Ich kann nur noch flach atmen. Diese Position ist unangenehm. Vor allem jedoch ist es die Angst, die mich lähmt und mich nicht mehr klar denken lässt.
Seine Lippen berühren meinen Hals. Ich spüre seine spitzen Zähne, die er über meine Hautoberfläche gleiten lässt, ohne mich jedoch zu verletzen.
„Du riechst sehr gut, kleine Reporterin. Das ist mir gleich aufgefallen.“
Ich bringe nur ein leises Wimmern zustande.
In diesem Moment höre ich ein Geräusch. Ein Geräusch, das nicht zu dieser Situation passt.
„Schade“ höre ich seine Stimme in meinem Kopf. „Aber wir haben auch noch Zeit.“
Abermals dringt dieser Laut an meine Ohren. Es ist ein Klopfen.
„Signora Helmstett?“
Das ist Maria!
In diesem Moment ist alles vorbei. Perplex stelle ich fest, dass ich noch an dem Tisch sitze, vor dem Laptop. Mit großen Augen starre ich verblüfft zur Tür, an der erneut geklopft wird.
„Alles sein in Ordnung bei Ihnen?“
Wie bitte?
Entgeistert blicke ich mich um.
Gerade war der Graf doch noch da gewesen?
Nein, ich hatte ihn ja erst gesehen, nachdem ich meine Augen geschlossen hatte.
Alles nur Einbildung. Ein Traum, sonst nichts.
Nur warum war er dann so real?
„Signora, soll ich gehen Arzt holen? Geht Ihnen nicht gut?!“
„Nein, alles in Ordnung“ krächze ich zurück. Erstaunlich, dass ich überhaupt einen Ton herausbringe. Meine Kehle fühlt sich so was von trocken und rau an.
Ich räuspere mich. „Bitte, einen Moment!“
Ich merke, dass ich am ganzen Körper zittere. Auch schlägt mir mein Herz sprichwörtlich bis zum Hals. Dort, wo ich vor wenigen Minuten noch Gregors spitze scharfe Zähne gespürt habe.
Unsinn! Da war nichts!
Ich zwinge mich, ruhig ein- und auszuatmen, ehe ich zitternd ein „Herein“ über die Lippen bringe.
Schwungvoll wird die Türe aufgestoßen und die kleine Frau kommt herein. In der Hand hält sie einen DINA4- Umschlag.
„Das ich Ihnen geben soll. Herr Graf Ihnen sagen beste Wünsche und er freuen sich auf heute Abend“, plappert sie fröhlich drauf los und legt die Tasche auf den Tisch, ehe sie mich besorgt anschaut: „Oh, Ihnen wirklich nicht gut gehen, Signora?“
„Es geht schon. Ich fühle mich nur etwas schlapp, vermutlich von der Anreise“, lüge ich. Dass mir meine Fantasie einen Streich gespielt hat, braucht sie nun wirklich nicht zu wissen.
Die Italienerin nickt eifrig. „Das können gut sein. Ich Ihnen gleich bringen Kleinigkeiten zu Essen, es etwas lang sein bis heute Abend. Graf sagen, nicht dass Sie mir bis dahin fallen vom Fleisch.“ Sie kichert albern. „Er haben immer so passende Worte, Sie verstehen?“
„Ja“, bestätige ich, obwohl ich das absolut nicht tue. Allerdings beruhigt mich die Aussicht auf etwas Essbaren nun doch. Erstaunlich eigentlich, nach meiner Horrorfantasie, die ich gerade gesehen habe.
Wenn ich jedoch ganz ehrlich sein soll, war meine Angst eigentlich das Schlimmste an dieser Vision. Der Graf hat nicht schlecht ausgesehen, mit diesen dunklen und glänzenden Lippen. Und die Zähne. Wenn das nicht alles so schräg wäre würde ich sagen, der Mann sah sogar unheimlich sexy aus, mit diesen Fangzähnen. Und als sie meinen Hals berührt hatten – es fühlte sich fast zärtlich an.
Trotzdem bin ich froh, dass sie durch ihr Klopfen meinen Tagtraum unterbrochen hat. Die Vorstellung, wie es weitergegangen wäre und er mich gebissen hätte -darüber denke ich lieber nicht nach.
Vielleicht bin ich einfach überarbeitet. Ich sollte dringend kürzertreten oder mir doch professionelle Hilfe suchen. Gerne gebe ich es nicht zu, aber diese Umgebung scheint etwas in mir auszulösen. Irgendwelche irrationale Ängste, die dazu führen, dass ich mich in diese Vampirgeschichte hineinsteigere und Dinge sehe, die gar nicht da sind.
Ob das verdrängte Kindheitserinnerungen sind?
Ich schüttle verärgert den Kopf. Nein, ich habe keinen „an der Klatsche“. Trotzdem, ich muss das zu Hause abklären.
„Seien wirklich alles in Ordnung?“ fragt mich die Angestellte besorgt, die mein Kopfschütteln wohl falsch verstanden hat.
„Ja, keine Sorge“, wimmle ich ab. Es gelingt mir glücklicherweise, die Erinnerung einigermaßen auf die Seite zu schieben. „Können Sie mir vielleicht auch etwas zum Trinken bringen?“ frage ich vorsichtig nach.
„Oh, Markus das Ihnen nicht gesagt? Sie wissen, der gnädige Herr haben selten Besuch. Aber oft Kühlschrank vonnöten, wenn dann doch jemand hier. Für Sie ich habe befüllt, es sein wie eine Minibar. Ich Ihnen zeigen.“