Yaeko begab sich hinab zu den umhereilenden Leuten, um sich die entsprechenden Arbeiter herauszusuchen und Anweisungen zu verteilen, um die ihn Ben bat. Ohne dass die Bauern und Holzfäller weitere Erklärungen bedurften, zeigten diese nur kurz zur Abstimmung in die jeweiligen Richtungen, die er mit einem Kopfnicken bestätigte. Die, die ihre Habe bereits voreilig ausgebracht hatten, rafften diese abermals zusammen und begaben sich zu ihren angewiesenen Flächen. Rufe wurden laut, die nach Namen und Helfern suchten. Es kam erneut Bewegung in das Gewusel, nur dass sich diesmal endlich der Knoten zu entwirren schien.
Bauern, Holzfäller und entsprechende Helfer lenkten ihre Karren zu den beschriebenen Zielen und kümmerten sich um ihre vorher umgestellten Materialkarren. Erwartetes Gemurre wurde laut, dass man die schweren Fuhrwerke unnötigerweise erst neben die Anhöhe gelenkt habe, nur um sie von dort doch wieder wo anders hinbringen zu müssen. Die beauftragten Arbeiter hingegen bellten ihr Missfallen über solch Aussagen und gaben den Helfern zu verstehen, dass sie gern selber das Kommando übernehmen könnten, wenn sie es besser wüssten. Einige Gesprächsfetzen wehten mit dem Wind bis an Bens Ohr, der gelassen dem Treiben zusah und auf Korian wartete.
»Wieso sollen wir erst die Karren umlenken, wenn sie jet...«
»Meckere ni...«
»Soll der die Karren doch s...«
»Nicht du bist hier der Anfüh...«
»Wie hättest du diese Unordnung denn gelö...«
»Genau, schafft die Karren weg und haltet d...«
Neben ihm entstand Bewegung, die ihn aus den Gedanken riss. Korian war mit zwanzig Helfern und zwei Materialkarren zurückgekommen und gesellte sich neben ihm. »Ordnung scheint Einzug zu halten. Wir sollten alles beisammenhaben, um mit dem Abstecken beginnen zu können.«
»Gut, ihr wisst bereits um die Größe der Gebäude, die wir bauen wollen. Dort drüben ist denke ich ein geeigneter Platz für den zentralen Punkt des Weilers. Dort werden wir anfangen, ein in steingerahmtes Podest mit einer Länge im Rund eines Schrittes zu errichten, in dessen Mittelpunkt ein sauber geschälter und geschliffener Stamm stehend eingesetzt werden soll. Ein Geschichtspfahl, auf dem die Einwohner die Geschichte dieses Weilers einschnitzen mögen. Rundherum werden fünf Wohngebäude errichtet. Sobald wir die Bauplätze gekennzeichnet haben, können mit dem Morgengrauen die eigentlichen Anstrengungen beginnen.«
Die Arbeiter auf dem künftigen Baugelände des Ortes besprachen die Platzierungen der Gebäude und die Abstände zwischen dem Mittelpunkt des Platzes wie den zukünftigen Wänden der Behausungen. Da der Gemeinschaftsmittelpunkt des Weilers sich im inneren Ring der Aufbauten abspielte und dort auch Veranstaltungen zu Stande kommen sollten, musste dieser entsprechend weiträumig gewählt sein. Nach geführten Debatten und Maßänderungen wurden die ersten Schnüre gespannt und Holzpflöcke ins Erdreich geschlagen. Die so entstandenen Zwischenräume sollten um eine Viertellänge ausgehoben werden, sodass die Schreiner ihre mit Pech versiegelten Außenpfosten stabil versenken konnten. Die Steinmetze mochten anschließend beginnen, die Fundamente mit dem behauenen Gestein zu fertigen und auszufüllen.
