»Sichtkontakt! Zum Angriff!!«, brüllte Ben mit allem, was sein Organ hergab, beugte sich vor und reckte verbissen sein Breitschwert vor. Seine Männer nahmen den Aufruf zum Anlass, ihren inneren Druck ebenfalls zum Ausdruck zu bringen und die aufgestaute Wut ausladend herauszubrüllen. Wie in einem mehrstimmigen Chor schallte es durch den Wald. Trommelnde Hufe tosten und wühlten den waldigen Erdboden auf. Abgestorbene Nadeln und Moos schleuderten durch die Hufe der Pferde hoch in die Luft. Tosendes Gebrüll und wutschnaubende Pferde donnerten unaufhaltsam ihrem Ziel entgegen. Jarik und Yaeko führten ihre Flanken leicht abseits, um nach dem ersten Kontakt nachzurücken.
»Zum Angriff!«
»Attacke!«
»Zerfetzt die Brut!« und viele weitere Rufe dröhnten aus den Schatten der Bäume hervor, die sich allmählich begannen zu bewegen. Das Gebrüll des nahenden Berittes scheuchte die Gouwors nach und nach auf. Die, die sich zu kleinen Gruppen zusammengeschlossen hatten, um ihrem Tagwerk nachzugehen, schauten verwundert auf und blickten sich hektisch um. Die kräftigere Zucht unter ihnen, die Berserker, spannten sich und reckten ihre klauenbewehrten Pranken vor, um die Muskulatur der Unterarme zu traktieren. Klingenknochen pressten sich aus der vernarbten Haut und gutturale Laute hallten durchs Lager. Eine unorganisierte Wehrfront reihte sich aneinander, wissend, dass keine hiesige Macht ihnen je etwas entgegenzuwirken aufbrachte.
»Kümmerliche Menschen greifen an. Schlachten wir und bringen Fleisch zu Bruthöhle. Sind schnell zurück – wird Brutmeister freuen«, grölte einer aus der hinteren Reihe der Gouwors in seiner stotternd grunzenden Aussprache. Ein Sabberfaden hing ihm seitlich aus dem Maul. Die angrenzenden seiner Art hielten lässig ihre Arme angewinkelt und die Klingenknochen zur nahenden Front. Die schwächere Zucht der ihren, hielt sich unbeirrt ihrer starken Brüder im Hintergrund und gafften auf die Reihen des Berittes, gewiss, dass diese keinerlei Chance bekämen, sich ihnen zu nähern.
»Macht platt, will Ruhe schlafen«, grunzte einer der ihren und bohrte sich mit einer seiner Klauen unbeholfen in der eingefallenen Schweinsnase. Niemand aus der feindlichen Ansammlung ahnte auch nur im Geringsten.
»Lanzen ... senken ... Stoß!« Etwa gleichzeitig des Ausrufes trafen die ersten Reihen auf die schlaffe Front der Brut, begleitet der Nachzügler, die nur ein Liedschlag später die ihren in die erwartend hässlichen Fratzen der noch Stehenden versenkten. Lanzen barsten, als diese etwas zu seitlich geführt auf die schiere Masse des Feindes gelenkt wurden. Andere wiederum trafen gekonnt und jagten nicht minder zweien hintereinander Stehenden die gehärtete Spitze durch derer Leiber. Entgeistert vom Geschehen, donnerten Anweisungen durch die Reihen der Brut, doch niemand schien diesem Gehör zu schenken. Menschen, die es verstanden kämpfend durch eine Hundertschaft zu preschen, konnte nicht sein – durfte nicht sein.
»Kann nicht sein. Töten! Töten die Reitermenschen!«
Lanzen wurden brutal und ruckartig aus gefallenen Leibern gerissen, um diese für bevorstehende Stöße nutzen zu können. Weitere ließen die ihre stecken und griffen zum Schwert. Sie begegneten dem Feind im Nahkampf und hacken wütend um sich. Ihre Pferde waren abgerichtet und trainiert, ebenfalls ihren Part in diesem Angriff zu übernehmen und bissen oder keilten auf der Rückhand stehend aus. Einige ihrer Tiere schafften es so, dem einen oder anderen der Invasoren den Schädel einzutreten oder in den Schlagarm zu beißen. Die, die mit einem Bogen bewaffnet waren, ritten auf Abstand und ließen ihre Pfeile gezielt über die unkoordinierten Gouwors hageln. Die Masse des Feindes verringerte sich abrupt, sodass die Bogenschützen ihre Salven komplett einstellen mussten, um nicht versehentlich ihre eigenen Leute zu verletzen. So schnell der Kampf begann, so schnell war er vorüber. Die Kämpfer blickten sich aufgeregt und misstrauisch um, schritten von Leib zu Leib. Vereinzelt vernahm man schmatzende Laute, wo eine Klinke den Tod brachte, um noch lebenden Feinden endgültig den Lebensfaden zu durchtrennen.
»Sieg! Wir haben gesiegt!«, echote es durch den Wald und wurde von weiteren Stimmen aufgenommen und weitergetragen.
