Ich gehe die Treppe nach unten zurück, um meine restlichen Unterlagen von der Terrasse zu holen. Während ich leise über den Flur laufe, höre ich Stimmen von einem Nebenraum.
„Markus, wie es ihm gehen?“
Es ist Maria, die spricht. Wen meint sie? Den Grafen? Und warum erkundigt sie sich nach seinem Befinden?
„Es geht ihm wieder besser. Aber er hat es vorgezogen, sich zurückzuziehen und das Interview mit der Reporterin abzubrechen.“
Abzubrechen?
Ja, Gregor war sehr blass gewesen und hatte unser Gespräch ziemlich abrupt beendet. Hing das mit seinem Gesundheitszustand zusammen? Und warum konnte er es so gut vor mir geheimhalten? Ich hatte keine Verhaltensänderung an ihm bemerkt. Außer seine schlechte Gesichtsfarbe.
Und die auch erst, als er sich anschickte, zu gehen. Dieser Gedanke ist unangenehm, aber leider wahr. War ich so unaufmerksam gewesen, oder hatte mich der Graf so gut getäuscht?
„Das sein jetzt wiederholt vorgekommen. Wieder sein ES nicht wirklich gut.“
Was meint sie mit ‚es‘? Und weshalb betont sie es so seltsam?
„Ich werde die Chargennummer überprüfen und nachforschen, damit es nicht wieder vorkommt. Wie gesagt, er ist auf dem Weg zur Besserung. Aber er wird mehr als sonst brauchen.“ 10.5g
„Ich wissen, Markus. Aber ich müssen zuerst noch erledigen Aufgaben“.
„Dann beeile ich. Ich möchte nicht, dass ihm noch schlechter geht.“ Markus seufzt so laut, dass ich es hören kann. „Du erinnerst dich an das letzte Mal, als wir zu spät reagiert hatten?“
Die Italienerin lacht freudlos. „Oh ja. Es furchtbar war!“
„Ja. Soweit sind wir zwar noch lange nicht, aber ich habe keine Lust auf eine Wiederholung. Also, ich forsche nach, damit wir besseren Nachschub bekommen und du sorgst dafür, dass es ihm besser geht. Hast du das?“
„Natürlich! Du mich nicht brauchen anzustarren. Ich wissen, was zu tun ist.“
Oha, Maria hört sich jetzt wirklich angepisst an.
Diese Unterhaltung ist aber auch wirklich seltsam. Offensichtlich war etwas an Gregors Medikamenten nicht in Ordnung. Aber weshalb reden beide fast wie in einer Art geheimen Code?
Ich hoffe nur, dem Mann geht es nicht allzu schlecht.
Ein schlechtes Gewissen breitet sich in mir aus. Wegen mir ist der Schriftsteller ja auch noch früher als gewohnt aufgestanden. Und ich war verstimmt, dass er so plötzlich aufgebrochen ist, dabei lag es vermutlich daran, dass er sich schlecht fühlte. Kein Wunder, waren seine Lippen so kalt. Der Mann scheint kränker zu sein, als er und seine Angestellten es mir mitteilen wollen.
Leider kann ich meinen Gedanken nicht weiter nachgehen. Jemand nähert sich dem Flur, vermutlich der Butler. Der sollte mich vielleicht besser nicht beim Lauschen erwischen.
Rasch eile ich rüber zur Terrasse und greife nach den Büchern. Soll ich jetzt gleich wieder zurück in mein Zimmer oder lieber ein wenig warten?
Ich entschließe mich, einen Augenblick auszuharren, ehe ich mich wieder auf den Weg mache. Vorsichtig und möglichst unauffällig kehre ich zu meinem vorübergehenden Schlafzimmer zurück.
Und ich habe tatsächlich Glück. Ungesehen erreiche ich das Zimmer.
Nachdem ich die Türe leise geschlossen habe, atme ich erleichtert auf.
Ich weiß selbst nicht genau, was mit mir los ist, aber ich habe irgendwie das Gefühl, etwas gehört zu haben, was nicht für meine Ohren bestimmt gewesen war und ich Probleme bekommen könnte, wenn dies herauskäme. Obwohl ich ja wirklich nicht absichtlich gelauscht habe.
Um mich abzulenken greife ich nach meinem Koffer und öffne ihn. Zwischen meiner Kleidung habe ich den Laptop deponiert. Das wird mir helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Und vielleicht ergeben sich während des Schreibens meines Berichts noch Fragen, die könnte ich dann direkt mit Gregor klären.
Natürlich habe ich damit meine Probleme damit nicht gelöst. Ich sollte bis heute Abend nicht nur etwas essen, sondern auch etwas trinken. Unten auf der Terrasse konnte ich keine Getränke mehr entdecken, die hat jemand, vermutlich Maria, bereits abgeräumt.
Ich werde dann wohl oder übel doch bei einem der beiden nachfragen müssen. Etwas Flüssigkeit brauche ich auf jeden Fall, auch wenn es hier in diesem Raum nicht allzu warm ist. Auf meine mitgebrachten Flaschen möchte ich nur im Notfall zurückgreifen – die lagen einfach zu lange im heißen Auto. Ein Kühlschrank wäre jetzt nicht schlecht.
Durch das ungewollte Mithören der Angestellten stellt sich für mich jedoch nun die Frage, ob das Gespräch mit Gregor später überhaupt stattfinden wird, wenn es mit der Gesundheit des Mannes so schlecht bestellt ist.
Mit einem leichten Seufzen verbinde ich den Laptop mit dem Strom – der Stecker passt doch tatsächlich ohne Adapter – klappe den Bildschirm hoch und betätige den Einschaltknopf. Der Computer fährt hoch und nach kurzer Zeit sehe ich auch die bekannte Windows- Oberfläche vor mir.
Irgendwie bin ich nun doch auch neugierig. Über die Netzwerksteuerung lasse ich mir anzeigen, ob entsprechende W-Lan Netze vorhanden sind.
Ich habe mehr damit gerechnet, keine zu finden. Umso überraschter bin ich, als mir doch tatsächlich ein solches angezeigt wird, sogar in guter Qualität und Funkstärke. Als mein Blick jedoch auf den Namen fällt, kann ich nichts anderes tun, als ungläubig auf den Bildschirm zu starren.
Das ist jetzt nicht sein Ernst, oder?