Die magische Barriere war förmlich spürbar, die den Eingang zur Lagerstätte der Rüstungen und Waffen bildete. Mit der Linken ausgestreckt konnte er ein leichtes Knistern vernehmen und verspürte eine unangenehme Vibration.
»Um darein zukommen, mein guter Herr Elm‘emo, bedarf es schon mehr als nur mit der Hand in der Nähe umher zu schwenken«, lachte Halis erfreut.
Er ging um den Hüter herum und fummelte an verschiedenen, in der Wand eingelassenen Rädern und erklärte, wozu diese dienten. »Die ist ein aus Naïnhand geschaffener Mechanismus, der Bolzen und Verschlüsse entriegelt. Erst wenn alle in der richtigen Reihenfolge betätigt sind, verblasst die Magie und der Eingang steht offen.«
Behänden bewältigte er sein Werk. Hier ein Rad nach links und dort ein Rad nach rechts gedreht. ›Klick, klack‹ klang das Geräusch und ein feines Summen kündete vom weiteren Vorgang.
»Die Magie lässt nach, ich kann es spüren.«
»Sagte ich bereits. So, das war‘s auch schon – nach euch.« Mit einem Wink seiner Linken scheuchte er Elm‘emo in den offenen Durchgang, der in einem kleinen oval geformten Höhlenraum endete. Keine Fackel und kein Brennsteinbecken befand sich in jenem, nur diese an den Wänden angebrachten Steine. Ein bläuliches Licht strahlte von innen heraus und je näher man ihnen kam, desto intensiver leuchten sie. Halis bemerkte grinsend den spärlichen Blick, den der Hüter auf deren Reaktionen warf, und erklärte den Umstand. »Aus den Tiefen der Naïnminen haben einst fleißige Hände diese Steine gebrochen. Die Naïns haben dieses Gestein in ihrem eigenen Berg geschliffen und so zu wahren Sehenswürdigkeiten geformt. Kein Brennstein und keine Fackel leuchten heller und länger.«
»Naïnmagie?«
»Nein mein guter Herr Elm‘emo. Dieser Sonnenstein wurde tief im Herzen des Brehin geschlagen. Niemand kann sagen, wieso er sich so verhält. Die alten Naïnmagier überlieferten, dass es sich um eine versteinerte Lebenskraft des Berges handle. Bisher konnte dies auch nie widerlegt werden.«
Sein Blick haderte jedoch nicht länger an jenen leuchtenden Steinen, sondern an der Vielzahl der hier gelagerten Ausrüstungsgegenstände. Keine Anzeichen von Rost oder Ablagerungen, ordentlich gefettetes Leder, auf Hochglanz polierte Rüstungen sowie geschärfte und aufpolierte Waffen säumten Ständer wie Tische.
»Wir Schmiede haben als Leistung unserer Kunst den Bestand immer wieder erweitert. Zerschlissene Stücke repariert oder gar ersetzt. Von den einst eingesammelten Rüstungs- und Waffenteilen der Lords ist im Laufe der Zeiten so nichts mehr geblieben. All das, was ihr hier seht, stammt aus jüngeren Generationen und wurde stets gepflegt.«
»Ein atemberaubender Anblick. Über welche Anzahl kompletter Ausrüstungen verfügen wir mit diesen Prachtstücken?«
»Hm, lasst mich überschlagen. Wir sollten hiermit in der Lage sein, mehr als eine Hundertschaft vollgerüsteter Schwertmänner zu bestücken. Weiterhin lagern hier exzellente Schwerter, Äxte, Lanzen und Schilde. Für viele Lordschaften gefertigt.«
Besorgt griff sich Elm‘emo ans Kinn und strich über dieses gedankenverloren hin und her. Halis, der den betrübten Blick bemerkte, klopfte unverhohlen auf dessen Rücken und winkte ihm ihn zu folgen. »Ihr sorgt euch doch wohl hoffentlich nicht über den Transport, oder gar um die Erstellung weiterer Ausrüstungen? Folgt mir, ich will euch noch etwas zeigen.«
»Ihr macht mich neugierig. Ich überlegte wahrhaftig, wie ihr es anstellen wollt, die gesamten Gegenstände zu verladen. Wir haben eine weite Reise vor uns, bis wir auf Entsatz treffen«, erwiderte der Hüter mit aufgezogener rechter Braue.
