Die in dem Boden steckende Fackel warf ihren Widerschein und gab zischende Geräusche von sich, sobald sich ein Tropfen von der Decke löste, und versuchte die Flamme zu ersticken.
»Yaeko. Sie können nur in diesem Gang sein, in diesem waren sie zuerst. Hier ist ein Loch, welches sich mit Wasser gefüllt hat. Demnach dient die Fackel als Wegweiser.«
»Gut, lasst sie stecken und hinterher.«
Sie folgten dem unterirdischen Weg, der zwar seicht anstieg aber wie jener zuvor weiterhin matschig und schwer zu erklimmen war. Das eingeleitete Wasser musste deutlich höher gestanden haben als angenommen. Mit jedem Schritt, den sie taten, gelangten sie weiter hinauf und die matschenden Geräusche, die ihre Stiefel erzeugten, nahmen merklich ab, bis sie endlich auf trockenem Boden standen. Von voraus drangen flüsternde Laute zu ihnen herüber.
»Wir haben nur zwei Bögen ...«
»Unmöglich ...«
»Das wird nicht einfach ...«
Yaeko zeigte mit seiner Fackel nach vorn, woraufhin sich einer der Schwertmänner aus der Gruppe löste und die Schar als Kundschafter anführte. Langsam folgten sie ihm, ließen aber absichtlich ausreichend Abstand. Ein Licht wurde im Kreis geschwungen und ihr Kamerad kam zurück in Sichtweite.
»Es sind die anderen. Sie kauern an einem Vorsprung und beobachten eine riesige Höhle. Kommt schnell.«
»Was ist los?«
»Seht selbst«, antwortete er kurz angebunden und lief voran.
Kabar sah verwundert auf und zuckte verständnislos mit den Schultern.
Vor ihnen hockten ihre Gefährten und hielten die Fackeln verdeckt. Sie erklärten den Grund ihres Verbleibens und deuteten zum Vorsprung, wo Jarik und Aguschal kauerten.
»Was ist los?«, flüsterte Kabar zu Aguschal, der sich sichtlich anstrengte, um etwas erkennen zu können. Jarik antwortete stattdessen. »Es muss sich um eine Art Haupthöhle handeln. Überall fliegen Morroval herum, und da unten ...« er deutete mit dem Daumen in die Tiefe, »... hockt ein wahres Monstrum mit angezogenen Beinen.«
»Was?« Kabar drängte sich mittig der beiden vorbei und blickte hinab. Er strengte seine Augen an um Genaueres erspähen zu können und zog erschrocken die Luft ein. »Verflucht ... eine Königin.«
Aguschal sah auf und schaute ihn erwartungsvoll an. »Das ist auch mein Gedanke.«
»Wir müssen sie töten.«
»Heldenhaft, und wie willst du das anstellen, Kabar?«
»Wie lange sind sie schon da drin?«
»Ich weiß es nicht. Mehr als ein Zehnteltag auf jeden Fall.«
»Verdammt, die Arbeiter sind fast fertig und noch kein verfluchtes Zeichen von ihnen. Ich traue dem Frieden nicht.«
»Ich ebenso wenig. Da unten sind fähige Pferdeherren, aber auch unser Prinz. Goram wird uns die Köpfe vom Rumpf trennen, wenn sein einziger Nachkomme ...« Der naïnische Posten trat einen kleinen herumliegenden Stein in den Tunneleingang. »... da unten krepiert. Was machen wir«, fragte er seinen Gegenüber fordernd.
Der Schwertmann kaute sich gedankenverloren auf der Unterlippe herum, als er ausspuckte und entschlossen dem Axtschläger mit verengtem Blick anstarrte. »Sei‘s drum. Trommle Krieger zusammen und lass uns die Arbeiter hier raus schaffen. Wir gehen da rein und holen sie raus. Jetzt.«
Sein Gegenüber überlegt keine zwei Herzschläge lang, schwang seine doppelschneidige Kriegsaxt gekonnt aus dem Handgelenk herum und nickte grinsend. »Ein Pferdeherr mit Entschlusskraft. Das muss ich mir merken.« Er wendete sich den Schuftenden zu. »Alle Arbeitskräfte verlassen sofort den Schacht! Posten rotten! Wir gehen unsere Freunde da raus holen«, brüllte er seine Befehle.
