„So, das ist schon alles“. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Also los“.
Es ist wirklich nicht viel. Ein nicht allzu großer Koffer, zwei Kleiderbügel mit leichteren Kleidern, ein mittlerer Rucksack mit Schuhen sowie eine volle und eine halbvolle Plastikflasche.
Nein, es gab keine Explosion in meiner Abwesenheit.
Ich muss dem Butler zugutehalten, dass er keine Miene verzieht. Vermutlich rümpft er innerlich über meine warme Discounter- Wasserflasche die Nase und würde sie am liebsten zum Blumengießen verwenden. Oder besser noch in den Gully kippen.
Wortlos greift er jedoch zum Koffer und zum Rucksack. Rasch greife ich mir vorher noch die Kleiderbügel und die zwei Flaschen.
Weiterhin stumm eilt der Mann voraus, meinen Koffer hinter sich herziehend und einen Riemen des Rucksacks über der anderen Schulter. Für sein Alter ist er körperlich noch ganz schön fit, wie ich erstaunt feststelle.
Habe ich schon erwähnt, dass ich ihn nicht besonders leiden kann?
Während ich ihm weiter folge, passieren wir zuerst den Flur, den ich schon vom Weg zur Terrasse kenne. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass neben der Eingangstüre zwar einige Garderobenhaken angebracht, aber der dazugehörige Spiegel abmontiert wurde. Seltsam.
Ich werde Maria bei nächster Gelegenheit danach fragen.
Auch sonst kann ich auf unserem Weg, der wirklich stilvoll eingerichtet ist, kein Spiegel oder etwas dergleichen entdecken.
Wir gelangen zu einem gemauerten weich getünchten Torbogen, hinter dem eine recht schmale, recht neu aussehende Holztreppe in zwei Rechtskurven nach oben führt. Markus trägt meinen Koffer am Griff zügig nach oben. Was mich irgendwie auch erleichtert. Auch wenn er mir unsympathisch ist habe ich irgendwie ein schlechtes Gefühl dabei. Schließlich ist er ja nicht mehr der jüngste. Wenigstens ist mein Gepäck nicht allzu schwer.
Oben angekommen setzt sich der Stil der Einrichtung fest, allerdings ist der Gang schmaler. Auch hier keine Gegenstände, worin man sich spiegeln kann, soweit ich das auf den ersten Blick sehen kann. Die vorletzte Tür rechts ist unser Ziel.
„Gästezimmer“ lese ich. Es wurde mit schwarzer Farbe in geschwungenen Buchstaben aufgemalt. Ein paar gemalte Trauben samt den dazu gehörenden Blättern verzieren die Aufschrift.
Es ist eine einfache, dunkle und wie ich beim Öffnen durch Markus erahne auch schwere Türe. Deren Griff scheint aus Messing zu sein.
Ich betrete hinter ihm den Raum.
Meine vorübergehende Bleibe ist entsprechend dem ganzen Stil der restlichen Einrichtung eingerichtet. Also Möbel im Landhausstil. An der gegenüberliegenden Wand steht mittig ein großes Doppelbett. Auf jeder Seite sind zwei Kissen, ein quadratisches schwarzes und ein schmäleres in Rot. Die Bettwäsche ist von einem dunklen Rot, ebenso das Spannlaken.
Da werde ich mich heute Nacht breitmachen können.
Ansonsten scheint es links noch einen Nebenraum zu geben. Ein eigenes Bad?
Mein Begleiter hat mein Gepäck neben sich abgestellt. „Haben Sie noch irgendwelche Wünsche, Frau Helmstett?“
„Nein, danke.“
„Wenn etwas sein sollte, rufen Sie bitte.“ Er nickt kurz, um dann zu verschwinden.
Endlich kann ich mich in Ruhe umschauen.
Vorsichtig stelle ich meine Flaschen auf dem Boden ab und die Kleider hänge ich vorerst über einen der vier Stühle, die zu einem etwa 3,5 x 3,5 großen, quadratischen Tisch gehören, etwa mittig im Raum. Eine weiße Tischdecke ziert die Oberfläche, bestickt mit mediterranen Motiven wie Olivenbäume, Zypressen, Weinkrügen und toskanischen Häusern. Ausreichend Steckdosen in der Nähe sind vorhanden – ich könnte hier also problemlos mit dem Laptop arbeiten.
An der rechten Wand entdecke ich ein Sideboard mit einigen Früchten wie Pfirsiche, Trauben und Nektarinen, wie ich auf den ersten Blick sehe. In der großen Schale ist sicher noch anderes Obst.
Ich entdecke einen großen Spiegel gegenüber auf der anderen Seite. Er ist nicht an der Wand befestigt, sondern befindet sich auf einem großen Gestell mit kleinen Rollen, welches man deshalb ohne Probleme auch verschieben konnte. Er wirkt in seinem Alurahmen irgendwie deplatziert und wirkt für mich deshalb wie etwas, das man zuerst vergessen hatte und dann noch auf die Schnelle irgendwoher besorgt hatte. Alles ist im gleichen Stil eingerichtet und dann so ein modernes Teil?
Komisch.
Zunächst einmal ignoriere ich das Möbelstück und hole mir einen Pfirsich. Ich finde daneben noch ein einige Servietten. Da hat jemand doch tatsächlich mitgedacht. Ich gehe zum Tisch, setze mich und beiße in das gelbe Fruchtfleisch.
Während ich kaue, denke ich weiter nach. Das ist echt lange bis um acht Uhr, wenn ich mich wieder mit dem Grafen treffen werde. Wie soll ich die Zeit bis dahin am besten nutzen? Ich kann natürlich an meinem Artikel schreiben, die Zeit wird mir sicher nicht lange.
Aber bis dahin werde ich Hunger haben. Da wird das hier im Zimmer nicht reichen.