Es dämmerte bereits, als Ben mithilfe des Schreiners und den Helfern es endlich vollbrachten, die Bauflächen zu kennzeichnen und sich zu ihren Zelten zu begeben. An vielen Orten hörte man leichtes Hämmern, wo noch die Verankerungen der Zelte versenkt und Leinen gespannt wurden. Im künftigen Steinbruch schallten leise Säge- und Hammergeräusche in die Hauptzeltstadt herüber, wo man begann, emsig Gerüste vorzubereiten. Die ersten Feuer waren entzündet und vielerlei Gelächter erfüllte das Gelände. Lieder wurden angestimmt und vertrieben frustrierte Gesichter aus jeglichen noch grimmigen Zügen.
Die Führerschaft des Trosses saß wie verabredet nahe ihrer Zelte am eigenen Feuer und ließen sich die spendende Wärme in die müden Glieder drängen. Obwohl die Abende angenehm warm waren, spendeten die Feuer nicht nur Licht, sie boten auch ein Gefühl von Behaglichkeit und Sicherheit.
»Die anfängliche Frustration scheint sich gelegt zu haben, was meinst du, Benjamin?«
»Du hast zum Glück das ganze Ausmaß des Chaos nicht miterlebt. Wäre Yaeko nicht glücklicherweise rechtzeitig eingetroffen um mir weitere Anweisungen abzunehmen, würde ich bereits im Wald aufgeknüpft an einem kräftigen Ast baumeln.«
»Geh mit dir selbst nicht so hart ins Gericht. Einige der Leute haben mir von dem Durcheinander berichtet. Es gab wohl ein paar Auseinandersetzungen derer, die nicht begreifen konnten, dass so ein gewaltiger Tross anstrengend ist. Andere wiederum erklärten, wie souverän du die Lage entschärft hast.«
»Jarik hat recht. Als ich die Bauern und Holzfäller auf ihre Aufgaben vorbereitet habe, war ich schließlich mittendrin. Die Masse der Leute hat durchaus verstanden, dass die Ordnung nur über Umwege sichergestellt werden konnte. Mach dir keine Gedanken, Benjamin. Du machst das schon ganz ordentlich.«
»Hm, die nächsten Tageswenden werden uns zeigen, inwieweit die Leute es verstanden haben. Wir alle werden Blut und Wasser schwitzen«, gab Ben ermüdet zu bedenken und senkte den Kopf auf die überkreuzten Arme, die auf seinen angezogenen Beinen ruhen.
»Mag sein, aber du hast auch uns. Ich habe Thanh meine Landmarken gegeben und er reitet weiter mit den Patrouillen, sodass ich dir ebenfalls den Rücken stärken kann. Die Gegend ist absolut friedlich und unsere Männer sehr gut ausgebildet, sodass ich nicht mehr mit ihnen reiten muss.«
Ben blickte aus seiner kauernden Haltung auf und der flackernde Feuerschein spiegelte sich auf seinen Gesichtszügen. Seine leuchtend blauen Augen spiegelten das flackernde Licht der Flammen. Leicht wippte er mit dem Kopf vor und zurück und knabberte an seiner Unterlippe. »Ich danke euch. Ohne euch würde dieses Unterfangen nicht funktionieren. Ohne Euch wäre ich längst verloren.«
Die Freunde schauten gedankenverloren ins knisternde und tanzende Feuer und genossen das Beisammensein. Jarik erhob sich spontan, klopfte sich den Staub von der Lederrüstung und sah sich um. »Lasst uns zur Ruhe legen. Wir hatten alle einen anstrengenden Tag und die folgenden werden sicherlich nicht angenehmer werden.«
Alle stimmten der Befürchtung zu und erhoben sich gemächlich. Mit freundschaftlichen Bekundungen begaben sie sich in ihre Zelte und rollten sich in ihre Decken zum Schlafen.
Die Nacht verlief unerwartet ruhig und kein unbedachter Laut störte die Ruhenden, die beginnend mit dem Morgengrauen begannen, ihre eigene Zukunft zu gestalten.