Kurz, nachdem sie den Zipfel des südwestlichen Waldes erreichten, drangen Rufe und Klopfgeräusche an ihre Ohren. Sie trabten aus dem Schatten der letzten Bäume und erhielten direkte Sicht auf betriebliches Treiben. Halis stand auf einem Karren und brüllte Arbeitern mit wedelnden Armen Befehle zu.
»Das verkürzt wohl unsere Reise?«
»Was verflucht uns eins, treiben sie da?«
»Sieht so aus, als bauen sie einen ... Weiler.«
Jarik wirkte misslich und musterte dem Wirken eine Zeit lang und trabte an. »Was, Halis, glaubt ihr hier zu tun? Wir vermuteten euch bei dem Stollen und nun treffen wir euch hier an. Was soll das werden, wenn es fertig ist?«, erbot der oberste Schwertmann ohne Umschweife zu erfahren.
Erschrocken und sichtlich unzufrieden der unangenehmen Lage sah sich angesprochener Hilfe suchend um. »Oh, äh Willkommen, oberster Schwertmann. Wir haben euch nicht erwartet, sonst hätten wir Speis und Trank.«
»Was, Halis? Ich erwarte Auskünfte und keine Ausflüchte. Ihr gebt unserem Fürsten vor, eine Schmiedeanlage zu errichten, pfuscht eine halbherzige Palisade an dem Bergpass und nun finden wir euch hier einen Weiler bauen?«
»Bitte.« Beschwichtigend hob er seine Hände. »Ich möchte meinen Leuten, die mir jahrelang treu blieben und dienten, noch vor dem Winter ein angenehmes Heim bieten.«
»Erklärt mir, wieso dieses Vorhaben nicht zuvor mit Benjamin, übrigens auch euerem Fürsten, abgesprochen wurde? Wie ist der Zustand der Schmiede, wenn ihr hier baut?«
»Oberster Schwertmann, bitte. Die Palisade haben wir eiligst errichtet, ja. Die Schmiede hat ihre Arbeit aufgenommen und mein Neffe führt diese mit eingearbeiteten Männern. Ich habe nur die Übrigen an jenem Platz versammelt, um mit ihnen einen weiteren Weiler zu bauen.«
»Nicht das und was ihr hier mit euren Leuten baut, bring mich in Rage, Halis. Eure Eigenwilligkeit reizt mich.« Jarik war wutentbrannt und saß stocksteif in seinem Sattel. Seine Rechte fingerte am Griff seines Schwertes, so als spiele er mit dem Gedanken es zu ziehen. Sein gegenüber schien sich der Geste gewiss und versuchte die Situation zu retten, kniete auf ein Bein nieder und senkte sein Haupt. »Herr Jarik, bitte. Wir haben bereits genügend Gebäude für die meinen gebaut und die weiteren sollen den Wächtern des Passes dienen und natürlich weiteren der künftigen Stadt. Die kalten Monde rücken unaufhaltsam näher.«
»Ich will mich mit euch nicht plänkeln. Ihr jedoch werdet sofort ein Pferd besteigen und dem Fürsten Rede und Antwort stehen. Einer meiner Schwertmänner wird euch geleiten, sodass ich sichergehen kann, dass ihr auch ankommt.«
Halis blickte ungläubig drein und fuchtelte mit den Händen unbeholfen umher und willigte dann ein, wenn auch mit einer gehörigen Portion Widerwillen. Jarik wies einen seiner Männer an, ihn zu Ben zu geleiten und Bericht zu erstatten, was vorgefallen ist. Er hingegen wollte mit den übrigen der Schar zum Weiler, vor dem Plateau reiten, um von dort aus zu Yaeko vorzurücken.
Nachdem der Schmied auf eines der umstehenden Pferde gestiegen und in Begleitung außer Sicht geriet, bedeutet Jarik zum Aufbruch. Er und seine nun unvollständige Schar waren auf direktem Weg zum Eingang, der sie hinauf zur Stadt der Naïns führen würde. Sie waren ihren letzten Etappenabschnitt bis zu ihrem Ziel, dem Naïnhof-Weiler, den die Bewohner so benennen wollten, geritten und wollten endlich seinem Freund, Yaeko einen Besuch abstatten. Da es bereits dämmerte, nutzten sie die Gastfreundschaft und blieben über Nacht. Sie bezogen ein kürzlich fertig gestelltes Gebäude, welches einem jungen Pärchen zugesprochen war. Eine Familie, deren Eltern ihnen bis zur Vollendung der Baumaßnahmen in ihrem eigenem Hause Unterkunft geboten haben, wohnen im selben Weiler. Die junge Frau hatte der Schar bereitwillig ihr Eigenheim überlassen unter der Voraussetzung, dass sie ihrem Kind, sofern es ein Knabe werden würde, den Namen des obersten Schwertmannes geben zu dürfen. Dieser hatte selbstredend zugestimmt und erfahren, dass sie bereits kurz vor ihrer Niederkunft stünde und das erste, in wirklicher Freiheit geborene Kind der Mark sein solle.
