Dies ist das erste Kapitel aus meinem (noch unveröffentlichten) Buch: Eine Studie in Khaki. Ich liebe Anspielungen und so sollte es nicht wundern, dass ein Krimi mit besonderer Note für mich als Hauptinspiration für das erste Kapitel steht. Auch in anderen Kapitel finden sich Anspielungen, nicht nur auf "Eine Studie in Scharlachrot" von Sir Arthur Conan Doyle, den ich im übrigen sehr verehre, sondern auch auf andere Krimis oder nicht Krimis. Seht mir Rechtschreibfehler nach, ich habe eine Rechtschreibschwäche. ;) Hoffe, dass meiste aber gefunden zu haben. Jedenfalls wünsche ich euch viel Spaß und sage vorraus, dass ich Kapitel 2 auch gleich posten werde. ;)
Aus den Erinnerungen von
Felix H.
Ehemals Medizinstudent der Johannes-Gutenberg-Universität
Stephen Kiel
2012 erreichte ich meine Hochschulzugangsberechtigung an dem Heinrich-Heine-Gymnasium Bitterfeld-Wolfen. Im folgenden Jahr kam es zu meiner Immatrikulation an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz für das Studienfach der Medizin.
Ich hatte zu meiner Grundschulzeit zwei Jahre in Mainz verbracht, ich freute mich die alten Erinnerungen widerzusehen. Da meine Verwandten alle im Osten Deutschlands lebten und meine Freunde ebenfalls dort verweilten, war ich so frei, wie es der Wind nur sein konnte. Obwohl ich natürlich auch durch mein begrenztes finanzielles Budget nicht wirklich frei war. Um Kosten für langatmige und zeitfressende Langstreckenverbindungen zu sparen, bezog ich ein Quartier in der Stadtmitte.
Das Leben in meiner Eingewöhnungszeit war recht trist und sinnlos. Ich muss gestehen, dass ich das Geld, welches ich besaß, etwas freizügiger ausgab, als es mir meine finanzielle Situation zuließ. Mit jedem Monat dem ich mich dem Studienbeginn näherte, sank mein Kapital in größerem Maße. Als ich im Oktober mein Studium zu praktizieren begann, sank mein Kapital in noch größerem Maße. Irgendwann so besorgniserregend, dass ich mich dazu genötigt sah, meine bisherige Wohnung zu verlassen und anderweitig unterzukommen. Es hieß entweder eine kostengünstige Wohnung außerhalb Mainz oder Wiesbadens zu beziehen oder in gleicher Umgebung eine kostengünstigere Wohnung zu finden. Erste Variante wäre für einen Gesellschaftsinteressierten Menschen, wie ich es bin, weniger erfreulich gewesen. Weshalb ich mich intensiv nach einer Wohnung im Stadtbereich umsah.
Als ich den Entschluss gefasst hatte, entschied ich mich symbolträchtig auf mein eigenes Glück anzustoßen. Wie bereits erwähnt, hatte ich keine Freunde mit denen ich die Entscheidung betrinken hätte können. Weshalb ich mich allein aufmachte um die Häuser und Bars der Stadt zu ziehen. Die Malakoff Bar war an diesem Tag mein Ziel. Wer Mainz länger kennt, kennt auch zumindest den Namen dieser Bar. Für all diejenigen, denen dieser Ort ganz unbekannt ist, soll gesagt sein, dass es sich um eine behagliche Cocktail-Bar handelt, welche sich im historischen Fort Malakoff befindet. In regelmäßigen Abständen sorgen hier Auftritte von Live-Bands oder DJs für musikalische Genüsse. Dort angekommen erfreute ich mich an dem regen Treiben, der Abwechslung, hier schien es mir weitaus behaglicher, als in meinem bescheiden Heim, dessen interessanteste Eigenschaft die Raufasertapete aus den späten 70iern war.
Ich schwenkte Gedankenverloren mein Cocktailglas und beobachte wie das Eis sich im aller kleinsten Kreise drehte. Bis mir jemand auf die Schulter tippte, als ich mich umdrehte, erkannte ich das Gesicht eines Jugendbekannten: Jan Müller. Jan Müller war vielleicht kein guter Bekannter oder Freund aus meiner Jugendzeit, aber ein bekanntes Gesicht aus vergangen Tagen. Ich kannte ihn noch aus der Grundschule, seither hatte ich ihn nicht mehr gesehen, doch er hatte mich sofort wiedererkannt. Er hatte wie damals kurzgeschnittenes Haar und sein untersetzter Körper, war dem eines Athleten gewichen.
Wir sprachen bei einem Gin Tonic über die vergangen Jahre und unsere bevorstehende Zukunft.
"Ich gehe zum Bund, das hast du wohl erwartet."
"Das war nicht schwer, du sprachst ja seit ich dich kenne von nichts anderem." Erwiderte ich.
"Was wirst du denn in nächster Zeit anstellen?" Frage er dagegen.
"Ich? Medizin Studieren, aber vorerst werde ich eine Wohnung suchen müssen, Mainz ist zu teuer." antwortete ich.
