Kapitel I: Die Marmorgarde
Die Sonne schien hell an diesem Tag. Der Zenit war bereits überschritten und die Sonnenuhr auf dem Marktplatz warf lange Schatten. Es war ein ruhiger Mittsommernachmittag und die Luft roch sommerlich. Grüne Blätter tanzten durch die belebten Gassen und die Menschen gingen ihren Geschäften nach. Auf dem gepflasterten Platz spielten Kinder ausgelassen mit Papierdrachen, während Jongleure der Gauklergilde tanzten und Leinenbälle herumwirbelten.
An einer Ecke des Marktes stand ein Gerber und verarbeitete die Haut eines Krats mithilfe von Gerbstoffen zu grauem Leder, an einer Anderen schlug ein Schmied gußeiserne Hufeisen. Der Markt war gigantisch. Immerhin war er das Zentrum des Handelsdistrikts. Seine Ausläufer erstreckten sich über ein gesamtes Stadtquartier. Das Leben auf dem Marktplatz bestand nicht nur aus Handeln, Menschen verschiedenster Kulturen wohnten hier.
Die Stände waren Vorbauten individuell eingerichteter Wohnstätten und verdeckten dürftig den Blick auf das Alltagsleben, das in ihnen stattfand. Die Behausungen bestanden aus Wandbehängen, die an maroden Stangen befestigt wurden, und verliefen sich fließend ineinander. Alte Frauen kochten in Lehmtöpfen oder wuschen Kleidung und die Männer wachten über das Geschäft. Die Kinder huschten von Stand zu Stand und jagten sich gegenseitig durch die Behausungen. Dabei schnappten sie Informationen über die besten Angebote auf. Begeistert erzählten sie ihren Eltern davon und erhielten zur Belohnung Süßwaren, die aus Zuckerrohrmelasse hergestellt wurden. Das auf Holzstäbchen gestrichene Sirup glänzte verlockend und die Kinder liebten den süßen Duft.
Yargo biss in den Kratspieß und zerkaute das zähe Fleisch gedankenverloren, während er das rege Treiben beobachtete. Eigentlich sollte er Mutter draußen vor dem Stadttor beim Einfahren der Ernte helfen, aber heute galt seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Eintreffen der Marmorgarde. Für den Tag der Auszählung trug er sein bestes Kleidungstück. Er besaß nicht viel und konnte seine Habseligkeiten an einer Hand abzählen. Sein braunes Leinenhemd steckte tief im losen Hosenbund und flatterte im heißen Wind. Mit bedächtigen Schritten schlurfte er an verschiedenen Ständen vorbei und seine abgehalfterten Ledersandaletten streiften das Pflaster. Staub wirbelte auf und die unterschiedlichsten Gerüche durchzogen die Luft.
Es wurde ein schier endloses Sortiment an Waren und Gütern feilgeboten. Die Marktschreier priesen teils süße, teils modrig riechende Gewürze aus den fernen Ländern der Mayuri oder exotische und farbenfrohe Stoffe aus den Grünebenen an. Egal nach was man suchte, hier war alles zu finden. Unter den Augen der Stadtwache wurde schwarzgebrannter Sué herumgereicht und mit vorgehaltener Hand getrunken. Hinter verschleierten Seidentüchern nahm er die Silouetten sich räkelnder Freudengebieterinnen wahr.
Sie waren nackt und kicherten unschuldig, während sie ihm zuwinkten und ihren Körper darboten. Er sah hübsche Frauen aus den Ländern des Kha mit ihrem feuerroten Haar oder verzückt dreinblickende Mädchen aus Anthraxia. Sie wiegten sich in Kissen und luden zu sich ein. Auch Knaben stellten sich zur Schau und gaben breitbeinig den Blick auf ihre Männlichkeit preis. Yargo ekelte sich vor dem Gedanken daran sich selbst derart darzustellen. Wie konnten Menschen sich so erniedrigen lassen? Die Menschen um ihn herum lachten und ergötzten sich an der Vielfalt. Sie vergnügten sich und trugen ihre Lust in der Öffentlichkeit aus. Es stank nach altem Schweiß und die Geräuschkulisse dieses Marktabschnittes war nicht angenehmer für seine Ohren. Es war laut. Er kämpfte sich durch nackte Menschen und mühte sich damit ab den Inhalt seines Magens für sich zu behalten. Der Kratspieß war nicht günstig gewesen und er hatte seine letzten Kupferlinge dafür ausgegeben. Es wäre zu schade gewesen.