Aus der Ferne konnten sie die provisorische Koppel der vier Scharen erblicken, bewacht von drei Schwertmännern. Unaufhaltsam und stetig rückten voll beladene Fuhrwerke von den Baustellen der Burganlage heran und verschwanden in dem vor ihnen gähnenden Höhleneingang. Ein Karren rollte hinein, ein weiterer dafür zurück ans Tageslicht.
»Das muss ein wahrlich riesiger Schlund sein, der diese Unmengen an Schutt und Geröll schluckt.«
»Ähnliches schwirrte mir soeben auch durch den Kopf. Wir werden ihn gleich mit eigenen Augen zu sehen bekommen. Er muss gewaltige Ausmaße haben oder aber sehr Tief.«
Schweigend näherten sie sich dem Eingang und wurden von den Wachposten erwartet, die sie bereits aus der Ferne erspähten. Einer von ihnen hob einen der langen Pfosten beiseite, sodass sie ungehindert in die Koppel einreiten konnten. Die grasenden Pferde wieherten und schwenkten ihren Schweif, als sie die Neuankömmlinge bemerkten. Einige von ihnen hielten inne und rückten auf, beschnupperten sich und wieherten erneut.
»Absitzen. Kümmert euch um die Pferde, ich rede kurz mit den ihnen.«
Kopfnicken bestätigen ihm, dass sie verstanden, und ging hinüber zu den Posten. Die Drei zur Wache abkommandierten kamen zusammen und warteten. »Zum Gruße oberster Schwertmann«, grüßte ihn einer der Männer, die übrigen zwei, führten schweigend die Rechte zum Herzen und nickten knapp. Eine kalte Böe fegte über die Ebene des Tales hinweg, ließ die hochgewachsenen Gräser tief beugen und zerzauste den unbehelmten Männern das Haar. Jarik blinzelte und verzog pfeifend den Mund. »Verflucht, ist das ungemütlich Hier. Wie ist die Lage?«
»Kann ich nur beipflichten, Herr. Wir sind immer froh, wenn wir die Pferde kurz ausreiten können, um den Böen aus der gewallt zu kommen, die werden von Tageswende zu Tageswende frostiger. Teilweise sind diese so aggressiv geworden, dass sie einen gestandenen Mann unerwartet von den Füßen reißen. Die Gegend an sich, ist ruhig, nur die stetigen Karren und Gespräche der Leute, geben uns Abwechselung.«
»Was erzählen sie so?«
»Sie berichten vom Vorankommen an der Burg und das einige Wohngebäude bezogen sind. Ah ... und das wir hier höchstwahrscheinlich bald fertig sein dürften.«
»Wie das?« Jarik horchte interessiert auf.
»Yaeko und die Naïns sind dabei sich in den Schacht abzuseilen. In den vergangenen zwei Tageswenden haben sie nebst den Kippungen auch Wasser in diesen einlaufen lassen. Gerüchten zufolge können sie dort oben ...« Der Mann zeigte mit dem Zeigefinger auf einen fiktiven Punkt im Gebirgskamm. »... bereits Wasserspiegelungen erkennen und es hat sich auch keines dieser Morroval mehr gezeigt.«
Jarik schüttele benommen mit dem Kopf und zwinkerte. »Abseilen, Morro was?«
»Das sind solche beflügelten Weibsbilder, die sich in der Vergangenheit mit riesigen Fledermäusen gepaart haben müssen. Ausgeburten der Finsternis halt.« Der Posten hob nichtssagend die Schultern.
Ein anderer verzog angeekelt die Gesichtszüge und ergriff das Wort. »Herr, diese Wesen sind Gefährlich und nicht Unintelligent. Sie haben weibische Körper. Verdammt Attraktive dazu, wenn man alles Übrige außer Acht lässt.«
»Kommt zum Punkt, Mann«, schimpfte Jarik und wurde sichtlich ungehalten.
»Entschuldigt, Herr. Sie sind wie Fledermäuse beflügelt und mit einer gemeinen Abart im Gesicht. Ein Mix zwischen dem menschlichen wie wir und einer Fledermaus eben. Sie sind an Beinen behaart und tragen ihre Brust zur Schau. Wenn sie kreischen und unseren Posten in den Türmen zuflüstern, klingt es wie Gerede von Wahn ergriffenen. Es ist erschütternd, Herr.«
»Ich schaue mir das mit eigenen Augen an, was ihr berichtet stinkt nach Brut. Gibt es einen bestimmten Weg zu folgen?«
»Nein, es führt nur dieser eine hinauf. Ihr werdet auf halbem Wege etwa eine Kammer passieren, in denen sich die Karren sammeln. Von dort aus sind es nur noch wenige Schritte bis zu einem Balkon, von dem aus ihr das gesamte Plateau einsehen könnt. Haltet euch rechts, dann gelangt ihr direkt zum Schacht.«
Jarik kaute überlegend auf der Unterlippe herum und sah zu seinen Männern, die damit beschäftigt waren, die Pferde gewissenhaft abzureiben. »Nehmt ihnen die Aufgabe ab. Wenn sich unsere Leute in den Schacht begeben, möchte ich dabei sein.«
»Jawohl.« Die drei Wachposten entfernten sich und gingen hinüber zu der eingetroffenen Schar, um deren Aufgabe abzunehmen. Mit seinen vier Schwertmännern trat Jarik in den Schatten der Höhle.