Es vergingen weitere Tageswenden, in denen sich niemand eine Pause gönnte. Das Gelände hinter dem Spalt war nicht mehr wiederzuerkennen. Überall lagerten sauber geschlagene Steinblöcke und verarbeitete Holzgewerke. Gewaltig ausgehobene Flächen, die vor Schmutz verunstaltete Arbeiter mit Hammer und Meißel begradigten, um für die Steinsetzer einen passabel ebenflächigen Untergrund zu schaffen. Nur noch wenige Karren mit Geröll und Erdreich verließen dieses Baugebiet über die Brücke, um ihre Lasten anderweitig loszuwerden. Viel bereinigtes Erdreich hatten fleißige Hände an die Hänge des Gebirges gekippt, um bei Fertigstellung, die Grabungen zu den Mauern damit verfüllen zu können. Etwa ein Drittel des Spaltes wurde bearbeitet und ausgeglichen, sodass der Bereich unterhalb der Brücke freigeräumt und kein Arbeiter mehr tätig war. Kundige Steinschläger der Naïns trieben neben dem vorübergehenden Überweg Auflageflächen in den massiven Fels, wo für die spätere, solidiere Brücke Übergänge für Stützpfeiler vorgelegt wurden. Ben und Goram kletterten auf einem der größten Steinlager und beobachteten das treiben der ihren.
»Die Anstrengungen an den Fundamenten schreiten voran. Für den Palas und dem Wehrturm haben wir bereits feste Sohle erreicht und das Umfeld bereinigt. Genügend Baumaterial liegt ebenso vor. Dank des Bestrebens deines Volkes sollten so rasch einige Höhenlängen erzielt sein.«
»Das wird den meinen und deinen moralisch vorantreiben, was denkst du Goram?«
Angesprochener nickte beiläufig. »Das viele buddeln trägt endlich Früchte und unsere vereinten Kräfte können mit dem loslegen, weshalb wir gekommen sind. Die Errichtung deiner Burg.«
»Ich habe vor wenigen Zehnteltagen Nachricht vom Plateau erhalten. Yaeko und Aguschal halten ihre Kippvorrichtung weiterhin im Betrieb und kippen anstatt drei bis vier, nur noch zwei Karrenladungen in die Tiefe. Der unaufhaltsame Schutt hat diese Morroval aufgeschreckt und versuchen, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Der Prinz hat die Wachposten untereinander gemischt, sodass deine Naïns von meinen Bogenschützen unterstützt werden.«
»Das sind erstklassige Nachrichten. Mein Sohn und dein Oberscharführer sind eine gelungene Besetzung.«
Ben richtete seinen Blick auf den Höhleneingang und beschattete die Augen, um die blendenden Sonnenstrahlen daran zu hindern ihm weitere Tränen hervorzulocken. »Wie kommt der Ausbau der Höhle voran?«
»Hm, wir haben die vorderen Bereiche bearbeitet und Unebenheiten ausgeglichen. Meine Schürfer haben eine Ader Brennstein ausfindig gemacht und bauen diese ab, um damit eure nervigen Kohlebecken und Fackeln loszuwerden.«
»Ich habe diese Steine schon bei Halis gesehen. Was ist an denen so Besonderes?«
»Ganz einfach. Sie rauchen nicht, sie stinken nicht und strahlen mehr Hitze aus, als ein normales Feuer es tun würde. Das erleichtert uns die Arbeiten in den Höhlen und Schmieden. Auch bekommen wir damit unsere großen Hallen gemütlich warm.« Betrübter entrückten sich seine Gedanken in die Vergangenheit und Ben erspähte unbeabsichtigt den Blick seines Freundes hinauf des Berges. »Einst beheizten wir mit diesem Brennstein die Hallen unseres angestammten Heimes.«
Um Goram aus seinem Gemütszustand zu hohlen bohrte er nach. »Wie groß mag die Höhle sein?«
»Schwer zu sagen. Wir haben bisher noch keine Möglichkeit gehabt tiefer vorzudringen, da der Einzige durchweg versperrt ist und wir unsere Anstrengungen vorerst in den Ausbau legen. Einer der Baumeister beschäftigt sich mit einer Art Rolltor aus Stein, um diesen Zugang zu versperren. Sobald wir Kapazitäten freihaben, sollten wir sie jedoch dringend erkunden.«
»Gut. Ich habe kürzlich neue Zeichnungen angefertigt. Das Gelände lässt es förmlich zu, vor der Burg zwei weitere Mauerbereiche zu planen. Ich dachte mir, so der künftigen Stadt gewisse Bezirke aufzuerlegen. Von der Burg aus führt eine geradlinige Straße hinaus aus der Stadt.« Ben wendete sich von dem Baugelände ab und wies mit seiner Rechten vor den Spalt in zwei Richtungen. Er griff sich an die Seite und zog aus einem Beutel, der rechts an seiner Hüfte baumelte, zwei lose Blätter heraus. »Schau, innerhalb der ersten Wehrmauer, zwei unterteilte Bezirke. Einer für Wohn- und der andere für Handwerksgebäude.«
»Ah, du planst bereist weiter. Scheinbar wird deine Stadt den Verlauf des Sichelgrabens folgen, sieht interessant aus. Was ist mit diesem Bereich nach dieser ersten Mauer?«
»Hier.« Ben deutete auf eine Stelle seiner Zeichnungen. »Direkt vor dem Torhaus soll eine Marktfläche mit einem Brunnen entstehen, ähnlich dem auf dem Burghof. Auch dort möchte ich zwei Bezirke voneinander trennen. Bei einem breit angelegten Angriff eventueller Feinde wären wir so in der Lage die Bereiche nach und nach abzusichern oder zu räumen.«
»Wobei du bedenken musst, dass dieser Plan nur langfristig zu verwirklichen ist und nicht auf die Schnelle. Wir sollten vorerst deine Burg errichten und bei genügend baufähigen Händen auch Wohnhäuser«, gab Goram den energischen Ben einen Dämpfer, der seine Mundwinkel ertappt verzog und leicht mit dem Kopf nickte.
