„Hier, Signorina, Kühlschrank“.
Alleine hätte ich ihn wohl nicht ohne weiteres gefunden, da er gut in das Möbelstück integriert ist. Die Front unterscheidet sich in keiner Weise von den anderen Schubladen und Fächern. Wer würde auch in der größeren Kommode neben dem Bett so etwas vermuten?
Der Kühlschrank ist erstaunlich leise und auch das sonst typische Brummen kann ich nicht hören, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Wäre der Gedanke nicht so abwegig würde ich behaupten, dass dieses technische Gerät versteckt werden soll. Das alles wirkt wie eine Tarnung.
Die Frau hat nun die Tür geöffnet. Ich entdecke eine große Anzahl an Mineralwasser und Softgetränken. Ganz ähnlich wie die auf der Terrasse.
Was mich jedoch etwas stört ist ein starker Zitronenduft, der mir entgegenströmt. Ich habe nichts gegen diese gelbe Frucht, ganz im Gegenteil – aber hier kommt der Geruch von einem künstlichen Duftstein, der für das kleine Gerät einfach überdimensioniert ist und viel zu penetrant riecht. Man kann erkennen, dass hier erst geputzt wurde, trotzdem kann ich vereinzelt rote Flecken entdecken, die den weißen Kunststoff verfärbt haben und sich offensichtlich nicht mehr entfernen lassen.
Da ich ein neugieriger Mensch bin beschließe ich in diesem Augenblick, mir später genauer unter die Lupe zu nehmen.
Nicht jetzt.
Daher nicke ich der Italienerin freundlich zu, was sie zum Anlass nimmt, die Türe wieder zu schließen.
„Und ich Ihnen jetzt zeigen Badezimmer.“
Natürlich. Notfalls hätte ich auch etwas Wasser gegen meinen Durst aus dem Wasserhahn trinken können. Manchmal ist es schon seltsam, dass einem die naheliegenden Dinge nicht einfallen. Andererseits wird ja gerade davor in südlichen Ländern abgeraten.
Das Bad liegt tatsächlich, wie ich schon vermutet hatte, hinter der Seitentüre der linken Wand. Neugierig folge ich der Frau, die blind nach dem Lichtschalter greift und schaue mich um.
Das Bad ist nicht besonders groß, aber hochwertig eingerichtet. Diesmal sogar mit Spiegel über dem Waschbecken. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, allerdings hatte ich fast erwartet, dass auch in diesem Raum ein solcher fehlt. Es handelt sich hierbei jedoch um ein ganz einfaches Modell ohne Rahmen oder sonstige Besonderheiten. Ein einfaches rechteckiges Teil, in dem man sein Gesicht sehen kann.
Und es wurde sogar richtig mitgedacht. Neben dem Seifenspender einer Luxusmarke kann ich auch Zahnbürste und Zahnpasta erkennen.
Von dem Spiegel abgesehen ist der Rest wirklich edel. Waschbecken, Wasserhähne und eine gemauerte Dusche mit kleinen, quadratischen Fliesen in verschiedenen Rottönen. Der Duschvorhang ist in Schwarz, ein edler Stoff, nicht der übliche für solche Fälle. Es würde mich nicht wundern, wenn ich auch in der Dusche entsprechendes Zubehör wie Shampoo und Waschgel finde.
Die restlichen Kacheln sind weiß, haben jedoch rote und goldene glitzernde Linien und Streifen. Damit passen sie farblich sehr gut ins Gesamtbild.
Ich finde das trotzdem ungewöhnlich. Und mit Sicherheit ungewöhnlich teuer. Aber das soll meine Sorge nicht sein, sondern ich werde meinen Aufenthalt einfach nur genießen.
Dies kann ich sicher auch mit den vielen flauschigen Handtüchern, die sich in großer Zahl und allerlei Größen auf einer kleinen weißen Kommode stapeln.
Natürlich hat dieses Luxusbad auch eine entsprechend anmutige Toilettenschüssel. Mich wundert es fast, dass es sich um ein einfaches Teil ohne technische Spielereinen handelt, also ohne die üblichen Sani Fair- Zugaben. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich lieber nicht wissen will, was diese edle Schüssel gekostet hat. Es reicht schon, den aufwändigen Toilettenpapierhalter samt Inhalt zu betrachten.
Eindeutig das alles nicht meine Preisklasse.
Aber wie meinte ich noch gleich? Genießen und nicht weiter darüber nachdenken.
Man konnte es ja schon im eigentlichen Gästezimmer erahnen, aber hier springt einem der Reichtum geradezu entgegen. Mit Ausnahme des Spiegels – in seiner Einfachheit wirkt er deplatziert und wie ein Fremdkörper.
Die Italienerin steht neben mir und schweigt. Ich schiele zu ihr hinüber – sie scheint nicht besonders überrascht über meine Reaktion zu sein. Vermutlich bin ich nicht die erste, die angesichts dieser Ausstattung so überrascht ist und erst mal nur blöd rumsteht.
Ich sammle mich und erkläre zögerlich: „Vielen Dank, Maria. Das ist wirklich ein schönes Bad hier.“
Nun strahlt sie mich an. „Gregor haben guten Geschmack, nicht?“
Natürlich! Nun nennt sie ihn auch noch beim Vornamen. Etwas, was mir mehr als sauer aufstößt. Weshalb nennt sie ihn auf einmal so?
Ich versuche meinen Unwillen darüber möglichst zu verbergen. Ich weiß ja, dass ich darauf kein Recht habe und es ungerecht ist. Trotzdem gefällt mir der Gedanke nicht und liegt mir schwer im Magen.
In meiner Einbildung höre ich den Grafen amüsiert lachen. So, als freue er sich über meinen Ärger und fände Gefallen an meiner Eifersucht.
„Ich fürchten Markus Ihnen nicht gesagt wie ihn rufen?“
Schön.
Schön, ich verstehe mal wieder gar nichts.
Maria eilt aus dem Bad und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Zielstrebig geht sie zu einem der Fenster und greift nach einem Gerät auf dem Sims, welches eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Smartphone oder IPad aufweist.
„Dies sein eine Telefon“ erklärt sie und reicht mir das elektronische Teil. „Benutzen und Markus kommen.“
Aha. Etwas hilflos starre ich auf dieses „Telefon“. Benutze ich das jetzt einfach wie ein Handy? Ich brauche nicht hinüberzuschauen um zu wissen, dass mich die Angestellte erwartungsvoll anblickt. Zögerlich fahre ich mit meinem Zeigefinger über das Display.
Durch meine Wischbewegung schaltet sich die Beleuchtung an und ich entdecke genau zwei Fotos, die auf dem kleinen Monitor erscheinen. Eines zeigt Maria, das andere Markus.
„Einfach mit Finger auf entsprechende Bild“ erklärt die Italienerin fröhlich in ihrem gebrochenen Deutsch. „Ich allerdings zu tun viel. Nach bringen Signorina etwas essen ich müssen noch Dinge erledigen und nachher helfen Graf, daher besser nicht wählen mich.“
„Natürlich. Das ist kein Problem.“
Ist es doch. Ich habe absolut keine Lust auf den miesepetrigen Butler.
Allerdings erinnere ich mich auch daran, was der Adlige zu seiner Angestellten während unseres Gesprächs gesagt hatte. Sie hat wohl wirklich einiges zu tun und ich sollte sie daher wirklich nicht stören.
Bleibt zu hoffen, dass ich die Hilfe von Markus nicht brauchen werde.