Alle sahen erschrocken auf, als die Order durch die Schachtsohle hallte und von oben blickten ahnende Gesichter herab. Unsicher beobachteten die meisten von ihnen das Verhalten anderer, begaben sich jedoch nach und nach zu den Seilen und Seilleitern. Die Posten sammelten sich vor dem Zugang und reichten einander Fackeln. So ziemlich alle teilten ein ungutes Gefühl und wollten dem Spuk endlich ein Ende bereiten.
»Lasst zusätzlich Seile und Leitern herab. Sobald wir raus kommen, werden wir es vermutlich eilig haben. Steinschläger auf Posten und wartet auf Befehl«, galt die letzte Weisung, als die Naïnkrieger voran im dunklen verschwanden. Eine Zehn Naïns und drei Scharen Schwertmänner, direkt hinter ihnen, betraten den nasskalten Gang, der sie hinab in die Finsternis führte.
»Der Gang gabelt sich da vorn. Wo lang?«
»Abwarten Pferdeherr. Je zwei Kundschafter voraus und Meldung machen«, befahl der Axtschläger. Auf dessen Befehl hin, lösten sich vier Naïns und betraten eiligst die Gänge, wobei die beiden in den abwärtsführenden ins Schlittern gerieten und auf ihrem Hosenboden einige Längen fluchend hinabrutschten.
Die Anspannung der Wartenden stieg ins unermessliche und die Zeit verging nur schleichend. Vor dem seitlich abgehenden Tunnel war Fackelschein zu erkennen. Die Kundschafter schienen etwas hinter sich herzuziehen, da sie mit schleppend schlurfendem Schritt nebeneinander hertrotten.
»In diesem ...« Einer der beiden deutete rückwärtig. »... Endet nur eine Höhle mit erschlagenen Morroval. Und einen der Euren.« Er sah den Schwertmann dabei mitfühlend an.
»Verflucht, ich habe es gewusst. Gibt es Spuren von den anderen?«
»Ja, aber die führen geradewegs zurück. Sie ließen nur den Tod dort drinnen.«
Die Nachhut bedurfte keinerlei Erklärungen und alle richteten sich dem abwärtsführenden Tunnel zu. Vorsichtig aber behänden stiegen sie in die Tiefe. Einer der Kundschafter kam ihnen entgegen und wartete auf die sich nähernden. Er berichtete von der Höhle und der wegweisenden mittlerweile halb niederbrannten Fackel. Der geltenden Vorsicht zum Trotz eilten sie weiter und störten sich nicht am Ausrutschen – Kameraden und Freunde waren in Gefahr. Unten angekommen trat der zweite Kundschafter aus dem gegenüberliegenden Tunnel und schüttelte den Kopf. »Da geht es nicht weiter. Der gesamte Bereich steht unter Wasser.«
»Dann bleibt nur dieser mit der Fackel. Was ist mit dem rechten Gang?«
»Der endet im Nichts, eine Sackgasse.«
»Nun gut, also nur dieser eine und der Rückweg. Auf dann.«
Zu zweit nebeneinander eilten sie durch den Tunnel und vernahmen wildes Gekreische und gelende Befehle. Die Vorderen, eine Zehn kampferfahrener Naïns, fassten Speere und Äxte fester und begannen zu laufen. Hiesiger Untergrund ließ schnelleres Vorankommen glücklicherweise zu, da bis zu jener Höhe scheinbar noch kein Wasser gedrungen war. Die bogenbewehrten Schwertmänner lockerten ihre mitgeführten Pfeile und die Übrigen zogen Schwerter blank.