»Ich weiß. Ich habe unseren Baumeistern aufgetragen anhand der Zeichnungen, meinem Volk Bauflächen für Wohn- und Arbeitshäuser abzustecken. Sie sollen nicht nur an der Burg arbeiten. Ich will sehen, wie sie damit beginnen, auch an ihren Fundamenten zu graben. Es wird der Tag kommen, an dem es nicht nur nachts erbärmlich kalt wird.«
»Verstehe. Du sorgst dich mehr um ihretwegen.« Goram drehte sich ihm zu und ergriff mit seinen kräftigen Händen die Unterarme Bens. »An dir ist ein stattlicher Naïn verloren gegangen und ich bin Stolz auf unser Bündnis. Und unserer Freundschaft, Benjamin.«
»Du hast recht. Ich habe den Patrouillen Nachrichten zu den Weilern und Gehöften mitgegeben. Sofern diese über freie Arbeitskräfte verfügen, sollen sie sich hier einfinden und beim Bau ihrer Stadt mit anpacken.«
»Eben dies wollte ich soeben Vorschalgen. Wie ich sehe, sind wir uns wiedereinmal einig.«
Beide Volksanführer besprachen noch bevorstehende Baumaßnahmen der aktuell anliegenden Baustellen und teilten die Bautrupps entsprechend zu. Der König der Naïns räumte ein, das der Grundgedanke, den Pass in die alten Marken zu schützen durchaus berechtigt sei. In Anbetracht einer Situation, in der eine gewaltige Rotte einmarschierte, würde jedoch der derzeitige Schutz nicht lange standhalten können und würde in kürzester zeit überrannt. Goram kletterte mit seinem Verbündeten wieder auf festem Boden und führte ihn zu den Zelten. Unterwegs griff er sich einen umherliegenden Ast und bedeutete einen Augenblick stehen zu bleiben. Mit dem Stock ritzte er den Passverlauf und das kleine Tal in den zertrampelten Boden und erklärte, dass die Hänge des Gebirges im Pass schräg zuliefen. Es ergebe Sinn diese Verläufe im Tal zu begradigen, um einerseits Fläche zu schaffen und andererseits Baumaterial vor Ort parat zu haben. Eine solide Wehrmauer samt Türmen und massivem Tor würden den Pass undurchdringlich halten. Zwei Steinschläger sollten den arbeiten am Pass beiwohnen und überwachen.
Einer der angewiesenen Steinmetze, der seinen Wohnsitz im Pass-Weiler hatte, wurde von seiner hiesigen Aufgabe entbunden und zurück zu den seinen geschickt. Auch wenn dieser sein Tun an den Baustellen vehement verteidigte und weiterhin an der Burg helfen wollte, fügte er sich dem Wunsch und freute sich auf das Wiedersehen mit seiner hochschwangeren Frau. Sein künftiger Auftrag sollte sein, mit den Arbeitern des Steinbruches am Pass, zur Passwacht zu gehen, um diesen gemäß Anweisungen auszubauen.
Goram schlug vor, die Fläche des Tales auf die doppelte Größe in den Fels zu treiben. Den Stein solle ebenso ver- und bearbeitet werden, wie es gezeigt und beigebracht wurde, um sicherzustellen, schnell und effizient voranzukommen. Der gebrochene Fels sollte zu setzbaren Quadern verarbeitet und entsprechend zur Weiterverarbeitung vor Ort gelagert bleiben.
Es wurde um die Möglichkeit einfallender Gouwors hart debattiert, aber da diese nicht gänzlich ausgeschlossen werden konnte, wurde parallel zum Burgenbau auch der Ausbau des Passes wie dessen Befestigung in angriff genommen. Die Mauern, die Türme und das Torhaus sollten dabei so stabil errichtet werden, das selbst eine Übermacht bedingt der Formation des Passes nicht zu überwinden sei. Die schmalen Gebirgswege, die die Naïns vor langer Zeit anlegten, sollten nach der Errichtung des Bollwerks verbreitert werden, um aus der Höhe Pfeilsalven in den Pass regnen lassen zu können. Immer wieder trauerte Goram hinter seinem zurückgelassenem Volke hinterher, die ihr Dasein in den Traumhallen fristeten und auf Erlösung wartete. Jede weitere helfende Hand wäre zu dieser Zeit eine äußerst willkommene.