Jetzt muss sie ein letztes mal mutig sein. Sie schaut in ihre rechte Hand wo sich ca. 20 Beruhigungspillen befinden. Dann schaut sie links neben sich, dort liegen 4 zusammen gefaltete Zettel mit Namen drauf. Auf einem steht Mum & Dad, auf dem 2. Karlie, auf dem 3. John und auf dem letzten Leon. Es sind Abschiedsbriefe für die Personen, die ihr in ihrem Leben am wichtigsten waren.
Sie blickt auf den Boden und wischt sich mit der linken Hand tränen aus dem Gesicht. Es waren keine tränen der Trauer, sondern tränen der Freude, denn sie weis das es gleich alles ein Ende haben wird. Kein Schmerz mehr, keine Qualen, einfach nur Frieden. Mit einer Handbewegung schmeißt sie alle Tabletten die in ihrer Hand waren in den Mund. Sie spült sie mit Wasser runter, legt sich in ihr Bett, schließt die Augen und lächelt. Es ist ein ehrliches Lächeln, wie sie es schon seit Jahren nicht mehr gehabt hat. Alles was danach passiert, merkt sie schon gar nicht mehr, denn sie ist tot. Im nächsten Moment, als sie ihre Augen öffnet, steht sie auf dem Dach ihres Lieblings Gebäudes.
"Du fragst dich bestimmt wie du hier hin gekommen bist, was?" ertönte eine Männerstimme hinter ihr.
"Was? Wer bist du?" erschrocken dreht sie sich um.
"Ich bin der Tod, aber nenn mich bitte Mark." antwortete der Mann ruhig.
"Es hat geklappt? Ich bin wirklich tot?" fragte sie aufgeregt und schaute sich hektisch um.
"Ja Chloe, du bist tot." antwortet Mark völlig ungerührt.
"Warte, woher kennst du meinen namen?" Chloe war wie erstarrt, als Mark ihren Namen sagt.
"Ich sagte dir doch, ich bin der Tod. Ich kenne die Namen aller Menschen die tot sind." sagt er und geht einen Schritt auf Chloe zu, worauf sie einen Schritt zurückweicht.
"Aber du siehst nicht aus wie der Tod. Ich meine, ich weis diese Bilder die wir im Kopf haben, von dem Tod oder dem Teufel oder Gott stimmen nicht, aber ich hatte mir den Tod nicht so vorgestellt wie dich." sagt Chloe leicht zweifelnd das er wirklich der Tod ist.
"Wie sehe ich denn aus? Und wie hast du dir mich sonst vorgestellt?" fragt Mark mit monotoner Stimmlage. Sie überlegt kurz und antwortet dann,
"Naja, du bist jung, hast einen Anzug an und siehst normal aus. Den Tod hatte ich mir irgendwie alt vorgestellt, in schwarzen Klamotten und mit einer Sense." er schmunzelt und antwortet,
Ja, das höre ich öfter, aber Spaß bei Seite. Was ist deine Geschichte?"
Chloe schaut ihn verwirrt an und er versteht.
"Na, deine Geschichte. Warum, wie und wo bist du gestorben." erklärt er.
Sie ist sich unsicher ob sie es ihm erzählen soll, andererseits ist er der Tod.
"Ok, aber nur wenn du mir deine erzählst." sagt sie nach kurzem zögern. Mark seufzt und willigt ein. Er hast es seine Geschichte zu erzählen, weil er nicht stolz drauf ist, aber seine Aufgabe ist es die Geschichte der verstorbenen herauszufinden. Sie setzten sich an den Rand des Daches und er fängt an zu erzählen.
