Ohne Zweifel will er mich provozieren. Andererseits habe ich auch das Gefühl, dass er die Frage bewusst ein wenig überspitzt und ins Lächerliche zieht. Vielleicht möchte er überspielen, dass ihm die Suche nach einer festen Partnerin doch sehr wichtig und ernst ist.
Auf jeden Fall brauche ich erst mal nicht zu antworten, da nun der Butler wieder zu uns kommt. Irgendwie scheinen sich hier Dinge ein wenig in ähnlicher Weise zu wiederholen.
Das erinnert mich fast ein wenig an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Diesmal trägt der Diener ein leeres Glas und zwei Krügen voll Wasser, wie es scheint.
Allerdings sehen die beide Krüge verschieden aus – einer gleicht dem, der bereits auf dem Tisch steht. Der andere ist dunkelrot, ebenfalls wie das leere Glas auf Markus Tablett.
Ohne weiteren Kommentar tauscht der Angestellte meinen Krug aus. Der rote Krug und Glas sind offensichtlich für Gregor bestimmt, da beide vor ihm abgestellt werden.
Dieser nickt. „Markus, bringst du uns noch den Umschlag mit den Unterlagen?“
„Sehr wohl“. Eine leichte Verbeugung in Richtung seines Arbeitgebers. Ich bekomme immerhin ein kurzes Kopfnicken. Und schon zieht sich der Butler wieder zurück.
Mein Gegenüber schenkt sich ein. Ich vermute, dass es sich um Wasser handelt. Kurz habe ich den Eindruck, dass die Flüssigkeit einen leichten Rotton aufweist, vermute aber, dass es sich dabei, hervorgerufen durch das rote Geschirr, um eine optische Täuschung handelt.
Kaum hat der Graf einen Schluck getrunken, als die Italienerin erscheint, eine Decke in der Hand.
„Maria, meine Liebe“. Der Adlige blickt sie freundlich an. „Vielen Dank. Die Decke ist für Fräulein Helmstett“.
Fräulein! Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Ja, er ist schon ein wenig altmodisch, mein Graf.
Die Frau wendet sich nun mir zu und lächelt freundlich. Es ist ein warmes Lächeln, das nicht nur aufgesetzt wirkt, sondern auch ihre Augen erreicht. „Signora, bitte schön. Ich hoffe, dass Sie haben nun warm“.
„Danke, Maria“. Es handelt sich um eine Wendedecke, auf der einen Seite dunkelrot, auf der anderen schwarz. Der Graf zieht die Sache mit seinen Lieblingsfarben wirklich gnadenlos durch.
Ich kuschle mich behaglich in das dünne Fleece. Auch wenn ich nicht wirklich friere, so ist es mit der Decke doch wesentlich angenehmer.
„Verzeihen Sie mir bitte, Viktoria. Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für einen schlechten Gastgeber. Ich selbst halte mich gerne in kühlen Räumen auf und hatte nicht bedacht, wie kalt es anderen hier vorkommen muss. Wie ich Ihnen schon sagte, ich habe selten Besuch“.
Bevor ich etwas darauf sagen kann wendet er sich der Bediensteten zu, die immer noch abwartend dasteht. „Maria, hast du soweit alles vorbereitet?“
„Sie, Signore Graf. Es ist bestellt so alles, wie Sie es haben wünschen“.
„Sehr schön. Wie sieht es sonst mit der Arbeit aus? Bist du in etwa zwei Stunden fertig? Ich fürchte, ich brauche heute noch deine Hilfe, meine Liebe. Es geht leider nicht anders“.
Überrascht registriere ich, wie die Frau den Blick verlegen senkt. Eine leichte Röte erscheint auf ihrem Gesicht. „Natürlich, Herr Graf, ich zur Verfügung Ihnen stehen“.
Wie soll ich das verstehen? Wenn ich mir ihre Reaktion so ansehe, liegt es nahe, dass sich beide schon nähergekommen sind. Wie sagte er so schön? Er sei kein Kostverächter, oder etwa nicht?
Es sollte, es muss mir egal sein. Trotzdem stößt es mir sauer auf, dass dieser Mann womöglich ein Verhältnis mit ihr hat. Das gefällt mir ganz und gar nicht.
Umso erstaunter bin ich von seiner Reaktion.
„In zwei Stunden. Oben, in meinem Büro. Ich verspreche dir, es geht nicht lange, ich werde es kurz machen“ sagt er mit resignierter Stimme. Ich habe den Eindruck, dass er ein Seufzen unterdrückt und die Bitte offensichtlich selbst ungern stellt.
„Das kein Problem“. Sie hat ihre Verlegenheit scheinbar etwas überwunden, zumindest senkt sie ihren Kopf nicht mehr und sucht nun wieder seinen Blick.
So wie er klingt, scheint es – zumindest für ihn - ja nichts Angenehmes zu sein.
Habe ich mich geirrt? Haben Sie doch nichts miteinander?
Ich hoffe es.
Als ich sie nun möglichst unauffällig von der Seite betrachte, sehe ich, dass ihr Gesicht nach wie vor gerötet ist. Ihr scheint das Kommende, um was es sich auch immer handelt, ganz und gar nicht zu stören. Sie scheint sich stattdessen zu freuen und ergänzt: “Es ist Freude, helfen zu können Ihnen“.
„Ich weiß, ich weiß“. Er wirkt fast ein wenig ungehalten. „Und vergiss nicht wieder, das Taxi zu bestellen. Also vorher“.
„Nein, Herr Graf“.
„Das ist alles im Moment“. Er wirkt nun wirklich unwirsch und wäre das jetzt nicht so lächerlich könnte ich wetten, er will sie loswerden.
Hat er etwa Angst, sie könne etwas ausplaudern, was nicht für meine Ohren bestimmt ist?
Auf jeden Fall lässt sich Maria von all dem nicht beirren. Vermutlich ist sie dieses Verhalten von ihm bereits gewöhnt.
So lächelt sie uns beiden kurz zu, dreht sich um und verlässt die Terrasse.
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Nun gibt es doch noch vor der Pause ein Kapitel, aber mir war auf dem Weg zur Arbeit im Zug langweilig.
Wer vor dem 16.08., abends das vorherige Kapitel gelesen hat: ich habe keinen kleinen Fehler entdeckt und daher einen Satz eingefügt.