Auf einen angenehmen Abend“. Er hebt leicht sein Glas und prostet mir über die Entfernung her zu. Ich folge seinem Beispiel und bin auch erleichtert, dass Markus, der Butler, sich bereits wieder entfernt hat. Ich fühle mich ungezwungener ohne seine Anwesenheit.
Ich habe mich für einen Chianti Classico entschieden. Ob das wirklich ein leichter Wein ist, bezweifle ich, aber ich liebe diese Weinsorte und sie ist natürlich auch passend für meinen Aufenthalt hier in Italien.
Ich nippe an meinem Glas und beobachte, wie er selbst einen Schluck nimmt und sein Gefäß wieder auf den Tisch stellt. Kurz nimmt sein Gesicht einen beseelten Ausdruck an – das Wort scheint mir an dieser Stelle irgendwie passend – ehe es wieder zu seiner freundlichen Miene zurückkehrt.
Ich selbst überlege gerade, ob die Situation für mich doch unangenehm werden könnte, wenn er den ganzen Abend trinken sollte, als er anfängt, zu lachen.
Ich erwähnte ja schon, dass er eine angenehme, dunkle Stimme hat. Diese kommt nun durch sein Lachen noch mehr zur Geltung. Es ist keine Häme oder Schadenfreude darin – einfach ein befreiendes Lachen, in welches man einstimmen möchte, ohne den Grund zu kennen.
Ich unterdrücke diesen Impuls jedoch und warte ab. Es geht auch nicht lange, und er wird wieder ernster und schenkt mir wieder sein einnehmendes Lächeln.
Es ist offensichtlich, dass ihm dieser kleine „Gefühlsausbruch“ gutgetan hat. Sein Gesicht ist nicht mehr ganz so blass, sondern hat zumindest ein wenig Farbe angenommen, und er wirkt gelöst auf mich. Auch bilde ich mir ein, dass die kleinen Lachfältchen neben seinen Augen immer noch leicht zu sehen sind.
„Sie müssen mich für einen Alkoholiker halten, Viktoria, oder?“ möchte er gut gelaunt wissen.
„Nein, wo denken Sie hin, Gregor“ widerspreche ich energisch. Ich lüge nicht gerne, aber in der Situation ist das unumgänglich.
Der Mann schüttelt leicht den Kopf. Es wirkt fast ein wenig tadelnd. „Auch wenn Sie mich nicht dafür halten…“, er grinst für einen kurzen Moment, „so habe ich doch das Bedürfnis, es Ihnen zu erklären. Hätte ich Alkohol gebraucht, so hätte ich eine Flasche mit Ihnen gemeinsam öffnen können, meinen Sie nicht?“
Ich zögere kurz, muss ihn dann aber zustimmen. „Ja. Da haben Sie recht“.
„Ich kann Ihnen versichern, es ist kein Alkohol. Wegen meiner Erkrankung muss ich das Sonnenlicht meiden, daher nehme ich unter anderem Vitamin D ein“.
Er wirkt mit einem Male sehr nachdenklich und auch ein wenig bedrückt, ehe er fortfährt: „Ich möchte Sie bitten, meine Erkrankung in Ihrem Interview nicht zu erwähnen“.
„Natürlich nicht, Gregor. Bei solch privaten Dingen würde ich, sofern ich darüber schreiben würde, Sie auf jeden Fall vorher fragen. Und meines Wissens erhalten Sie vor der Veröffentlichung meinen Entwurf“ beruhige ich ihn.
„Ja, das stimmt. Und meine Menschenkenntnis sagt mir, dass ich mich auf Ihr Wort verlassen kann. Ich habe Markus die Einzelheiten festlegen lassen, daher entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht alle Details im Kopf habe“ erklärt er, nun wieder entspannter. „Sie müssen sich aber wirklich keine Gedanken machen. Neben dem aufgelösten Vitamin D befinden sich nur gesunde Dinge in diesem Drink, zum Beispiel Eisen, Trauben, Blutorangen oder Cranberries. Ich glaube, so eine Pflanze oder Granulat namens Blutwurz ist auch noch dabei, aber legen Sie mich nicht darauf fest. Ich selbst darf gar keinen Alkohol trinken, genieße diesen Potpourri aber immer in einem großen bauchigen Glas da ich mir einbilde, dass er dann besser schmeckt“. Wie zur Bestätigung schwenkt er die Flüssigkeit in seinem Glas ein wenig, bevor er erneut davon trinkt.
Nun bin ich diejenige, die grinsen muss. Er möchte mich vermutlich provozieren und zeigt mir durch diese Geste, dass er mich durchschaut hat als ich geleugnet hatte, ihn für einen Alkoholiker zu halten.
Allerdings macht mich seine Aussage auch nachdenklich. Hatte demnach der Butler darauf bestanden, dass der Graf nur von einer weiblichen Person interviewt werden sollte? Oder was das eine Anweisung von Herrn Wattenstein selbst? Letzteres scheint mir das wahrscheinlichere zu sein.
Ich werde der Sache später auf den Grund gehen.
Ich nehme einen großen Schluck von meinem Wasser und schlage vor: „Am besten, Sie geben nachher einfach den Startschuss, wenn wir mit dem Interview anfangen sollen. Ich kann die Aufnahmefunktion von meinem Smartphone nutzen, das ist vom Ablauf her am einfachsten“. So, gut abgelenkt und das Thema gewechselt.
„Ich denke, wir unterhalten und einfach gemütlich und wenn wir auf ein Thema kommen, was sich für Ihr Magazin eignet, schreiben Sie es auf“ kommt sein Gegenvorschlag. „Dann sehe ich, was Sie verwenden möchten und wir können unnötig viel Korrekturarbeit für Sie vermeiden, da ich gleich einschreiten kann, wenn es mir unpassend erscheint. Viktoria, Sie haben doch sicher Papier und Stift dabei?!“
Ich bin verblüfft und atme erst einmal tief ein und aus, ehe ich antworte:“ Ja, habe ich, für Notfälle, wenn der Akku meines Handys schlappmacht. Normalerweise nehme ich das Gespräch einfach auf, wie ich schon sagte“.
„Ich kann mich nicht entspannt mit Ihnen unterhalten, wenn ein Apparat mitläuft und alles aufzeichnet“ erklärt er mit fester Stimme. „Aufschreiben mag in Ihren Augen altmodisch sein und Sie haben nicht ganz unrecht, aber anders werden Sie nicht an Ihr Interview kommen, Viktoria“.
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Nun doch alles ganz harmlos?
Wer weiß.
Ich schreibe gerne etwas geheimnisvoll, das macht mir großen Spaß, daher ist diese Geschichte irgendwie typisch für mich.
Ich versuche, bald weiterzuschreiben, die Kapitel sind ja doch eher kurz.