Ich schaute zum Fenster hinaus.
Draussen zogen graue Nebelfetzen umher und hinter dem Nebel konnte ich die Umrisse von Städten, Wäldern und Wiesen erkennen.
Im Zug war es kalt und seltsam still. Ich zog mir meinen roten Mantel enger um die Schultern und liess meinen Blick vom Fenster zu den übrigen Passagieren gleiten.
Mir gegenüber sass eine Frau Mitte Dreißig mit einem losen Dutt, aus dem sich ein paar rote Haarsträhnen gelöst hatten, und einer runden Brille auf der Nase. Sie starrte vor sich hin. Im Abteil neben uns sass ein alter Mann und eine Reihe weiter sass ein Teenager mit langen, gefärbten Haaren, der komplett in Schwarz gekleidet war.
Sie waren alle verschieden, aber eine Sache hatten sie gemeinsam.
Alle drei starrten irgendwo hin, ohne wirklich etwas zu sehen. Sie sassen einfach nur da und alterten.
Der Zug fuhr immer weiter. Er fuhr komplett lautlos und ohne auch nur ein bisschen zu ruckeln geradeaus, als ob er nicht von dieser Welt wäre.
Ich hatte nicht gemerkt, dass wir langsamer gefahren waren, oder so, aber von einem Moment zum Nächsten, stand der Zug in einem Bahnhof und die Türen öffneten sich. Ohne zu zögern stieg ich aus und schlenderte durch die Bahnhofshalle.
Das Treiben war gespenstisch. Niemand sagte etwas und alle bewegten sich im gleichen, monotonen Tempo.
Es gab Unmengen von Zügen, aber das seltsame war, dass sie alle nur in eine Richtung zu fahren schienen.
Vorwärts.
Ich glaubte zuerst, dass ich ziellos durch die grosse Halle wanderte, aber mit der Zeit merkte ich, dass meine Füsse genau wussten, wo sie hinwollten und mich ziemlich bald schon, zu einem etwas altmodischen, dunkelgrünen Wagen führten.
Ich stieg ein. Die Passagiere waren immer noch nicht zahllos, aber definitiv anders, als die im letzten Zug.
Ich sah mehrere alte Leute, einen Jungen und ein Mädchen mit Glatzen in blauen Krankenhausoveralls und einen blassen Soldaten, der sein Gesicht zu einer Fratze aus Schmerz verzogen hatte.
Es verging Zeit.
Genauer konnte ich das nicht sagen, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange der Zug lautlos dahinglitt.
Vielleicht waren es Minuten, vielleicht aber auch Stunden.
Ich hatte das Gefühl zusehen zu können, wie die Leute alterten und wie der Soldat immer blasser wurde.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch und mit einem leisen Zischen öffnete sich die Tür am Ende des Ganges.
Keine Reaktion der Passagiere.
Ein Mann in Schaffneruniform trat in unseren Wagon und die Tür hinter ihm schloss sich wieder.
Er ging an den Passagieren vorbei und musterte sie aufmerksam.
Den Jungen mit Glatze beäugte er besonders genau, bevor er etwas, das wie ein alter Parfüme-Flakon aussah, aus seiner Tasche holte und es dem Jungen ins Gesicht sprühte.
Ich wusste nicht, was das gebracht haben sollte, aber ich hatte auch keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, denn im nächsten Augenblick, drehte sich der Mann zu mir um.
Er hatte einen wirren Bart und seine Stimme klang heiser, als er zu sprechen begann.
"Was machst du denn hier? Du siehst nicht aus, als ob du demnächst tot wärst."
"Ich sitze." antwortete ich wenig geistreich.
Der Bärtige lachte. "Na das sehe ich. Aber du solltest nicht hier sein. Bei der nächsten Station musst du raus. Denn ab dort fährt der Zug weiter ohne Halt an einen Ort ohne Wiederkehr.“
Ich schluckte, denn der Zug des Lebens, hatte sein Ziel offenbar schon sehr bald erreicht.
Und dann gab es kein Zurück mehr.