"Als ich noch lebte war mein Name Mark Griffon. Mit 10 Jahren habe ich meinen Vater verloren, ab da ging es bergab. Ich wurde kriminell und geriet an die falschen Leute. Mit 19 wurde ich Auftragskiller. Das Geschäft lief gut bis ich mit 30 Jahren einen Autounfall hatte und starb. Ich kam in die Hölle und Luzifer sagte das er schon viel Abschaum da unten gesehen hätte, aber das ich alles übertreffe. Er sagte da es mir ja anscheinend Spaß gemacht hätte Leute zu töten, könnte ich das gleich weiter machen, also machte er mich zum Tod. Ich versuchte ihm zu erklären, das mir dass keinen Spaß gemacht hat und das ich es bereue, es aber tun musste, doch seine Entscheidung war gefallen und seitdem mache ich das hier. Es ist jetzt 3 Jahre her und du kannst dir gar nicht vorstellen was das für eine Qual ist, jeden Tag die Leute zu sehen die man liebt, in dem wissen das sie dich nicht sehen oder hören können und ich habe tierische angst vor dem Tag an dem ich einen von ihn holen muss."
Chloe schaut ihn mit tränen in den Augen an und als sie merkt das sie tränen in den Augen hat fängt sie an zu lachen.
"Warum lachst du?" fragt Mark verwirrt.
"Ach es ist nur, deine Geschichte hat mich zu tränen gerührt und das heißt ich fühle! Ich fühle wieder! Ich habe schon so lange nichts mehr gefühlt." antwortet sie und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.
"Hm..ok. So jetzt kennst du meine Geschichte, jetzt will ich deine wissen!" sagt er.
Chloe hört auf zu lachen und wird ernst.
"Ok, also es fing alles in der Grundschule an. Da wurde ich immer wegen meines Aussehens geärgert. Ich dachte in der Mittelschule wird es besser, aber es wurde nur schlimmer. Ich veränderte mein Aussehen, doch sie hörten nicht auf. Ich hatte keine Freunde, weder in der Schule noch außerhalb der Schule und mir ging es immer schlechter. Mit 14 habe ich eine Therapie begonnen, in der Hoffnung das es besser wird, aber nein. Nach einem halben Jahr in Therapie bekam ich die Diagnose schwere Depression, Borderline und Schizophrenie. Ab da ging es weiter bergab. Ich begann mich zu ritzen, gegen Wände zu schlagen und meinen Selbstmord zu planen. Ich schrieb Abschiedsbriefe an die Personen die mir am wichtigsten in meinem Leben waren. Und jetzt mit 18 Jahren beging ich Suizid mit einer Überdosis Beruhigungstabletten."
Mark schaut sie mit leerem Blick an und holt dann eine Taschenuhr aus seiner Hosentasche. Er schaut drauf, steht auf, steckt sie wieder ein und sagt,
"Es ist Zeit, wir müssen gehen."
"Was? Wohin?" Chloe stand auf und ging zu ihm hinüber.
"Ich will dir zeigen was du mit deinem Ableben bei den Menschen aus deinem Umfeld angerichtet hast." antwortet er und im nächsten Moment stehen sie schon in der Wohnung von Chloe und ihrer Familie. Ihre Eltern sitzen weinend auf der Couch und lesen sich den Abschiedsbrief durch. Auf dem Tisch liegen die anderen 3 Briefe.
"Was hast du ihnen geschrieben?" fragt Mark. Doch Chloe antwortet nicht, sie starrt ihre Eltern an und bekommt auch tränen in den Augen.
"Das wollte ich nie!" sagte sie mit zitternder Stimme doch Mark interessiert das nicht. Er will wissen was sie geschrieben hat.
"Ehm, das ich sie lieb hab, das es nicht ihre schuld ist und das sie meine Social Media löschen sollen." antwortet sie nachdem er nochmal fragt.
"Hm, ok, weiter geht's." sagt Mark, macht eine Handbewegung und als nächstes stehen sie in dem Zimmer von Chloes Bruder, John. Es ist zwei Tage später und ihre Eltern haben die anderen Briefe zugestellt. John sitzt mit tränen in den Augen auf seinem Bett und liest sich den Brief durch, den Chloe ihm geschrieben hat.
"Und was hast du ihm geschrieben?" fragt Mark wieder und diesmal antwortet sie sofort,
"Das, auch wenn er in letzter Zeit nur wenig da war, ich ihn trotzdem lieb und vermisst hab und das ich stolz war so einen tollen großen Bruder gehabt zu haben, auch wenn wir uns oft gestritten haben. Ich hätte nicht gedacht das er so darauf reagiert."
