Die Schatten, innerhalb des Schachtes wurden länger und verdeckten bereits einen Großteil der Fläche, wo es in die Düsternis des Berges hinabging. Steinschläger hielten sich an Seile gebunden und ihre massigen Meißel positioniert. Nur noch wenige, kräftige Hammerschläge in mühselig eingekerbte Mulden, und der Vorsprung würde in die Tiefe stürzen. Dieser sollte planmäßig auf dem aufgeschütteten Erd- und Geröllhaufen fallen, die Massen darunter verdichten und so endgültig den Zugang versiegeln.
Weitere Bogenschützen und Speerkämpfer, Pferdeherren und Naïns gleichermaßen, begaben sich zusätzlich in die Tiefe des Schachtes, nachdem einige von ihnen den Vorausgegangenen gefolgt und die Arbeiter, wie befohlen hinaufgeklettert waren. Bis auf vier Längen haben die Posten Fackeln in dem Tunnel positioniert, um mehr und früher sehen zu können. Einer der mutigeren Naïns ging sogar noch etwas tiefer hinein, um seine Augen nicht von dem Lichtschein der Fackeln täuschen zu lassen und starrte horchend in die Dunkelheit.
»Kannst du schon was hören?«, fragte ein Weiterer vom Eingang. Sein Echo hallte laut von den nassen Wänden wider.
»Sei doch still. Wenn du so brüllst, kann ich nicht lauschen«, erwiderte der Naïn grimmig und winkte ab.
Neben den andauernden Platschgeräuschen, die herabfallende Wassertropfen auf matschigen Boden verursachten, gesellten sich heisere aufgeregte Rufe. Der Posten im Tunnel beugte sich tief vor und legte seine linke Hand ans Ohr. Echolaute, definitiv von ihren Kameraden.
»... i ... men ...«
»... a ... ft ...«
Dann wieder irre klingendes Geschrei.
»... la ... ft ... eller ...«
Direkt vor ihm erschien eine heftig wackelnd flackernde Lichterscheinung und tanzende Schatten, die auf ihn und dem Ausgang zueilten – eine Fackel und die Gefährten?
»Wer da?!«, brüllte der Naïn und lauschte angestrengt. Sein Ruf hallte in die Tiefe und erhielt Antwort, jedoch nicht die, die er zu erhalten hoffte und rutschte beim Umdrehen der länge nach aus.
»Lauf! Sie kommen!«, hallte es panisch hinauf und versetzte den Posten selbst in Furcht.
Er stemmte sich auf alle viere und stolperte noch zwei Mal, bis er sein Gleichgewicht widererlangte und ins Tageslicht rannte. Unterwegs brüllte er aus Leibeskräften, den draußen wartenden zu. »Sie kommen!«
Der Eingangsposten weitete erstaunt die Augen und stotterte stumm vor sich hin, bis ihm die Erkenntnis einholte. Er drehte sich herum und wiederholte den Ruf, woraufhin die umherstehenden in Deckung eilten, Speere fester griffen und Pfeile auf Sehnen legten.
Der Tunnelposten hetzte hinaus ins Freie und gesellte sich zu seinen Kumpanen. »Schießt erst, wenn der Letzte von unseren Leuten da raus ist. Ich will keinen von den Unsrigen abmurksen!«
Panische Rufe drangen aus dem Schwarz, sowie das Gekreische ihrer Verfolger. Schiere Anspannung herrschte im Schacht, schwitzende Hände kneteten die Griffe ihrer Waffen oder nestelten an den Schäften der Pfeile. Angespannt beobachteten alle den Ausgang des Tunnels und das, was aus diesem hervortreten mochte. Bogensehnen wurden gespannt und wieder gelockert, bis zu dem Augenblick, als Galoth und Jarik als Erste ins Freie traten. »Sie kommen!«, brüllte Jarik angsterfüllt und fiel stolpernd zu Boden. Einer der postieren Schwertmänner ließ gedankenlos seinen Bogen fallen, sprang hervor und zog ihn unsanft in Deckung. Direkt hinter ihnen rannten Naïns wie Schwertmänner, sich gegenseitig stützend und mancher von ihnen humpelnd hinterher. Eiligst entfernten sie sich aus dem Einzugsbereich des Zuganges und dem länger werdenden Schatten.
»Raus aus den Schatten, sie vertragen kein Licht!«, rief Kabar, der aus dem Tunnel stürzte und einen stark blutenden Schwertmann stützte. Zwei Posten liefen ihnen seitlich entgegen und packten den Verletzten, um ihn fortzuschaffen.
»Achtung!«, schallte es nebst laut gewordenem Gekreische. Aguschal erschien im Widerschein des Fackelscheines und ruderte mit den Armen. »Noch einer! Bereit machen!«, keuchte er mit kratzender Stimme. Er strauchelt immer wieder. Kurz hinter ihm trat das blutverschmierte Gesicht eines Schwertmannes aus dem Dunkel als hell tönendes Getriller und Gekreische aus dem Tunnel drang. Pfeile sirrten durch die Luft und verschwanden im Zwielicht des Zuganges.
