Ich starre auf diese blöde Türe.
So was nennt man dann wohl „bestellt und nicht abgeholt“, oder?
Wie lange warte ich nun schon hier, vor der verschlossenen Türe? Vermutlich sind es nur ein paar Minuten, aber mir kommt es wie eine Ewigkeit vor.
In der Nähe des Eingangs stehen drei Pinienbäume. So finde ich etwas Schatten, während ich weiter das Geschehen – genauer gesagt Nichtgeschehen - beobachten kann. Während ich gedankenverloren einen Pinienzapfen vom Boden aufnehme und in meinen Händen herumdrehe, wünsche ich mir, ich währe tatsächlich in Urlaub hier und müsste nicht dieses blöde Interview führen. Mir ist in den letzten Minuten die Lust dazu wirklich vergangen.
Andererseits ist es auch eine neue Erfahrung, auszuprobieren, ob man die einzelnen Samenschuppen herausdrehen kann, oder ob sie zu festsitzen.
Von irgendeinem altmodischen Butler die Tür vor der Nase zugeschlagen bekommen in der Absicht, den noblen Herrn vor unliebsamen Störungen zu schützen. Das kommt mir eher wie ein altmodischer Film vor als ein Erlebnis, das eine Reporterin einer monatlichen Zeitschrift erleben sollte.
Kräftig ziehe ich an dem Pinienzapfen.
Eureka! Man kann die Schuppen herausdrehen. Zumindest diese eine hier.
Ehe ich herausfinden kann, ob dies nur ein Zufallstreffer war, öffnet sich erneut die Türe und dieser Butler tritt hervor.
Suchend schaut er sich um. Rasch werfe ich meine Beute wieder auf den Boden und eile zu ihm herüber, bevor er verschwinden kann.
„Frau Helmstett“ spricht er mich an. „Herr von Wattenstein benötigt noch einen Augenblick. Er hat mich aber gebeten, sie so lange auf die Terrasse zu geleiten und Ihnen eine Erfrischung anzubieten“.
„Ja, es ist ja auch sehr heiß.“ kontere ich und ignoriere sein irritiertes Gesicht. Vielleicht findet er meine Antwort zu direkt, aber das kümmert mich jetzt auch nicht. „Zeigen Sie mir den Weg?“
„Natürlich. Wenn Sie mir eintreten wollen, Signorina?“
Er tritt zur Seite neben die Türe und deutet eine leichte Verbeugung an.
Ich bin vermutlich doch in einem Film.
Ich versuche, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen und stolziere an ihm vorbei. Es gelingt mir sogar, nicht zusammenzuzucken, als er die Türe kräftig hinter mir zuschlägt.
Der alte Mann läuft seitlich an mir vorbei. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, gnädige Frau?“
Oh Mann! Da muss ich mich wirklich zusammennehmen, um nicht mit den Augen zu rollen.
Was mache ich, wenn dieser Gregorius ebenfalls ein solch angestaubtes Verhalten an den Tag legt wie sein Angestellter? In seinen Romanen verwendet er ja auch eine sehr gewählte Sprache, deshalb ist oder war die Gräfin von Monte Christo ja auch so beliebt.
Oder jetzt Graf von Monte Christo? Oder Graf von Wattenstein? Keine Ahnung, unter welchem Namen er jetzt zukünftig seine Werke herausbringen wird.
Auf jeden Fall befürchte ich mittlerweile das Schlimmste, was das kommende Gespräch angeht. Von wegen Tür zur Karriere, das wird das Tor zur Hölle, wenn ich nicht aufpasse.
Schweigend und mit mulmigen Gefühlen folge ich dem Mann.
Erfreut stelle ich fest, dass Landhaus sehr freundlich eingerichtet ist. Keine wuchtigen und dunklen Möbel, sondern alles ist hell und freundlich eingerichtet. An den Wänden hängen mehrere Gemälde, die verschiedene Bilder von Italien darstellen. Hauptsächlich Landschaftsbilder aus Öl, aber ich finde auch Tuschezeichnungen und sogar ein abstraktes Bild, welches durch seine bunte und grelle Farbgebung hervorsticht. Zwei kleinere, mit Aquarellfarben gezeichnete Gemälde zeigen Rom und Florenz.
Weiter finde ich immer wieder gefüllte Blumenvasen oder andere Accessoires, die die ganze Einrichtung den richtigen Pepp verleihen und mich wieder zuversichtlich stimmen lassen. Wie es aussieht, ist mein Gastgeber doch nicht so angestaubt, wie es zu befürchten war. Das Verstaubte bezieht sich hoffentlich nur auf sein Personal.
Mein Vordermann öffnet eine Türe und wir durchqueren eine Art „Wohnzimmer“, ehe wir an zwei großen Flügeltüren ankommen. Vorsichtig werden sie geöffnet und ich folge nach draußen.
Die Terrasse ist sehr groß und voller kleiner und großer Kübelpflanzen. Auf der linken Seite findet sich ein großer Tisch mit entsprechenden Stühlen. Alle sind aus Holz und im typischen italienischen Stil. Eindeutig alles sehr hochwertig. Bequeme Sitzpolster laden zum Verweilen an und ich habe sofort das Bedürfnis, mich hinzusetzen.
Offensichtlich errät mein Begleiter diesen Wunsch, denn er frägt mich: „Haben Sie sich schon einen Platz ausgesucht, Frau Helmstett?“
Ich deute auf einen Platz, der mir geeignet erscheint. Der Angestellte nickt und zieht ihn höflich nach hinten, so dass ich mich bequem setzen kann.
Kaum habe ich mich hingesetzt, als sich der Butler auch schon verabschiedet, um die Erfrischungen zu besorgen.
Erleichtert lehne ich mich zurück und schaue mich auf der Terrasse um. Durch die Backsteinmauer ist es doch recht angenehm, die Terrasse liegt zur Hälfte durch ein gemauertes Dach ganz im Schatten. Die andere Seite wird durch eine große Jalousie, die mit einem schwarzen Stoff bezogen ist, bedeckt gehalten. Es ist die Seite mit den vielen Kübeln. Ich vermute, dass diese gegen Abend eingezogen wird, um den Pflanzen eine wenig Abendsonne zu ermöglichen.
Auf jeden Fall ist es ein sehr gemütliches und angenehmes Plätzchen. Es ist mir sogar fast zu schattig und kühl. Nachdem ich direkt aus der Hitze gekommen bin, ist es ein ziemlicher Temperaturunterschied, an den ich mich erst noch gewöhnen muss.
Ich schließe die Augen und versuche, mich zu entspannen. Ich atme einige Male tief ein und aus.
Nach einiger Zeit lässt mich ein klapperndes Geräusch aufhorchen. Ich öffne meine Augen, während ich meinen Kopf drehe.
Ich starre auf eine Frau, geschätzt mittleren Alters, die mit einem Tablett auf mich zukommt.