"Da siehst du mal das du nicht allen egal warst." sagt Mark und legt ihr seine Hand auf die Schulter als Zeichen das sie weiter müssen. Sie verstand und nickt. Der nächste Ort wo sie sind ist bei Karlie, ihrer besten Freundin. Sie hat den Brief gerade aus dem Briefkasten geholt. Mark braucht gar nicht mehr zu fragen, Chloe erzählt von ganz allein was sie geschrieben hat.
"Ich habe eine witzige Anspielung auf unsere Lieblings Serie gemacht und da sie jetzt lacht hat sie es verstanden. Dann hab ich ihr geschrieben das sie garantiert auch gut ohne mich weiterleben kann und das ich sie als Geist heimsuchen werde."
Mark sagt nichts und springt mit ihr direkt zum nächsten Ort.
"Was machen wir hier? Ich will nicht hier sein!" protestiert Chloe.
"Du hast auch ihm einen Brief geschrieben, schon vergessen?" antwortet Mark.
"Achja, ich weis gar nicht warum. Ich meine ja, er war mein bester Freund, aber das hat sich dann auch recht schnell erledigt seit er mit Karlie zusammen ist. Viel hatte ich ihm sowieso nicht mehr zu sagen. Nur das er mich mit seinem Verhalten sehr verletzt hat, weil er wusste was ich für ihn empfunden habe. Aber er ist ja Leon, dessen die Gefühle von anderen egal sind." schreit sie schon fast als ob er sie dann hören könnte.
"Und warum liebst du ihn dann noch wenn er so ein Arsch war?" fragt Mark. Chloe dreht sich zu ihm um und schreit,
"Weil man Gefühle nicht einfach so abstellen kann!"
Mark schaut an ihr vorbei zu Leon, der gerade den Brief zur Seite gelegt hat und eine kleine Kiste unter seinem Bett hervor holt. Jetzt dreht auch Chloe sich wieder um und beobachtet wie er sich mehrmals in den Arm schnitt und jammert "Es tut mir so leid Chloe." Bevor sie irgendwas sagen kann sind sie auch schon am nächsten und letzten Ort. Chloe versteht nicht was sie hier wollen, denn sie hatte nur 4 Briefe geschrieben und bei den Leuten waren sie. Doch Mark scheint zu wissen warum sie hier sind, denn er schaut sie ganze Zeit in eine Richtung, als ob er auf jemanden wartet. Und tatsächlich, da kommen Rick und Lisa, die Mobber aus Chloes alter Schule. Sie versteht zwar immer noch nicht warum sie hier sind, aber das ändert sich jetzt, denn Rick und Lisa beginnen sich zu Unterhalten.
"Unglaublich das die sich wirklich umgebracht hat. Ich meine alles was wir gesagt haben war doch nur Spaß." sagt Rick und nimmt einen Zug von seiner Zigarette.
"Für uns war es nur Spaß, aber sie hat es wohl ziemlich getroffen und mitgenommen, warum hat sie sich wohl sonst umgebracht?" antwortet Lisa reuevoll, aber Rick schaut sie nur verständnislos an.
"Ich sag ja nicht das wir der einzige Grund waren, aber wir haben schon einen großen Anteil daran." erklärt sie.
"Ja, du hast schon recht. Ich wollte auch nie das es soweit kommt." antwortet er.
"Ja, ich auch nicht. Ruhe in Frieden Chloe, tut uns echt leid das es soweit gekommen ist." sagt Lisa abschließend und dann schweigen beide.
"Denkst du immer noch das es so eine gute Idee war Selbstmord zu begehen?" fragt Mark.
"Nein, ich wusste nicht das ich sowas damit anrichten würde. Ich wünschte ich hätte es nie getan." sagt Chloe reuevoll.
"Das ist alles was ich hören musste." erwidert Mark, schnippst mit den Fingern und Chloe wacht in ihrem Bett auf. Es ist schon hell draußen, sie schaut auf die Uhr 05.30.
Das war alles nur ein Traum, aber einer der ihr die Augen geöffnet hat.