Fendrik führte seine Männer und die materialbeladenen Karren ereignislos durch die Mark. Um nicht querfeldein dem Ziel entgegenzureiten und womöglich in feindliche Patrouillen zu geraten, nahmen sie die besprochene Route der Wegemarken und hielten sich somit vom Lager startend vorerst in nördliche Richtung. Sie überwanden den äußersten Zipfel der Markengrenze nach Bregeran - dem ersten Wegepunkt. Von dort aus lag ihr nächstes Etappenziel weit oben im Norden, direkt im Schatten des Gebirges, um später östlich an diesem entlang zum Pass zu gelangen. Fendrik ließ seinen kleinen Tross am zweiten Wegepunkt, abseits der Grenze nach Bregeran innerhalb einer Lichtung rasten, um Kraft für den nächsten Wegeabschnitt der kommenden Tageswende zu sammeln.
Gleich nach Anbruch Morgengrauens rafften sie ihre wenige mitgeführte Habe zusammen und machten sich auf den Weg. Sie überquerten einen der größeren Bäche – die Terne – und kamen ihrem Ziel durch dichten Baumbestand des Waldes näher.
»Männer. Schaut dort vorn.« Fendrik deutete mit seiner rechten ausgestreckten Hand voraus. »Nur noch wenige Längen und wir sind am Zugang unseres Zieles. Wir werden pünktlich zur Dämmerung im kleinen Tal eintreffen und unser Lager errichten. Beginnend zum Morgengrauen werden wir unsere Ladung verteilen und darangehen unsere Aufgabe zu erfüllen, weswegen wir gekommen sind.«
Die Jäger, sowie Helfer und Arbeiter schauten in die gezeigte Richtung, strengten gar ihre Augen an, konnten aber besagten Zugang nicht erkennen. So mancher zuckte mit der Schulter, andere wiederum nur die Mundwinkel. Ihr Führer würde schon wissen, was er tat. Kurz vorm Zutritt ließ er halten und die Nachzügler aufschließen. Kühler Wind wehte aus dem vor ihnen befindlichen Pass und führte staubige Luft mit sich. Selbst aus unmittelbarer Nähe war dieser nur zu erkennen, wenn man genau darauf achtete und wusste, wonach man Ausschau halten musste.
»Eine Zehn voraus und eine als Nachhut. Die Karren in die Mitte«, erteilte Fendrik Befehl und ritt voran an die Spitze. Nach etwa zwei langweiligen Tausendlängen, begleitet mit den Echos der eisenbeschlagenen Räder ihrer Fuhrwerke, deutete sich nach einer seichten Biegung ein Tal an, auf das sie unvermittelt zuhielten.
»Vor uns liegt das Tal. Rechter Hand verläuft eine kleine Bergquelle, kümmert euch erst um die Pferde. Tränkt sie und entladet die Karren fürs Lager. Die mitgebrachten Stämme legt etwa eine Länge vor dem beginnenden Tal ab, wir haben Glück und können bedingt des Tageslichtes noch Arbeiten von morgen erledigen.«
Die Männer bedurften keinerlei weiteren Anordnungen, denn ein jeder hatte gelernt, dass sein Pferd vor allem anderen zu versorgen ist. Es herrschte hektische Betriebsamkeit im kleinen Tal, als gesamt vierzig paar Hände begannen, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Karren wurden entladen und die mitgeführten Materialien entsprechend vorsortiert. Die Kämpfer errichteten die Zelte und Feuerstätten, sodass sich Arbeiter und Helfer damit nicht aufzuhalten brauchten, was ihnen einiges an Zeiten einsparte.
»Lasst uns nach getaner Arbeit zur Ruhe legen, jeweils zwei Mann halten an den Talzugängen Wache, den Wachwechsel haben wir ausgiebig geübt. Beginnend dem Morgengrauen, will ich, dass diese Bäume hier geschlagen, geschält und über den Feuern getrocknet werden. Uns bleiben nur zwei Zehntage, unseren Auftrag zu erfüllen, dann bekommen wir Besuch.«
Schnell kehrte im Tal Ruhe ein, bis auf die eingeteilten Wachposten legten sich allesamt schlafen und freuten sich auf eine lohnendere Zukunft. Die Wachen bezogen Posten und begingen einige Längen des Passes, darauf bedacht kein oder nur geringen Laut von sich zu geben. Sie wussten, dass in den nächsten Tageswenden, auf einen jeden von ihnen harte Arbeit wartete und die Ruhenden ihren Schlaf benötigten.
