir später. Jetzt komm! Wir müssen los. Sofort!“ Sein plötzlicher Befehlston erschreckt mich und sagt mir, dass er es ernst meint. Auf einmal beschleicht mich das ungute Gefühl, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss, welches durch sein kreidebleiches Gesicht nur noch verstärkt wird, weshalb ich mir ebenfalls schnell die Jacke überwerfe und die Hand ergreife, die er mir hinstreckt, nachdem er bezahlt hat.
Wie auf einer Hetzjagd zieht mich Cameron zum Ausgang und als ich unterbewusst das Zittern seiner Hand, die er in meiner verschränkt hält, wahr nehme, breitet sich das beunruhigende Gefühl, dass irgendwas geschehen sein muss, in meinem Inneren noch weiter aus und lässt das Adrenalin wild durch meine Adern pulsieren. Mein Gehirn ist beinahe wie betäubt und lässt nur den Gedanken zu, dass gerade eben irgendetwas Bedrohliches geschehen sein muss und als wir gemeinsam nach draußen auf die Straße taumeln, scheint es, als würde der unheimliche Nebel des Todes über der ganzen Stadt wabern.