Ein normaler Schultag eines Kantonsschülers der Bündner Kantonsschule.
Heute morgen verstarb mein Wecker im Alter von 6:30 Uhr an einem schrecklichen Wandunfall.
7:15 Uhr
Meine Zimmertür knallt gegen die Wand und meine Mutter brüllt: „Aufstehen. Sofort. Du hast verpennt.“ Ich rolle mich zur Seite und mein Gesicht hat eine nette Begegnung mit dem Fussboden. Erst jetzt schaltet sich mein Hirn ein und teilt mir mit: „Verpennt!“
Ich zerre ein T-Shirt aus meinem Schrank und hüpfe mit einer Hose durchs Zimmer. Ich stopfe ein paar Bücher in meinem Rucksack und renne ins Bad, wasche mich in Rekordgeschwindigkeit und putze mir die Zähne.
7:25 Uhr
Sich Müsli und Milch in den Mund zu leeren, gar nicht so einfach, wie es in all den Filmen aussieht. Ich verschlucke mich, ersticke beinahe und mein Frühstück spritzt mir zur Nase hinaus.
Scheiss drauf!
Ich schnappe mir die erstbeste Jacke, schlüpfe in ein paar Schuhe und hetze zu meinem Fahrrad.
7:30 Uhr
Shit, mein Fahrrad hat einen Platten.
7:50 Uhr
Ich schliesse das viel zu kleine Fahrrad meines Bruders ab und bete, dass ich den Schlüssel dabeihabe um es wieder aufzuschliessen. Dann sprinte ich ins Schulzimmer, der Lehrer ist zum Glück noch nicht da und schmeisse den Teil meiner Bücher auf den Tisch, den ich dabeihabe.
Erneut glaube ich an die heilende Kraft und tiefe Weisheit von „Scheiss drauf“, als ich mich an meinen Platz setze.
„Du siehst aus, als ob du einen Marathon durch einen Urwald im Stockdunklen gemacht hast“, meint meine Freundin grinsend zu mir. Sie deutet auf mein T-Shirt, welches mit Milch und Müsli übersäht ist, auf dem man eine lächelnden Hello Kitty erkennen kann.
Ich knurre sie an und sage: „Eine gesunde Scheissegalhaltung ist heutzutage sehr wichtig.“
8:00 Uhr
Unser Lateinlehrer betritt das Zimmer und sagt: „Discipuli et discipulae, lectio incipit. Salvete! Seid ihr wie Schwämme, wissbegierig und bereit jeden Tropfen Wissen aufzusaugen? Seid ihr noch bei Kräften? Ist die Schule eure freie Zeit, wenn nicht geht in die Steinbrüche arbeiten.“
9:20 Uhr
Musikunterricht: Lieder aus dem Neolithikum und Hip-Hop von den Neandertalern.
Ich frage mich wirklich wieso die Schüler von heute, in den Schulen von gestern, von Lehrern von vorgestern, mit Methoden aus dem Mittelalter, auf die Probleme von übermorgen vorbereitet werden.
10:30 Uhr
Naturlehre! 40 Minuten in einem stickigen Schulzimmer in dem unser Lehrer fliegen brätelt, der Erstickungstod ist nicht mehr fern.
Wann bekomm ich endlich den verdammten Brief aus Hogwarts?
11:20 Uhr
„Nehmt das Aufgabenheft zur Hand und bewaffnet euch mit dem Korrekturstift.“ Wir korrigieren die Hausaufgaben und schrieben einen Theoriehefteintrag wie folgt: „Wenn in einem Saal 300 Leute sind und 400 hinausgehen, müssen 100 wieder hineingehen, damit der Saal leer ist.“ Währenddessen schneidet unser Mathelehrer sich die Fingernägel.
„Das braucht ihr später mal“, die grösste Lüge der Lehrer.
„Da stehst du irgendwann auf dem Pannenstreifen, keine Ahnung warum die Karre nicht mehr läuft, aber du könntest die Fläche des Pannendreiecks ausrechnen.“
12:15 Uhr
Ganz ähnlich geht es mir, als ich heute Mittag mit der Tiefkühlpizza vor dem Ofen stehe und mich frage, welche der vier Schienen nun die Mittlere ist.
13:10 Uhr
Ich hasse Tage mit kurzem Mittag. Heute haben wir kurzen Mittag.
Demotiviert betrete ich das Italienischzimmer. Unser Lehrer lässt uns zuerst seitenweise Grammatik abschreiben, die wir nicht verstehen und die er uns auch nicht erklärt. Danach dürfen wir „still wie in einer Bibliothek Wörtli lernen“, während er sich zum Fenster dreht um unbemerkt in seiner Nase zu bohren.
14:05 Uhr
Englisch: Kein Kommentar, obwohl man natürlich auch Dosenwein kaufen kann..
15:00 Uhr
Unser Religionslehrer betritt das Zimmer und meint: „Es ist mir scheissegal, ob es langweilig ist oder nicht, Hauptsache ihr lernt was.“ Er trinkt einen Schluck aus seinem geblümten Teebecher und ein unglaublicher Gestank erfüllt das Schulzimmer. Da wir ja so unglaublich kreativ sind, schreibt jemand von uns auf sein Blatt: „Ehe gleich ficken.“ Unser Lehrer ist leider nicht derselben Meinung und zerreisst das Blatt, da er die Erfindung Pilotstift wohl nicht kennt.
15:45 Uhr
Wir erklimmen die mörderische Treppe und beobachten unseren Religionslehrer dabei, wie er irgendwelche Kräuter aus dem Schulsumpf frisst.
15:55 Uhr
Deutsch ist grundsätzlich ganz oke, doch heute nicht. Wir müssen eine Theaterübung machen, bei der wir durch den Raum gehen müssen. Unser Lehrer schreitet durch den Raum, bewegt seine Arme wie Schwingen und spricht: „Ihr müsst schweben.“
16:50 Uhr
Geografie ist die letzte Lektion für heute und wir sind dementsprechend sehr motiviert und aufmerksam. Unser Lehrer beginnt die Stunde mit: „Ihr seid dazu verdammt in diesem Schulzimmer zu sitzen“, und beendet die Stunde mit: „Ich teile grundsätzlich keine Strafen aus, aber ich könnte, ich könnte!“
So verläuft ein normaler Schultag an der Bündner Kantonsschule, aber scheiss drauf, ich werde eh Prinzessin!