Pünktlich mit beginnenden Morgengrauen, und ohne dass ein allgemeiner Weckruf die umliegenden zum Aufstehen rüttelte, begaben sich alle an ihre zugeteilten Aufgaben. Selbst die zum Schutz mitgekommenen Kämpfer griffen zu Sägen und Äxten, um die Bäume im Tal zu fällen. Einige der Arbeiter begannen mit dem Ausschachten von Gräben, in denen die Stämme zum Teil versenkt werden sollten, um der Palisade einen festen Stand zu bieten. Seile wurden gezogen und Pech auf die bereits mitgebrachten Stämme auf etwa einer Viertellänge aufgetragen, um vor Fäulnis zu schützen. Geschlagene Bäume wurden entastet und geschält, Schreiner kürzten diese auf etwa zwei Längen und begannen diese entsprechend des Bedarfes zu Balken, Bohlen oder Brettern zurecht zu sägen. Die Arbeiten im Tal verliefen wahrhaftig hervorragend und ohne jegliche Zwischenfälle. Hand in Hand gingen die Männer im Tal vor und halfen sich, wo immer jemand gerade Hilfe benötigte. Die Sonne erhob sich zu Sonnenhoch und ihre warmen Strahlen schienen in den Pass hinab und trieben den fleißigen Schweiß in die Augen. Fendrik selbst war sich keiner Mühe zu schade, suchte das im Tal umherliegende Geröll zusammen und hebelte im Boden Steckendes mit einer langen Eisenstange heraus. Zu große Brocken schlug er von festem Gesteinsboden mit Hammer und Meißel kurzum entzwei und schaffte den Unrat zu einem Sammelplatz neben der Bergquelle. Fleißige Steinmetze bearbeiteten die Gebirgswände ebenfalls mit Hammer und Meißel, um stammdicke Rillen zu schlagen, sodass die Stämme der Palisade einen geraden und dichten Abschluss mit dem Gebirge bilden konnten.
Die Abende verbrachten die Männer gemeinsam an drei Feuern und diskutierten über ihr Vorankommen und der vor ihnen liegenden Zukunft. Ab und an, wenn sie dem Reden überdrüssig wurden, stimmten sie alte Lieder an und schickten die melodischen Echos durch den Pass und himmelwärts. Die Echos des Passes begleiteten die Melodien zeitversetzt und zum guten Teil, klangen dieses Mehrstimmigkeit ausgenommen wohlwollend.
Die fünfte Tageswende und etwa zu Sonnenhoch wallte Jubel durchs Tal, sodass jeder mit seiner Tätigkeit innehielt und interessiert aufsah, was dort vor sich ging. Der letzte Baum war gefällt und lag nun quer über den bereits geschälten. Fendrik schritt heran und stellte sich auf den hervorstehenden Stumpf. »Sehr gut Männer, wir liegen in der Zeit und dieser Vorort ist baumfrei. Wie steht es mit den Vorbereitungen für die Palisade?«
»Der Boden ist äußerst hartnäckig und wir mussten vielerorts erst mit Hammer und Meißel das Gestein brechen. Der Graben und die Nischen zum Gebirge sind fertig und warten nur darauf, dass wir sie wieder stopfen. Die künftigen Torpfosten stehen bereits ...« Der Arbeiter zeigte in die entsprechende Richtung, in der die beiden dicken Pfosten aufrecht in den harten Boden eingelassen standen. »... und die Stützstreben sind verankert. Noch heute, soll mit dem Setzten der ersten Stämme begonnen werden. Über Seile und Krampen verfügen wir genügend, Herr.«
»Das ist erfreulich. Schaut, dass wir die übrigen Baumstümpfe noch entfernt bekommen und das letzte Geröll aus dem Tal verschwindet. Wie steht es mit der Tränke und dem Brunnenbau?«
»Werden schätzungsweise zur Dämmerung fertiggestellt sein. Ihr selbst habt uns massenhaft brauchbaren Stein angeschleppt, Herr«, rief es von der Quelle herüber, an der erneut Hammerschläge begannen zu dröhnen.
»Herr, die Jäger melden, dass das Beseitigen des Gerölles nach Middellande noch etwa eine Tageswende in Anspruch nehmen wird. Dadurch, dass die Wachen immer wieder loses Geröll mit sich nahmen, kommen wir bestens zurecht.«
»Danke, wie ist dein Name, Mann?«
»Man nennt mich Reyes, Herr. Ich bin einer der Steinmetze und habe bis vor zwei Zehnteltagen noch mit am Brunnen gearbeitet.«
»Sei bedankt Reyes, was ist deine nächste Aufgabe?«
»Ich gehe hinüber zur Palisade und helfe beim setzten der Stämme.«
Fendrik bedankte sich kopfnickend und hüpfte vom Baumstumpf, griff sich eine anlehnende Axt und beabsichtigte beim Entfernen des Stumpfes zu helfen.
Fünf Tageswenden sind vergangen und das Tal ist abgeholzt, vereinzelnd noch ein paar Stümpfe beseitigen und der Boden kann begradigt werden. Die ersten Pfosten der Palisade stehen und genügend Holz ist vorhanden. Hm, vielleicht noch weitere fünf und wir müssten weitestgehend fertig sein – hoffentlich.