Die neunzehnte Tageswende war angebrochen und das Lager platzte förmlich aus allen Nähten. Überall standen voll beladene Karren. Eric und seine ausgesendeten Männer hatten laut Order naheliegende Siedlungen bestreift und Leute zur Neubesiedelung zum Lager geschickt. Handwerklich Begabte, waffenfähige Männer und Frauen als auch einfache Bauern und Helfer mit ihren Familien tummelten sich im und um das Lager herum.
Außerhalb der Schlucht hatten die Arbeiter wie der feste Besatz mit der Errichtung der Palisade begonnen, welche später das gesamte Areal vor Eindringlingen schützen solle.
Ben stand aufbruchbereit vor seiner Hütte und hielt einen großen Sack, gefüllt mit seinen Habseligkeiten unter dem Arm und winkte einen seiner Jäger herbei, um diesen verstauen zu lassen. Jarik nährte sich ihm und bedeutete mit dem Arm über den Trubel. »Benjamin, der Tross steht und alle Materialien sind weitestgehend verstaut ...« Beide griffen sich zum Gruß an den rechten Handgelenken.
»Ist Fendriks Bote eingetroffen?«
»Nein, noch nicht. Er soll ja auch erst während der morgigen Tageswende eintreffen. Zwanzig hattest du gesagt.«
»Mhm.« Ben kratzte sich an der linken Augenbraue und grübelte. »Jarik, gib Yaeko Bescheid. Spannt die Pferde vor und lasst aufsitzen. Alle, die ihr persönliche Habe noch nicht untergebracht haben, müssen in einem Zehnteltag bereit sein. Ich erwarte einen halben Beritt umgehend in Bereitschaft. Yaeko soll mit diesem zum zweiten Wegepunkt vorausreiten. Wir kommen nach. Er soll die Augen offen halten und jene einsammeln, die sich an den vereinbarten Stellen eingefunden haben.«
»Was ist los? Wir hatten besprochen, dass ein viertel Beritt immer nur eine Strecke vorausreitet.«
Ben war bereits im Begriff sich umzudrehen, um seine in der Hütte bereitliegenden Waffen zu holen. Er hielt inne und warf seinem Freund einen befremdlichen Blick zu. »Ich habe ein seltsames Gefühl. Der Bote sollte uns, wenn alles in Ordnung ist, entgegen reiten. Los jetzt, Eile ist geboten.«
Dass Jarik die Order hinnahm, bekundete er mit dem üblichen Faustschlag seiner Rechten zum Herzen, obwohl er sich fragte, wieso sein Freund dermaßen aufgewühlt war. Befehle wurden gebrüllt und das Lager erwachte zu einer übertriebenen Betriebsamkeit. Persönliche Gegenstände und letzte Ladungen wurden verstaut und festgezurrt. Pferde vor Karren gespannt und Ladungen auf sicheren Halt abermals überprüft. Arbeiter und Helfer, die sich im Lager einfanden, stiegen auf ihre zugeteilten Fuhrwerke und warteten auf den Abmarschbefehl.
Ben stand mit seinem Schwert in der Hand vor den drei Hütten und blickte sich um, als seitlich Yaeko heranritt. »Benjamin? Jarik bat mich, mit einer halben Hundertschaft vorauszueilen. Treffen am zweiten Wegepunkt? Gibt es einen Grund zur Hast?«
Ben nickte Indies. »Eile dich mein Freund und sichere den Treffpunkt. Mich quält ein unbeschreibliches Gefühl, welches ich nicht außer Acht lassen mag. Ich reite mit dem Tross und sichere die Flanken. Anstatt endlos hintereinander werden wir in Zweierreihen die Karren fahren lassen, dass verkürzt die Länge und ist Sicherer für alle Beteiligten.«
»Gut, wir eilen voraus und hoffe, dass du dieses Mal im Unrecht bist.« Er hob grüßend den Arm und wendete sein Pferd zu dem wartenden Beritt.
»Wir reiten zum zweiten Wegepunkt, haltet Augen und Ohren offen. Los!«, erteilte Yaeko Befehl und ritt mit erhobener Lanze voran.
Ein imposanter Anblick, diese mittlerweile solide ausgebildete Reiterschar zu beobachten. Stolz, gerade aufgerichtet und mit in einer Flucht gehaltener Lanzen trabten sie an. Keiner von ihnen fiel aus der Reihe oder verzerrte die Ordnung. Jarik lehnte an einem Pfosten der Koppel und sah zu Ben, der seine Anwesenheit nicht zu bemerken schien. Er drückte sich mit dem angelehnten Gesäß ab, schritt auf ihn zu und sprach vorbehaltlos und direkt. »Der Tross ist bereit und die stehende Besatzung informiert. Sie werden wie befohlen an der Palisade weiterarbeiten und das Lager während der Abwesenheit gewissenhaft betreiben.«
Ben wendete den Blick und wurde sich seines Getreuen gewahr, der ihn erwartungsvoll betrachtete. »Gut. Wir geben unseren Leuten noch etwas Zeit und Yaeko einen Vorsprung.«
Jarik nickte und entfernte sich.
Bevor Ben zurück in seine Hütte marschierte, blickte er sich nochmals aufmerksam um. Von außen vernahm er letzte Anweisungen, die zum baldigen Aufbruch mahnten.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis alle angeritten und angerollt waren. Die halbe Hundertschaft, die beim Tross verweilte, verteilte sich augenblicklich unter die zu Schützenden, um im Falle einer drohenden Gefahr sich zu jeder Zeit und zu jeder Seite hin schleunigst formieren zu können.