Zur späten Dämmerung ritt der Oberscharführer mit seinen Jägern im Lager ein und begab sich, nach der Übergabe seines Pferdes, direkt zu Ben. Im Beisein Korians besprach dieser mit Halis den Aufbau und die Aufstellung der Karren während der Einweihung.
»Ah, Yaeko. Was habt ihr herausgefunden?«
»So Einiges. Diese Höhle, die wir auskundschaften sollten, ist keine, sondern ein ehemaliger Stollen, oder zumindest für einen solchen zu gebrauchen. Wir haben dort Unmengen von glitzerndem Gestein gefunden, die die Wände wie Adern durchzieht und ein paar herumliegende davon eingepackt, um mit Halis darüber zu sprechen.«
»Hm, zeigt mal her, was ihr da für mich habt.« Er streckte die Hände gierig vor und ließ sich die mitgebrachten Proben in einem Sack aushändigen. Einen nach dem anderen Stein kramte er aus dem Sack und betrachtete diese kundig. Verblüfft hob er die linke Braue. »Bemerkenswert. Grandios. Einfach exzellent.«
»Halis, macht es kurz.«
»Erz, mein Fürst. Auf den ersten Blick sogar ein sehr Edles. Ich bin weg und überprüfe die Reinheit in meiner Esse.«
»Nur zu«, erwiderte Ben aufmunternd und winkte mit den Fingern ab.
»Was diesen Weg anbelangt ...«
»Jetzt wird‘s spannend.«
»Oder auch nicht. Wir haben ihn etwa dreihundert Längen hinauf verfolgt und mussten unterwegs einigen verdammten Heulern die Lebenszeit verkürzen. Wir haben einen Bau von ihnen ausgeräuchert und mit losem Geröll verschlossen, inwieweit das ausreicht, wird sich zeigen.«
»Seid ihr bis hinauf?«
»Nein. Nur diese dreihundert Längen. Nach etwa weiteren zweihundert scheint dieser allerdings sein Ende zu nehmen, wollten aber vor Einbruch der Nacht zurück sein. Dem Steinmetz und dem Schreiner haben wir dort belassen, um das Gelände zu beurteilen.«
»Und?«
»Als wir auf den Rückweg waren, haben wir diesen Weg näher in Augenschein genommen. Ich muss gestehen, dass mir dieser ziemlich unnatürlich erscheint. Überall sind Anzeichen von Handarbeit zu erkennen.«
»Der Weg hat ein Anfang und ein Ende. Das Ende liegt demnach in unserer Mark. Das gefällt mir nicht. Was sagen die Handwerker?«
»In der Nähe wachsen viele Bäume und der Boden ist leicht bearbeitbar. Leichter, als im Gebirgspass, somit dürfte einer Palisade nichts im Wege stehen.«
»Gut. Korian, reitet zum Morgengrauen mit genügend Leuten hinüber und beginnt diesen zu umbauen. Ich möchte keine Risiken eingehen.«
»Wie ihr wünscht. Ich geh und lasse Baumaterialien und Werkzeuge auf Karren verladen. Sollen sich die Arbeiter dort vorerst niederlassen?«
»Ja, der Weg ist zu lang, als dass die Männer jedes Mal hin und her reiten. Yaeko, zwei Scharen werden die Baustelle sichern.«
Beide Angesprochenen verneigten sich, führten die Rechte zum Herzen und gingen ihrer Wege. Thanh saß wieder an seiner Karte, zeichnete ordentlich Notizen des Ausrittes ein, vermerkte Geländemarken mit Bemerkungen und erklärte seinem Fürsten die eine oder andere Änderung.
»Helbert. Helbert, schau nur.«
»Hey Onkel, was hast du denn da?«
»Sieh dir das an, das habe ich soeben aus der Esse gezogen.«
»Hm, ziemlich sauberes Eisen würd ich meinen. Ohne Zusätze aus der Esse gezogen, wirklich?«, sprach Helbert bewundernd und drehte das Stückchen Eisen in den Händen.
»Ja, ja. Wenn ich es doch sage. Eine der Patrouillen hat Erz aus einem Stollen mitgebracht und das ist daraus geworden.«
»Wahnsinn. Wenn alles von dem Zeugs so rein ist, sparen wir ein Haufen Arbeit und der Stahl wird wahrlich solide.«
»Genau. Los mein Junge, bau die Schmiede ab und verlade unsere Lastenkarren. Packt zusammen, was wir zum Bauen finden können und schiebt eure Ärsche zu diesem Stollen. Von hier aus nordöstlich in einem Einschnitt. In der Nähe fließt sogar ein Bach.«
»Was ist mit den anderen Karren?«
»Karren und Wachen bleiben vorerst, wo sie sind. Ich geh und rede mit dem Fürsten. Such die Leute zusammen und packt euren Kram.«
»Du kommst nicht mit?«
»Natürlich nicht. Ich bin Hofschmied und mein Platz ist hier. Es ist an dir, eine anständige Schmiedeanlage zu bauen.« Halis tippte seinem Neffen mit dem Zeigefinger vor die Brust. »Es ist deine Chance, mein Junge.«
»Danke Onkel. Ich werde dich nicht enttäuschen.«
Helbert drehte sich um, rannte übers Gelände und rief Helfer zusammen.
Thanh deutete mit seiner Schreibfeder auf einen kleinen kräftigen Kerl, der angerannt kam und mit einem Stück Metall winkte.
»Herr!«
»Halis, wieso so aufgeregt?«
»Herr, dieses Erz ist das reinste, was ich bis auf die alte Schmiedeanlage je zu sehen bekommen habe. Es hat kaum Unreinheiten eingeschlossen, sodass wir uns beim Einschmelzen unheimlich viel Arbeit ersparen können.«
»Das sind sehr gute Neuigkeiten. Ihr habt also vor, den Stollen auszubeuten und eure Schmiede zu verlagern?«
»Was, wie? Nein, natürlich nicht. Ich bin euer Hofschmied ... ohne Hof.«
»Hey«, erbot Ben mit einem Schmunzeln, der den Schalk dahinter verstand.
»Ich habe meinem Neffen bereits in den Hintern getreten. Er bereitet in diesem Moment meine Lastenkarren vor und lässt sie beladen. Die Feldschmiede nimmt er selbstredend mit.«
»Halis?«
»Er geht mit meinen Leuten zu diesem Stollen und wird ihn ausbauen. Laut Karte fließt in der Nähe ein Bach, der uns das Waschen des Gesteins vereinfacht. Wir können vor Ort eine komplette Schmiedeeinrichtung bauen und so die Verarbeitungswege verkürzen. Bitte, Herr, schickt weitere Bauhelfer und eventuell zwei Scharen zum etwaigen Schutz.«
Ben schaute überlegend zu Thanh hinab, nur um die Zeit in die Länge zu ziehen und den Übereifrigen zu quälen. Er fasste sich ans Kinn und massierte dieses, um über das geforderte nachzudenken. Halis zappelte wie ein kleiner Junge hin und her.
»Herr?«
»Ach was soll‘s. Ihr gebt eh keine Ruhe und außerdem habt ihr Recht. Wir brauchen dieses Erz dringendst. Geht mit so vielen Helfern wie nötig und gebt Jarik Bescheid, dass er euch zwei Scharen zur Seite stellen soll.«
Da kein Dank gesprochen wurde, drehte sich Ben um und schaute auf einen leeren Platz, wo eben noch sein Hofschmied stand. Thanh hob belustigt die Schultern. »Schwups und weg war er«, schmunzelte dieser.
Kopfschüttelnd drückte Benjamin Thanhs Schulter und verließ die Überspannung.