Jarik war vor Kummer wie gelähmt und bemerkte die Kämpfenden nicht weiter, selbst als ihm eine der Morroval zu Leibe rückte. Tränen liefen ihm heiß über die Wangen und vermengen sich mit dem Blut seines gefallenen Freundes. Einem im letzten Moment herangeeilten Speerkämpfer verdankte er sein Leben. Aufgespießt ragte das Wesen über ihm auf – die Klauen zum tödlichen Schlag ausholend, doch Jarik wurde auch diesem nicht gewahr.
»Jarik, steh endlich auf!«, brüllte Galoth, fernab seines Gehör und Aguschal schüttelte ihm besonnen, aber dringend an der Schulter, sodass er tränend aufsah. Seine Augen waren leer und gebrochen, dennoch, er erhob sich und griff mit harter Hand nach dem liegenden Schwert. Schwermütig legte er Yaeko zurück zu Boden, sein Blick gefror und unsagbare Mordlust spiegelte sich in ihnen wider. Langsam, beinahe in Zeitlupe, richtete sich jener Blick auf die sich aufbäumende Königin.
Die Morroval kämpften verbissen und versuchten die Gebärende weiterhin zu schützen. Ein gerade geführter Schwerstoß auf Schulterhöhe durchstieß die hässliche Visage eines der ihm im Weg kauernden. Neben der Königin blieb er seitlich und außer Reichweite ihrer Arme stehen. Er umging ihre fest in den Boden gepressten Beine, zwischen derer immer mehr Blut hervorquoll und spuckte aus.
»Jetzt wirst du büßen, du widerwärtige Bestie«, zischte Jarik zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er griff sein Schwert fester, nahm Anlauf und sprang. Von oben herab ließ er kraftvoll seine Klinge herabsausen, durchschlug schneidend und knirschend die Bauchdecke der Morrovalkönigin, bis hinab zum Rückrad.
Unerwarteter Schmerz ließ diese aufbäumen, sie stemmte ihr Gesäß mit den Beinen in die Höhe. Schwert- und Axthiebe hackten nieder und durchtrennen den Leib der Gebärenden. Die Speerkämpfer hielten die übrigen, in Rage geratenen Morroval auf Abstand. Jarik, immer noch im Blutrausch, trat näher an sein Opfer heran und stemmte seine Klinge gerade und tief in den Mutterleib, wo es bis zum Heft stecken blieb. Ein letzter durchdringender Todesschrei entwich ihrer Fledermausschnauze und bekümmernde Stille machte sich breit.
Die in die Luft erhobenen Morroval verweilten, starrten auf ihre leblose Gestalt und die Gefährten sahen sich kampfbereit um. An der Höhlenwand entgegengesetzt des Tunnels, aus dem sie zuvor kamen, entstand Bewegung.
»Oh nein«, wisperte Kabar und tippte seinem Prinzen an. Dieser sah in die gezeigte Richtung und erstarrte.
»Raus! Sofort raus hier!«, brüllte er zutiefst erschrocken.
»Jarik spuckte auf den Kadaver und wendete sich mit den Gefährten ab. Die Morroval schwebten herab und befingerten den toten Leib ihrer Königen, doch sie rührt sich nicht. Eines dieser Wesen blieb vor dem noch immer steckenden Schwert stehen, sah auf den stetigen Blutschwall, der austrat, und warf ihren Kopf in den Nacken. Krampfhafte Wut, Entsetzen und unendliche Traurigkeit hallten in dem durchdringenden Schrei, den die übrigen ihrer Art aufnahmen und weitertrugen.
Die Gefährten hatten den Vorsprung des Tunnels erreicht, als die Schatten gegenüber gestallt annahmen und sich ein riesiges Wesen hervorschälte. »Das darf nicht wahr sein. Weg hier«, grollte Aguschal und eilte voraus. Weitere Morroval schälten sich aus den Schatten und landeten nahe der Erschlagenen und begutachteten argwöhnisch die Szene.
Das zuvor gesichtete große Wesen war noch größer als es die Königin selbst war. Sie streichelte liebevoll den toten Kadaver und fixierte den Tunnel, in dem sich die Gefährten zur Flucht begaben. Sie trillerte und schrie, Befehle wurden gegeben und die umstehenden Morroval nahmen die Verfolgung auf.
»Sie kommen!«, brüllte Jarik, der nahezu der Letzte war, der den Durchgang betrat.
Aufrecht und halb gebeugt, mit vielen Kratzern und Blessuren rannten sie keuchend in die kleine Höhle und hielten sich rechts – den Anstieg hinauf. Bedingt, dass dieser nach wie vor matschig und nass war, rutschten einige von ihnen immer wieder aus und mussten sich mühsam auf allen Vieren erneut auf die Beine mühen. Den Naïns erging es nicht anders, hatten jedoch den Vorteil kürzerer Gliedmaßen und konnten aufgerichtet laufen.
Der Lichtschein der abgesetzten Fackel erlosch, als die ersten Verfolger in die kleine Höhle vorstürmten und diese umtraten. Sie waren unkoordiniert und in Rage, sodass sich viele von ihnen in die Sackgassen begaben und den Anstieg vorerst außer Acht ließen – zum Glück der Fliehenden.
»Weiter!«, brüllte Kabar, der im Begriff war, einen der gestürzten Schwertmänner aufzuhelfen. Dieser wehrte sich und drückte ihn zähneknirschend zur Seite. »Geht und rettet euren Arsch. Mein Bein ist gebrochen. Ich gehe nirgends mehr hin.«
Kabar sah in unsicher an und packte nach dem angeblich gebrochenem Bein. Schmerzerfüllt brüllte der Mann auf und stoß den Naïn zur Seite. »Bring deinen kleinen Arsch endlich hier raus!«
Kabar schnaubte, nickte und drückte ihm einen Speer eines vorüberlaufenden Speerkämpfers in die Hand. »Tapferkeit und Ehre, mein Freund.« Daraufhin setzte er kurzerhand über den Verletzten hinweg und eilte den Übrigen hinterher. Er sah sich nicht einmal mehr um und niemand bekam die Szene mit.
Lautes kreischen hallte durch die Tunnel und die Morroval rückten den Anstieg empor. Der verwundete Schwertmann richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Knie und biss die Zähne zusammen. »Vater, wir sehen uns in den Hallen der Ahnen. Ich komme«, flüsterte er in die Dunkelheit. Sie waren heran und er griff den Speer fest mit beiden Händen, stemmte dessen Ende rücklings in den Boden. Die Morroval schien ihr Opfer riechen, aber nicht sehen zu können und so stürzte sie sich wutbeladen auf ihn.
Erschrockenes Gurgeln gab sie von sich, als der vorgehaltene Speer sich tief in ihren Leib bohrte und ihre Lunge zerstieß. Sie konnte die nachrückenden ihrer Art nicht mehr warnen und so stieß eine weitere in den noch vorgehaltenen Speer, sodass durch die Wucht dieser zersplittert und dem Schwertmann aus den Händen glitt. Weitere Morrovals drangen vor und schliffen die aufgespießten mit sich in den geteilten Gang. Klauen gruben sich dem verletzten Schwertmann in den Leib und rissen ihm tiefe Wunden.
Er schrie entsetzlich vor Schmerz, bis ihm eine der Klauen, durch die Rippen hindurch, den Herzbeutel aufriss und ihn endlich verstummen ließ.
Einige der vorlaufenden Morrovals drangen in den Seitengang, um die Kinderstube zu inspizieren. Sie heulten klagend, nachrückende eilten weiter zum Ausgang, dem Eindringling hinterher.