"Teil dir doch eine Wohnung."
"Wer will sich denn darauf einlassen?"
"Ein Déjà vu." äußerte Jan schelmisch lächelnd.
Ich schaute mein Gegenüber etwas unverständig an.
"Heute hat schon jemand dasselbe gesagt."
"Wer wenn ich fragen darf?"
"Ein junger Mann, welcher in der Kasteler Stadtteilbibliothek arbeitet. Er hatte sich mit seiner Chefin darüber unterhalten, dass er noch ein Zimmer frei hätte und er sich darüber ärgern würde, wenn es nicht bald von jemand bezogen würde."
"Nicht dein Ernst.", entfuhr es mir mit einiger Freude. "Sollte er wirklich noch einen Platz für mich frei haben, würde mir das sehr entgegen kommen. Mit jemanden zusammen zu wohnen, bringt wahrscheinlich auch ein wenig Abwechslung in mein Leben."
Jan sah mich etwas verstohlen über sein Cocktail-Glas an. "Du kennst Kiel noch nicht. Ich weiß nicht ob man mit ihm zusammen wohnen kann."
"Das klingt so, als ob er einen schweren Fehler hat?"
"Soweit möchte ich nicht gehen, er ist gewiss ein passabler Kerl, doch scheint er auch von recht speziellem und wissenschaftlichem Charakter."
"Bibliothekar mit Interesse für Sachbücher?" entgegnete ich. "Nicht direkt, er scheint so etwas wie ein Praktikant oder dergleichen zu sein. Er macht aber alles mit enormen Eifer und bester Laune."
"Das klingt doch nicht übel."
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer so ist, sicher er scheint ein sehr guter Gesprächspartner zu sein und in einer Vielzahl wissenschaftlicher Themen könnte er so manchen einen Rang abnehmen, aber ich weiß nicht wie er als Wohngenosse ist."
"Hast du ihn näher gefragt was er genau macht oder vorhat zu unternehmen?"
"Nein, er scheint, wenn Bedarf dazu ist ganz mitteilsam, aber ansonsten ist er recht still veranlagt. Zudem bin ich selten dort und noch seltener im Gespräch mit ihm, ich lese ungern und nur wenn ich muss."
Um nicht mit ihm in eine Diskussion zu verfallen inwieweit ich das Lesen als großes und wunderbares Gut bezeichnen würde, versuchte ich, auch im eignen Interesse, schnellst möglich ein Treffen mit Herrn Kiel zu arrangieren.
"Wann kann ich mich mit diesem Mann in Verbindung setzen? Er scheint vielleicht nicht der Feier freudigste, doch beim Lernen für das Studium kann mir das nur zum Vorteil gedeihen.", erklärte ich mich. "Er wird sicher gerade im Naturhistorischen Museum sein, zumindest hatte er das der Bibliothekschefin gesagt."
"Dann lass uns zahlen und zu ihm gehen." War meine vor erwartungsvolle Antwort. Wir begannen unseren zwanzig minütigen Fußmarsch von der Rheinstraße, bogen an der Ecke Kameliterstraße ab um über den Kameliterplatz die Mitternachtsgasse zu erreichen. Währenddessen berichtete mir Jan, noch weitere Einzelheiten zu dem jungen Mann mit dem ich eine Wohnung beziehen wollte.
"Ich weiß nichts über sein privates Leben, also mach mich nicht verantwortlich, wenn es nicht klappt.", sagte er als wir in die Reichklarastraße, unserem Ziel, einbogen.
"Ich weiß nicht mehr von ihm, als ich durch meine geringen Bibliotheksbesuche in Erfahrung bringen konnte. Es ist dein Wille, mit ihm zusammen eine Wohnung zu teilen, mach mich im Nachhinein für nichts verantwortlich."
"Wenn ich nicht mit ihm klar komme, wird es ja wohl nicht allzu schwer sein, mich von ihm zu entbinden. Aber jetzt mal ehrlich, du musst doch einen Grund haben, ständig darauf zu verweisen, dass du für nichts garantieren kannst?" Ich blickte ihn mit einem durchbohrenden Blick an, denn ich kann Verheimlichungen nicht ausstehen und es war offensichtlich, dass er etwas verheimlichte.
"Für meinen Geschmack ist Kiel zu wissenschaftlich, fast schon ein Klugscheißer. Er weiß es immer noch genauer und detaillierter. Charaktermäßig ist er wie gesagt ganz passabel. "Das klingt doch nicht schlecht."
"Er übertreibt es aber in unerhörter Weise, seine Genauigkeit geht schon in das bizarre."
"Inwiefern?"
"Wenn man Insekten und ähnliches selbst verspeist um zu wissen wie es schmeckt und was man einem Tier verfüttert, halte ich das schon für sehr bizarr."
"Ich finde das eher amüsant, als bizarr.", versetzte ich, wir hatten schon das Museum betreten und schlenderten durch Aneinanderreihung von interessanten Exponaten und Kuriositäten. Es war wie damals, als wir unseren Schulausflug zum Museum der ersten Klasse absolvierten.
