Ich blicke auf die Frau, die mich mittlerweile mit ihrem Tablett erreicht hat.
„Guten Tag, Signorina“ begrüßt sich mich lächelnd und stellt ihr Tablett vor mir ab. Sofort beginnt sie, den Tisch mit den mitgebrachten Utensilien zu bedecken: diverse kleine 0,2 Flaschen mit verschiedenen Getränken, dazu eine Schale mit Zitronenscheiben und eine Wasserkaraffe. Auch einen Krug voll mit Eiswürfel und einen großen Löffel zum Herausnehmen finde ich.
„Bitte suchen Sie sich passendes heraus, der Herr wird gleich kommen“ fährt sie mit ihrem süßen, italienischen Akzent fort. „Ich hoffen, Markus war nicht zu unhöflich?“ fragt sie besorgt.
„Markus?“ wiederhole ich ratlos.
„Markus, Ihnen hat aufgemacht die Türe?“ erklärt sie.
„Ach so, der Butler“ kombiniere ich. „Nein, war schon in Ordnung“.
„Sie müssen wissen, er ist schon sehr lange angestellt bei Herrn Gregorius und manchmal etwas altmodisch“ erwidert sie mit einem Achselzucken. „Aber er lieben unseren Herren sehr und kämpfen wie ein Löwe, damit il Signore Wattenstein genug Ruhe bekommt“.
Ich lächle freundlich. Diese kleine, etwas dicke Frau ist mir sehr sympathisch und ihr leicht verdrehtes Deutsch zusammen mit der italienischen Betonung lässt in mir nun doch so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen. Vielleicht kann ich es nutzen, um etwas über den Grafen herauszubekommen.
„Verzeihen Sie, Frau…?“
„Oh, nennen Sie mich Maria. Das genügen‘“.
„In Ordnung. Also Maria… ich soll hier ja ein Interview machen. Nun konnte ich leider nur sehr wenig über Ihren Arbeitgeber – also den Grafen – herausfinden. Können Sie mir helfen? Wie alt ist er eigentlich?“
Die Italienerin zuckt mit den Schultern. „Das ich nicht wissen. Ich seien erst seit einem halben Jahr hier arbeiten. Ich denke, Markus müsste das wissen. Oder Sie fragen ihn am besten selbst“.
Schade.
„Man hat mich scheinbar erst später erwartet. Wissen Sie, wo der Graf jetzt steckt?“ bohre ich weiter.
„Herr Gregorius öfter schlafen tagsüber und erst gegen Abend aufstehen“ verrät sie mir. „Er arbeiten normalerweise die ganze Nacht und schreiben an seinen Büchern“.
Ich nicke zur Antwort. Ein nicht ausgeschlafener Interviewpartner, nicht die besten Voraussetzungen. Andererseits, weshalb hat er dies meinem Chef nicht mitgeteilt? Wir hätten das Gespräch auch gerne abends halten können, dann hätte ich mich gleich darauf eingestellt. Andererseits, bei Nacht hätte ich hier in dieser verlassenen Gegend auch nicht fahren mögen.
„Meinen Sie, das ist ein Problem, dass ich früher gekommen bin?“ erkundige ich mich bei der Angestellten.
„Oh, no, Signoria. Der Herr nur müssen wach werden und sich frisch machen, dann eine Unterhaltung problemlos möglich. Er nur noch brauchen einen Moment“.
„Es macht mir nichts aus zu warten“ verrate ich. „Können Sie mir sonst noch etwas über Ihren Arbeitgeber erzählen?“
„Erzählen?“ wiederholt sie nachdenklich. „Eigentlich nicht viel, Signorina. Er seien ein sehr netter Herr, sehr wohlerzogen, nur etwas menschenscheu. Aber er schauen sehr gut aus, er Ihnen gefallen wird“ ergänzt sie schwärmerisch und ich bemerke, dass sich ihre Backen leicht gerötet haben.
Vielleicht verrückt, aber scheinbar ist diese ältere italienische Dame in ihren Boss verliebt. Soll mir auch egal sein. Aus diesem Grunde sollte ich nicht alles, was sie mir erzählt, auf die Waagschale legen.
„Der Herr scheint ein wirklich toller Mann zu sein“ ergänze ich daher vorsichtig. Mal schauen, was sie erzählt.
Die Frau nickt eifrig. „Oh ja. Ein Mann mit sehr guten Manieren. Er seien immer sehr zuvorkommend und nett zu mir. Zur Begrüßung beim ersten Mal er mir gleich gegeben hat einen Handkuss“ schwärmt sie und streicht gedankenverloren über ihren rechten Handrücken. „Er dies immer noch tuen jeden Tag, wenn wir uns sehen“.
Aha, ein kleiner Charmeur also. Ich sollte mich vielleicht vorsehen. Allerdings lasse ich mich normalerweise nicht so leicht um die Finger wickeln, insbesondere, wenn es um ein Interview geht. Wenn ich arbeite, bin ich sehr gewissenhaft bei der Sache.
„Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?“ frage ich weiter. „Irgendetwas, eine Vorliebe von ihm, oder etwas, was ihm nicht gefällt? Ich möchte ihn nicht unnötig verärgern“ erkläre ich.
„Nein, mir nichts fallen ein. Herr Wattenstein ist guter Unterhalter. Er nicht mögen schlechtes Benehmen und lautes Geschrei, daher sehr zurückgezogen denke ich. Die Leute heute oft sind sehr frech“.
Ich nicke. Da mag sie wirklich recht haben.
Ich möchte unbedingt noch mehr über den geheimnisvollen Grafen erfahren.
„Ich habe schon bemerkt, dass hier alles sehr schön hergerichtet ist, das Haus und die Terrasse hier. Haben Sie das hier alles eingerichtet Man bemerkt den guten Geschmack. Ein wirklich schönes Plätzchen hier draußen, und wirklich sehr kühl und schattig“.
Die Italienerin schüttelt den Kopf. „Nein, das schon so war. Aber der Herr brauchen ja auch den Schatten hier, wegen seiner Sonnenallergie“.
Bevor ich etwas darauf antworten kann, höre ich eine angenehme, tiefe Stimme hinter mir, die freundlich tadelt: „Aber Maria, was soll denn unser Gast denken, wenn du ihm gleich von meinem Leiden erzählst?“
Überrumpelt drehe ich mich um.