Ben, Jarik und Yaeko ritten zu tiefst zufrieden aufeinander zu. Ihre Schwerter in der Mitte treffend, reckten sie diese an der Spitze zusammentreffend gen Himmel und riefen mit vollem Elan: »SIEG!«
Die Männer rings umher grölten einstimmend mit.
»Verwundete? Tote?«, rief Jarik fragend durch die grölende Menge.
»Beruhigt euch Männer. Wir konnten einen wirkungsvollen Sieg erringen. Seit vielen Jahren sind wir die Ersten, die sich erheben! Wir dürfen uns jetzt nicht verlieren. Verbrennt die Kadaver, zerstört das Lager. Ich will eine Zustandsmeldung. Yaeko, nimm genügend Männer und führe den Tross zum Wegepunkt. Wir treffen uns dort.«
Entfachte Feuerstellen loderten hoch auf, als Jäger immer zu zweit einen der Kadaver diesem zufügten. Funken stoben auf, als die Leichen auf ihren bereits brennenden Kumpanen landeten.
»Herr, wir haben die Zählungen beendet. Mehr als einhundert Erschlagene. Darunter drei Zehnen Berserker und zwei Leichtverwundete der Unsrigen.«
»Was!?«, bellte Ben vorwurfsvoll, sodass Jarik und Anwesende sich erschrocken umblickten.
»Nur zwei Verwundete? Und ihr undankbaren Bastarde wolltet euch vor dem Training im Lager fortlaufend drücken!?« Er konnte nicht anders als ein unterdrücktes Grinsen in ein Prusten ausarten zu lassen, das den Männern zu einem auswachsenden Gelächter verhalf, sogar den zweien Verletzten, die mit einer Standpauke gerechnet hatten. Kopfschüttelnd und mit der Hand abwinkend gluckst er: »Schafft die Beiden auf einen der Karren, sofern sie nicht mehr reiten können. Kommt mir noch einmal, mit Unwillen zu Übungen.«
»Die Männer sind mehr als Stolz auf diesen Sieg. Wenn sie dich zuvor nicht akzeptiert haben, Benjamin, garantiere ich dir, dass sie es jetzt tun. Und sie erkennen jetzt auch, wieso du so extrem auf den Drill bestanden hast. Jeglicher Frust und aufgestaute Wut darüber dürfte hiermit verflogen sein.«
Ben klopfte leicht überheblich seinem Freund auf den Rücken, sodass dieser ins Stauchen geriet. »Oh, entschuldige. Wir alle können Stolz darauf sein, Jarik. Beeilen wir uns, die restlichen Kadaver dem Feuer zu überantworten. Die Dämmerung naht und bis zum Pass haben wir noch einiges an Weg zu schaffen.«
»Ein Bote!«, rief es von einem der abgestellten Wachposten.
»Schafft ihn her, wir sind hier unten«, gab ihm Jarik, mit einem Wink seiner Rechten, zu verstehen.
Der Mann kam von Fendrik und war einer jener aus dem Pass. Er kniete auf einem Bein nieder und überbrachte seine Botschaft, dass der erteilte Auftrag erledigt sei.
»Mann steh auf. Auf diese Rumkriecherei hab ich keine Lust und du bist nicht mein Diener. Sprich offen und von Angesicht zu Angesicht«, erbot Ben den Knieenden.
»Es tut mir leid Herr, dass ich euch erst jetzt antreffe. Ich war bereits am zweiten Wegepunkt, als ich die Spuren des Trosses fand. Auf direktem Wege zu diesem ...« Der Bote spukte angewidert aus. »... Lager der Brut. Ich schlug schon zur gestrigen Dämmerung einen Umweg ein, um weit genug von den Gouwors mein Weg zu finden. Ich konnte nicht ahnen, dass ihr bereits unterwegs wart.«
»Gräme dich nicht. Mich überkam eine Ahnung, und wie du siehst, lag ich richtig und zudem haben unsere Männer tapfer gekämpft.«
Die, die in der Nähe die restlichen Kadaver zusammentrugen, pflichteten dem bei. »So ist es.« Sie erhoben zur Bekräftigung die Fäuste.
»Lass hören, wie ist die Situation im Pass?«
»Fertig Herr. Fendrik hat uns bitter angetrieben, um rechtzeitig den Auftrag vollenden zu können. Das kleine Tal ist gesichert, der Pass zu beiden Seiten von Geröll und Bewuchs befreit.«
»Sehr gut. Reite voran, Yaeko sammelt vor Ort den Tross. Berichte ihm, dass wir in Kürze aufschließen werden. Er soll zwei Scharen vor und die Karren dahinter hineinführen.«
Der Bote verneigte sich, führte die geschlossene Rechte zum Herzen und begab sich zu seinem Pferd. Ben und Jarik schauten dem davon Eilenden hinterher und bemühten sich mit ihren Leuten, die übrigen Kampfesreste zu entsorgen. Widerwertiger Qualm umgab die Jäger, als der Wind abflaute und mancher von ihnen hielt sich würgend die Hand vor Nase und Mund. Schnellstens beeilten sie sich, auch den letzten Gouwor in eines der Feuer zu verfrachten. Das gesamte Lager des Feindes war zerstört und die Spuren ihres Einmarsches beseitigt. Es galt, diesem Ort endgültig den Rücken zu kehren.