"Bildet er sich hier weiter?", äußerte ich meine Gedanken.
"Ich weiß es nicht, er arbeitet mit Sicherheit nicht als Bibliothekar oder Museumsmitarbeiter. Er macht irgendetwas anderes."
Wir betraten derweil einen größeren Ausstellungsraum, in dem nur ein einziger Mann stand, welcher uns dem Rücken zu gewandt, seine ganze Aufmerksamkeit einem Tierskelett widmet.
"Sieht fast genauso aus, wie beim Schulausflug." führt ich den wieder aufkommenden Gedanken aus. Alles erschien so vertraut und doch völlig anders zu sein.
"Im Mainzer Nest verändert sich auch in 12 Jahren n[ichts]..." Ehe er enden konnte, wurde er von dem Skelettbetrachter unterbrochen:
"Jan könnte ich mir ihr Handy borgen, ich scheine hier keinen Empfang zu haben."
Jan passte, da sein Handy kein Guthaben mehr habe, sodass ich dem unbekannten mein Handy anbot.
Er drehte sich um und ich blickte in die blaugrauen Augen eines gleichaltrigen Mannes, die ungemein wachsam wirkten. Sein Haar war kurz und von dunklem braun. Er nutze das Angebot bereitwillig. Während er eine Nachricht tippte, konnte ich auf einem kleinen Tisch vor dem Skelett einige Schälchen mit Erde sehen, die mein Handynutzer wohl benutzt hatte. Jan erübrigte mir mich vorzustellen.
"Was stört sie?"
"Wie bitte?" Entgegnete ich entgeistert.
"Haben sie Abneigungen in Bezug auf Tiere? Ab und an sind welche im Haus zur Pflege. Blasse manchmal tagelang Trübsal und erwarte ab und an ungewöhnlichen Besuch. Würde sie das stören? Als Wohnpartner sollten sie das wissen."
Mich an Jan wendend fragte ich ihn ob er unseren Besuch angekündigt hatte. Was dieser verneinte.
"Wie können sie wissen, dass ich deswegen..."
"Ich hatte es heute Morgen in der Bibliothek selbst in Jans Gegenwart erwähnt. Und nun steht er mit einem alten Grundschulfreund hier. Das war naheliegend."
"Woher wissen sie, dass wir in der Grundschule waren?"
""Ab und an kann Besuch erscheinen, ich muss Sie dann bitten, dass Wohnzimmer, welches mir in diesen Fällen, als Arbeitszimmer dient, zu verlassen. Dieser Besuch kann auch zu ungewöhnlicher Stunde eintreffen."
"Wenn Ihr Besuch nicht also viel Krach macht, sollte das nicht problematisch sein, ich befürworte zwar ein Zusammenleben in Gesellschaft, aber Lärm kann ich nicht ausstehen."
"Fällt Geigen spielen für Sie in die Kategorie Lärm?" erkundigte er sich besorgt.
"Das hängt ganz von dem ab, der die Geige spielt." antwortete ich. "Eine gut gespielte Geige ist göttlich, eine schlecht gespielte..."
"Dann ist das auch geklärt." Sagte er, nach seinem Schal und Mantel greifend. "Ich habe da eine angenehme Wohnung in Mainz-Kastel. Wir treffen uns Morgen Punkt zwölf dort. Ich muss leider schon los, habe noch einen Termin." Sagte er sich an mir vorbeidrückend.
"War das alles?" Fragte ich entgeistert
"War was?" Entgegnete er.
"Wir kennen uns kaum und für Sie scheint alles geklärt zu sein?"
"Das Problem liegt dann wo?"
"Wir wissen nichts von einander, ich weiß weder wo sie wohnen noch wie sie heißen."
"Ich weiß, dass Sie Medizinstudent der Gutenberg-Universität sind, sich lange nicht in Mainz aufgehalten haben. Sie haben Geldprobleme, wollen ihre Eltern nicht darum bitten, weil sie sich gerade scheiden lassen, vermutlich wegen des Alkoholmissbrauchs ihres Vaters. Und ich weiß, dass sie keine Katzenhaarallergie haben. Das genügt doch fürs erste, oder?" Sagte er auf dem Absatz kehrt machend. Sich aus dem Türrahmen zu mir lehnend, ergänzte er: "Die Adresse lautet Bäckerstraße 21 B, Mainz-Kastel. Mein Name: Stephen Kiel."
Uns einen schönen Abend wünschend verließ er den Raum.
*
Ich verabschiedete mich von Jan, wünschte ihm, falls wir uns nicht noch ein Mal sehen würden, viel Glück für seine Zeit beim Bund. Er wünschte mir gleichfalls Glück für Studium und die Wohngemeinschaft.
Ich muss gestehen, dass die kurze Begegnung mit Herrn Stephen Kiel, bereits ungemein fesselnd war. Ich schlief verhältnismäßig wenig, bedingt durch die Vorfreude auf den folgenden Tag.