Er ging weiter und atmete dabei angestrengt durch den Mund. Mitten in der Menge fremder Menschen fiel es schwer sich zurechtzufinden, aber er kannte die Wege und machte einen Bogen um manchen zwielichtigen Stand. Er war froh, dass er sich auskannte. Ein Fremder verirrte sich schnell und wer sich hier verirrte, der tauchte selten wieder auf. Jedenfalls nicht am ganzen Stück.
Aus den Augenwinkeln betrachtete er das Federkleid eines Paradiesvogels, welcher in einer schmalen Voliere auf seiner Stange auf und ab wippte. Sein Gefieder glänzte kunterbunt. Einen solchen Vogel hatte er noch nie zuvor gesehen. Er tat ihm Leid. Niemand hatte es verdient so einzwängt zu sein und sei es ein Tier. Yargo schüttelte sich und warf ihm die Reste seines Spießes zu. Begierig verschlang der Vogel das Fleisch und krächzte dabei. Der missmutige Verkäufer gestikulierte wild mit seinen Armen und schrie etwas in einer unverständlichen Sprache. Die Klicklaute, die er dabei ausstieß klangen hölzern.
Yargo schenkte ihm keine Beachtung und bog nach links in ein schmales Seitengässchen ein. Er trieb sich gerne an solchen Orten herum. Hier war er ungestört und für sich allein. Sofort dämpfte sich die Geräuschkulisse. Die Flut an Sinneseindrücken ebbte ab und wandelte sich. Nun stank es nach Pisse und er setzte seine Schritte mit Bedacht, damit seine Füße nicht mit dem Unrat der Gosse in Berührung kamen. Normalerweise achtete er nicht darauf, aber heute wollte er gut aussehen. Der Uringestank verpestete die Atemluft und der Ammoniakgeruch setzte sich in der Nase fest, doch er lächelte. Heute war sein Tag.
Er warf einen Blick über die Schulter, blieb stehen und fuhr sich durch die blonden Haare. Die Gasse war leer. Direkt vor ihm befand sich eine kleine Spelunke.
Lässig lehnte er sich an die hölzernen Streben des Türrahmens, griff in seine Tasche und zog einen Glimmstängel hervor. Mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht entzündete er ihn und füllte seine Lungen mit Qualm. Glimmstängel stellten eine vorzügliche Alternative zum aus der Mode gekommenen Pfeifenkraut dar und günstiger waren sie allemal. Sie bestanden aus in Papier eingewickelten Kräutern und schmeckten nach Sommer. Er mochte den Geruch von Feuer und Glut. Schon früher half er Vater beim Feuern des Kamins. Er war sehr stolz auf ihn gewesen. Yargo schmunzelte.
Ein Geräusch schreckte ihn aus seinen Gedanken und er fuhr zusammen. Die Tür der Taverne öffnete sich und schwang auf. Vor Schreck fiel ihm der Glimmstängel aus dem Mund. Eine raue Stimme ertönte.
„Hab‘ ih es nich‘ gesagt du Taug‘nihts! Lass noch einmal was fall’n und ih schlag‘ dir persönlih dein hübsches Gesiht zu Brei, Rotznase!“
Yargo trat blitzschnell zur Seite und passte auf, dass er nicht den Weg versperrte. Er wollte keinen Ärger.
Ein kleiner Junge mit filzigem Haar und beschmutzter Schürze stolperte ins Freie und schlug die Hände über den Kopf. Er zählte höchstens dreizehn Sommer und ihm wuchs nicht einmal der erste Flaum. Yargo wusste genau, was ihn erwartete und erschauerte.
Ein Fußtritt des erzürnten Wirts beförderte den Jungen mit dem Gesicht voran in den Dreck. Ein lautes Schmatzen erklang, als der Kopf des Jungen auf dem Boden und in der Kloake auftraf.
„Stinkender Bastard! Zu faul zum Arbeit’n und zu nihts nütz' bist du auh noh. Wofür hab ih für deinen Arsch bezahlt? Du kanns' gleih deiner Mutter Gesellschaft leisten.“ Das Schnauben des Wirts erinnerte Yargo an das Gebärden eines brünstigen Kratbullen.