Beide begaben sich zurück in die Schmiedekammer und folgten einem hinabführenden Gang, der mit einer leichten Linkskrümmung wieder anstieg. Die Luft wurde spürbar kühler und feuchter, bis sie einen kleinen Balkon betraten und in eine stattliche natürlich gewachsene Höhle einsehen konnten. Rechts von ihrem Standpunkt aus waren Stufen in den Fels gehauen, die hinab in diese führten. Der Eingang war komplett mit Rankenwerk zugewuchert und somit von außen uneinsehbar. Ein Bach schien davor zu fließen, da man von ihrer Position aus ein leises Plätschern vernehmen konnte. Bemerkenswert jedoch waren die zwanzig Lastkarren, die ordentlich aufgereiht und anspannbereit positioniert dastanden. Gut genährte Lastenpferde standen dicht gedrängt in einer Koppel und wurden von einer handvoll Knechten versorgt. Einer von ihnen bemerkte die beiden und hob grüßend die Hand, die in einer Bürste steckt.
»Haben sie gerade von der Weide geholt, Herr. Wir striegeln sie noch und gehen dann rauf in die Quartiere«, rief dieser von unten hinauf. »Auch die Bastarde aus Korint sind wieder frustriert kehrt gemacht.«
»Gut.« Halis nickte. »Macht die Karren zum Aufbruch bereit und beladet sie, der Zugang steht offen. Wir verlassen in den kommenden Tageswenden unser Heim. Schick Leute zur Schmiede, sie sollen die Ausrüstungen, Materialien und Werkzeuge verstauen und packt euren Krempel zusammen«, erwiderte Halis vorn aufgestützt.
Die übrigen Knechte hielten von ihrem Tun inne und schauten verdutzt hinauf. Undeutbare Blicke wurden getauscht. Elm‘emo runzelte die Stirn und richtete den Blick auf den Schmied, der sich die Hände an den Hosenbeinen abwischte.
»Was sind das hier für Höhlen und wie viele Menschen leben hier?«, grollte er argwöhnisch.
»Nana, immer schön ruhig Blut. Das hier war einst ein Vorposten der Naïns, bis die Letzten von ihnen uns diese überließen und in die Geheimnisse einwiesen. Über meiner Wohnhöhle befinden sich weitere Ebenen mit Quartieren. Mit mir, meinem Neffen und den Knechten da unten, kommen wir auf gute fünfzig.« Erwartungsvoll sah er dem Hüter ins grübelnde Gesicht. »Ist das jetzt ein Problem?«
»Nein, nur eine weitere Herausforderung, mehr nicht. Ich vermutete anfangs nur euch«, antwortete er gelassener und warf einen erneuten Blick hinunter zu den Lastenkarren.
»Wie dem auch sei, einige der hier lebenden Männer sind äußerst wehrhaft und können mit Schwert und Lanze ganz passabel umgehen. Wenn ich schon solche Schätze durchs Land eiere, dann gewiss nicht ohne Schutz.«
»Gut. Das sind somit weitere eifrige Hände, die in der neuen Heimat mit anpacken werden. Je zügiger diese Mark eigenständig wird, umso schneller beginnt die Rückeroberung Rongards.«
Halis lehnte sich rücklings an die Brüstung des Balkons und verschränkte seine kräftigen Arme vor der Brust. »Wer ist dieser Mann, von dem ihr so kurz angebunden lobtet?«
»Einer, der seinen Hintern gern im Trockenen hat. Seine Ziele vereinbaren sich mit dem des Landes und seinen Bewohnern. Er ist ein Anführer, ihr werdet ihn kennenlernen und zweifelsohne mögen. In mancherlei Dingen seid ihr beide recht ähnlich.«
Elm‘emo schaute noch ein paar Herzschläge den Knechten zu, dreht sich sodann Richtung Gang, aus dem sie gekommen waren. »Lasst uns gehen, ich werde euch von Benjamin erzählen. Selbstredend, bei einem ordentlichen Essen und angemessen Wein.«