»Oi!«, brüllte Aguschal mit allem, was seine hechelnde Lunge noch in der Lage war herzugeben und sofort donnerten kraftvoll geschwungene Hammerschläge auf Meißel. Klauen packten den letzten Schwertmann, der schreiend zu Boden ging, und versuchte sich mit bloßen Händen im Dreck festzukrallen. Eine weitere Klaue, gefolgt von einer Morroval trat ins Freie, die dem Gestürzten ins Genick griff und zurück in die Schatten zerrte. Heraneilende wurden mahnend zum Bleiben befohlen und kamen rutschend zum Stehen, fassten Aguschal unter die Arme und halfen ihn in Deckung.
Noch zwei gleichzeitig schallende Hammerschläge und mahlende Geräusche vermischten sich mit einem ohrenbetäubenden Donnern. Eine gewaltige Staubwolke vernebelte den Posten wie den zuschauenden Arbeitern, in sicherer Höhe, die Sicht und verklebte den Unteren Nase und Münder. Krächzender Husten und bewegende Schemen waren von oben zu erkennen, ansonsten herrschte bedrückende Stille.
Erst als der Staub sich legte und die leichten Winde die staubige Luft reinigten, hoben die in Deckung gegangenen ihre Köpfe und sahen sich unsicher um. Überall hockten staubbedeckte Leiber, die den gröbsten Schmutz aus Gesicht und Augen wischten und den in den Mund geratenen Dreck ausspien. Alle, sich im Schacht befindlichen sahen aus wie wandelnde Gespenster. Der aufgeworfene Staub von dem herabgedonnerten Vorsprung hatte allesamt in schmutziges Weiß gehüllt.
Die Ersten wagten sich aus der gesuchten Deckung und begaben sich zu dem riesigen Felsen, der fast den gesamten schattigen Bereich einnahm und wie geplant auf dem aufgeschütteten Erd- und Geröllhaufen auflag. Der Tunnel schien verschlossen, bis zu dessen Rechten, loses Gestein zur Seite rollte, eine krallenbewehrte Klaue hervorstieß und ein wutentbrannter Schrei ertönte. Alle waren sofort hellwach und konzentriert, niemand scherte sich mehr über den klebrigen Schmutz. Jarik und Aguschal griffen sich je einen Speer, welche ihnen ausdruckslos gereicht wurden, und umrundeten vorsichtig den Fels. Ein Loch, vielleicht kopfgroß im Durchmesser, klaffte dort anmahnend. Immer wieder stieß jene Klaue hervor und versuchte Geröll mit sich zu zerren.
»Die Brocken sind zu schwer für eine Einzelne.«
Jarik nickte. »Aber sie sind in der Lage Tunnel zu graben.«
»So haben wir gesehen, ja.«
»Schaff unsere Leute hier raus und lass die Karren anfahren. Erst wenn dieser verfluchte Fels bedeckt ist, werden wir hoffentlich Ruhe haben.«
Aguschal schien vollkommen in Gedanken und beobachtete konzentriert die wiederholt hervorgreifende Klaue und lauschte dem widerwertigen Kreischen. Jarik wollte etwas erwidern, als der Prinz sich abdrehte und den Posten Anweisungen erteilte. Jarik nährte sich dem Loch und blickte aus sicherer Entfernung hinein.
»Ihr Drecksviecher habt meinen Freund auf dem Gewissen«, flüsterte er. »Dafür werdet ihr zahlen.«
Ruckartig und unerwartet erschien anstatt der Klaue eine grimmige Visage und zischte ihm entgegen. Die Morroval verzog das Maul und die Geräusche klangen wie gesprochene Worte. »Huu haschd Mudahh gedödedsss.«
Jarik verengte die Augen zu schlitzen, rotzte angewidert ins Loch und hob abrupt den Speer. Die geschmiedete Spitze blitzte im untergehenden Sonnenlicht blutrot. Mit Knurren auf den Lippen stieß er seine Waffe kraftvoll hinein. Ein hässlich knirschendes Geräusch bestätigte ihm einen Treffer. Der Speer entglitt ihm und so trat er lapidar einen kleinen Stein hinterher. Er drehte sich zu Umstehenden. »Solange wir noch Tageslicht haben, will ich hier eine stehende Schar als Wache. Beginnend der Dämmerung, stellt Fackeln oder Brennsteinlampen auf.«
Die Angesprochenen nickten und fünf Schwertmänner versammelten sich am Felsen, um als Erste die Aufgabe wahrzunehmen. Jarik hingegen stieg die abgetragene Anhöhe hinauf und kletterte an einer Seilleiter in die Höhe.