Der Wirt war ein Hüne. Man sah ihm die grobe Arbeit in der Küche an. Seine gewaltigen Hände waren es gewohnt Fleisch zu bearbeiten. Vermutlich schlachtete er sein Wild selbst. Sein Gesicht lag im Schatten der Tür und seine massigen Schultern bebten vor Zorn, als er auf den Jungen zuschritt. Dabei krempelte er den groben Stoff seiner Arbeitskleidung nach oben.
Der Junge stützte sich auf seine Arme, versuchte aufzustehen und zuckte schmerzverzerrt auf. Der Tritt in den Rücken hatte ihm mehrere Rippen gebrochen und die Verletzung machte ein Fluchtvorhaben unmöglich. Hektisch blickte er sich um und suchte nach einem Fluchtweg. Die Gasse war lang, dunkel und versperrte die Sicht auf den Marktplatz. Er konnte diesen unmöglich rechtzeitig erreichen. Es musste einen anderen Ausweg geben. Seine furchterfüllten Augen huschten von rechts nach links und glitten auf der Suche nach einer Waffe über den Boden. Sein Überlebenswille war stark. Er wollte überleben. Seine Finger gruben sich in den Dreck und kratzten über die Steine, während der Wirt immer näher kam. Der Junge keuchte vor Schmerz und atmete flach. Er handelte instinktiv. Mit einem verzweifelten Satz versuchte er erneut aufzustehen und hielt sich dabei die pochende Seite.
Doch die Bewegungen des Wirts waren weniger behäbig als es sein Körperbau erahnen ließ und flink schloss sich eine seiner Pranken um den dünnen Arm des Jungen. Er nahm Anlauf und schmetterte ihn an die Wand. Mit einem Knacken brach der Arm und der Junge schrie auf. Schmerzen schossen über den geschunden Arm hinauf in den Kopf und benebelten seine Sinne. Mit der anderen Hand formte der Wirt eine Faust und rammte sie ihm in den ungeschützten Magen. Der Junge ächzte und spuckte auf den Boden. Mühsam schnappte er nach Luft, aber er hatte keine Zeit seine Lungen zu füllen.
Mit einem Krachen prallte sein Torso erneut an die Wand, als der Koloss ihn herumwarf und gegen die Steine schleuderte. Aufjaulend sank der Junge zu Boden und kugelte sich ein, während weitere Tritte seinen Bauch trafen. Er rollte sich zusammen, bedeckte seinen Kopf mit den Händen und versuchte dem Wirt keine Blöße zu geben. Mit jedem Tritt spürte er wie etwas in ihm zerbrach und seine inneren Organe Schäden davontrugen.
Der Wirt versank in einen Rausch und unterstrich jeden seiner Angriffe mit einem entzückten Ausruf. „Tanz‘, Tanz, Tanz!“
Yargo zuckte beim Klang der Tritte zusammen, welcher lediglich vom Wimmern des Jungen und dem Lachen des Wirts unterbrochen wurde. Die Tritte folgten keinem raffinierten Muster. Willkürlich stieß der Wirt seine schweren Füße gegen Rücken, Bauch, sowie Körper des Jungen und ein Glänzen funkelte in seinen Augen.
Als er endlich aufhörte, beugte er sich mit dem Oberkörper nach unten und flüsterte dem Jungen etwas ins Ohr. In routinierter Bewegung packte er ihn am schlammverschmierten Kragen und zog ihn in die Höhe. Seine Hände streichelten fürsorglich das geschundene Gesicht des Jungen und er wischte ihm mit einem Finger den Unrat aus dem Gesicht. An der Schürze strich er sich diesen ab. Dabei pfiff er freudig und summte vor sich hin.
Yargo hörte wie der Metzger leicht schnaufte und Atem holte. „Woll’n wir?“
Dann umfasste er den Kopf des Jungen und knallte ihn gegen die Mauer. Dessen Lieder flatterten und seine Augen rollten nach hinten in den Kopf, während sein Torso erschlaffte und die Arme frei in der Luft baumelten. Der Wirt spannte seine Muskulatur an und drückte zu. Der kleine Schädel des Jungen wehrte sich vehement gegen die rohe Gewalt, doch es war ein verlorener Kampf. Die Augen des Jungen traten hervor und füllten sich mit Blut. Nun strömte das dunkelrote Blut auch aus Nase und Ohren. In Sturzbächen floss es aus den verschiedenen Körperöffnungen und benetzte die gegerbte Haut des Wirts. Plötzlich gab der Knochen nach und der Schädel wurde wie eine Melone zusammengefaltet.
Yargo fuhr zusammen, als der Kopf zermalmt wurde. Rote Flüssigkeit ergoss sich über den Hünen und beschmutzte dessen Schürze. Der Torso des Jungen zuckte kurz und seine Blase entleerte sich, während ihn schlagartig jegliche Kraft verließ. Wie eine Puppe warf der Wirt den leblosen Körper von sich und drehte sich zu Yargo um.
Er leckte sich mit seiner Zunge die Finger und kicherte vor sich hin. „Was’n los Junghen? Du hast alles mit angeseh’n, nicht wahr?“
Der Atem des Wirts ging schwer und seine Brust hob und senkte sich sichtbar. „Wenn du möhtest find‘ ih für dih auh einen Platz in der Gosse.“
Yargo sog Luft ein und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. „Mit Euren Streitigkeiten habe ich nichts zu tun, Wirt. Es ist nicht meine Art mich in die Geschäfte anderer einzumischen. Lasst mich meiner Wege ziehen.“
Der Wirt schaute unverständlich drein und schenkte Yargo keine Beachtung, aber seine Mundwinkel schnellten nach oben. „Heute war nich‘ mein Tag und du kannst etwas für mich tanz‘n, verstehs‘ du? Das maht mir den Kopf frei.“
Ein kalter Schauer durchfuhr Yargos Brustbereich und er war starr vor Schreck.
Entzückt von seinen eigenen Worten gluckste der Wirt und verschränkte seine Arme. „Weißt du was ih denke? Ih denke, dass du mih verarshen willst. Aber bei mir funktioniert das nich‘. Komm schon kleiner Mann, tanz‘ für mich. Du willst es genauso wie ih es will. Du willst mich glücklih mah’n, niht wahr?“
Seine Worte säuselten und hallten in der engen Gasse dumpf wider. Die Stimme klang bedrohlich. Seine fleischigen Hände spielten mit den aufgenähten Taschen seiner besudelten Schürze und er machte einen Schritt auf Yargo zu. Seine Augen waren glasig und trübe, benebelt vom Blutrausch.
„Wieso sagst’n nihts? Mutter wollte auch immer tanz‘n mit mir, aber sie ist fort. Also musst du das für mih mach’n.“, sagte er.
„Ihr missversteht mich, Wirt. Es war nicht meine Absicht Euch zu behelligen.“, erwiderte Yargo und senkte seinen Blick zu Boden.
„Is‘ das so? Wieso warst’n du dann hier und has‘ zugeshaut? Lüg mich nich‘ an kleiner Mann.“, antwortete der Wirt und stierte in Yargos Richtung.
Ihm wurde mit erschreckender Erkenntnis bewusst, dass Worte an dem massigen Fleischkoloss reine Verschwendung waren. Der Wirt war schwachsinnig und konnte nicht entscheiden was richtig und falsch war. Sein Geist war schon lange verfallen und das Böse haftete ihm anheim. Sollte der Wirt ihn erreichen, würde Yargo das gleiche Schicksal wie der Junge erleiden. Bevor der Wirt reagieren konnte, klaubte er braunen Schlamm aus der Gosse auf und schleuderte diesen mit voller Wucht in das aufgedunsene Gesicht des Wirts.
„Verdamm‘!“ Der Wirt schrie auf, taumelte und versuchte sich mit seinen Händen zu schützen. Er schäumte vor Wut, versuchte das stinkende Gemisch wegzuwischen und rieb sich mit diesem Versuch den Schmutz nur tiefer in die Augen.
Er krächzte auf. „Du miese kleine Ratte. Ih bring dih um.“
Wild schlug er um sich und sein massiger Körper wankte.
Yargo wirbelte herum und flüchtete. Er rannte um sein Leben. Seine Füße achteten nicht auf den Dreck, der sich am Boden befand und während er durch die versiffte Gasse rannte, spritzte Schlamm auf. Er stolperte und fiel auf das Pflaster. Die rauen Steine zerschrammten seine Knie, aber er nahm nichts wahr. Sofort rappelte er sich wieder auf und hastete weiter. Hinter sich erklang das Toben und Zetern des Wirts, welcher vor sich hin brabbelte und ihn lautstark beschimpfte.
Die Lautstärke nahm ab und Yargo wagte es einen Blick über die Schulter nach hinten zu werfen. Der Wirt war ihm nicht gefolgt, sondern kniete auf dem Boden und hielt sich das Gesicht, während er vor sich hin stöhnte. Vor ihm lag in einer Blutlache der kleine Junge auf dem Boden.
Vermutlich war er ein Straßenjunge gewesen, der kurzfristig Arbeit in einer üblen Spelunke gefunden hatte und diese bitter mit seinem Leben bezahlen musste. Sein zerbrechlicher Körper würde niemals ein Grab finden und keine Träne würde für ihn vergossen werden. Die Kinder der Straße hatten für gewöhnlich keine Familie mehr. Die Waisen schlugen sich als Tagelöhner durch oder hielten sich mit schmutziger Gelegenheitsarbeit über Wasser. Nicht selten verkauften sie ihre Körper oder begaben sich selbst in Sklaverei um dem Elend der Gossen nur ein winziges Stückchen zu entfliehen. Unter dem Tisch wurden sie wie Hehlerware gehandelt und als Vieh verscherbelt. Sie besaßen keine hohe Lebenserwartung und konnten froh sein, wenn sie ihren sechzehnten Sommer erlebten. Das Leben auf der Straße war hart und unerbittlich. Hier herrschte das Gesetz der Stärkeren, und die Schwachen wurden zerquetscht wie Käfer in einer Kornmühle. Man durfte keine Blöße zeigen, sonst verschlang einen die Stadt. Was einmal verschwand, tauchte nie wieder auf.
Yargo schöpfte neuen Atem und bemühte sich seine Mitte zu finden, während er den Weg zurück wählte.
Die Stadt widerte ihn an. Aplexis war eine Brutstätte der Gewalt, Unzucht und Verdorbenheit. Das war einer der Gründe, weshalb er sich der Marmorgarde verpflichten wollte.
Die Elitetruppe des Obersten Prinzipals befand sich in der Machtposition die Verhältnisse des Reiches nachhaltig zu verändern. Vater selbst stellte sich kurz nach Yargos Entbindung in die Dienste der Garde. Das war vor siebzehn Sonnenwenden gewesen. Yargo brannte darauf ihn wiederzusehen. Er wollte dessen Ruhm gerecht werden und dafür musste er sein Leben den Marmorierten widmen. Für sie musste Vater von unschätzbarem Wert sein, sonst wäre er aus seinen Diensten zurück nach Hause versetzt worden. Mutter missbilligte sein Vorhaben, aber das war unwichtig. Jena würde für sie sorgen, solange er auf Reisen war und Abenteuer erlebte.
Ihm war durch die Flucht leicht schwindlig und er verlangsamte sein Tempo. Nach kurzer Zeit verließ er die dunkle Seitengasse und setzte seinen Fuß zurück auf den lärmenden Marktplatz.
Der Stand der Sonne war kaum merklich verändert und tauchte den Platz in helles Licht. Er bemühte sich im Schatten der über den Ständen befestigten Sonnensegel zu bleiben und schwenkte im Zick Zack von rechts nach links. Dabei schwitzte er und sein Hemd klebte nass auf seiner Brust. Es war ungewöhnlich warm zu dieser Jahreszeit. Die steinernen Bodenplatten sonderten Hitze ab und die Bewohner Aplexis trugen dünne Kleidung.
Am anderen Ende des Platzes standen drei Priester des Khabos und selbst diese trugen ihre rot ausstaffierten Mäntel offen. Dabei waren sie sonst zu jeder Gelegenheit darauf bedacht Protz und Reichtum auszustrahlen. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf gebunden und mehrere Leibeigene fächerten ihnen Luft zu. Die Hitze verwandelte selbst die unantastbaren Vorsteher des Khabossyndikats in gewöhnliche Menschen. Die Vorstellung brachte ihn zum Grinsen.
Er wischte sich eine Schweißperle von der Stirn, schritt zielstrebig durch die Menschenmenge und achtete darauf die Blicke der Priester nicht zu kreuzen. Die Auszählung wollte er nicht verpassen und auf weiteren Ärger verzichtete er gerne. Seine Kleidung war nach den Strapazen der vergangenen Stunde dreckig und er fühlte sich schäbig, aber dem Eintreffen der Garde durfte er unter keinen Umständen fern bleiben.
Er passierte die Pfeiler des Markttors und pfiff leise aus. Eine bunt zusammengewürfelte Menschentraube hatte sich um die hölzerne Erhebung des Vorplatzes gebildet und blickte gespannt zu einer darauf aufgebahrten Empore.
Die Auszählung begann.