So langsam nimmt mein Artikel Gestalt an.
Viel lieber jedoch würde ich über anderes schreiben: die seltsame Anziehungskraft, die ich für den Grafen empfinde; diese geheimnisvolle Box mit den Beuteln, die ich wieder zurück ins Gefrierfach geschoben habe. Überhaupt über meinen ungewöhnlichen Aufenthalt hier.
Stattdessen wird es ein ganz normaler Bericht, auch mithilfe der Unterlagen, die ich von Gregor erhalten habe. Gut geschrieben, zweifellos, darin habe ich Routine – aber es ist irgendwie nicht das, was ich hier bisher erlebt habe. Der Text handelt von etwas ganz anderem und kommt mir daher auch fremd vor. Eine andere Situation, ein ganz normales Interview ohne Krankheiten, Vampirgeschichten oder dergleichen. Und damit auch irgendwie falsch.
Trotzdem bin ich froh, meinen geliebten Laptop dabei zu haben. So kann ich die Zeit nutzen und etwas vorarbeiten.
Ich beiße gerade in eine Tomate, als ich von draußen ein Auto höre, das sich nähert. Ich habe vorhin ein Fenster geöffnet und daher dringen die Laute von draußen zu mir herein.
Eigentlich möchte ich nur die Lade schließen. Dann überkommt mich dann aber doch die Neugier und ich blicke nach unten.
Unten steht wartend ein Taxi. Das ist wohl das Fahrzeug, welches ich gehört habe und das für Maria bestimmt ist.
Lange brauche ich nicht zu warten. Nur wenige Minuten später kommt die besagte Person aus dem Gebäude Richtung Taxi.
Aber was ist mit ihr los? Ich muss einen erschrockenen Laut unterdrücken. Der Italienerin scheint es nicht gutzugehen und muss von Markus gestützt werden. Sie ist auffällig blass und erinnert dadurch ein wenig an den Grafen.
Kurz habe ich ein schlechtes Gewissen, beide zu beobachten, vor allem, da sie nicht sonderlich gut aussieht, eher krank. Aber mein Wunsch zu wissen, was da unten gerade vor sich geht, ist größer.
Die Angestellte hat sich einen modischen Schaal - schwarz mit verschiedenen bedruckten Blumen – mehrfach um den Hals gewickelt. Sieht zweifellos gut aus, aber ist das so nicht etwas warm? Ihr Hals ist fast vollständig bedeckt.
Naja, Italienerin eben. Obwohl sie mit dem Kreislauf Probleme zu haben scheint, kichert sie nun leicht und greift nach dem Stoff.
Ich habe keine Probleme von meinem Beobachtungsposten aus zu verstehen, was gesagt wird. Denn glücklicherweise unterhalten sich beide mal wieder auf Deutsch. Vielleicht nicht die feine englische Art, hinter dem Vorhang zu stehen und heimlich zu schauen und zu lauschen. Aber ich kann mich auch nicht überwinden, meinen Platz wieder zu verlassen.
„Langsam, mach langsam“ warnt nun der Butler besorgt. „Nicht übermütig werden.“ Erstaunt bemerke ich, wie fürsorglich Markus sein kann. Das passt nicht zu dem Bild, was ich bisher von diesem Mann hatte.
„Das schon gehen. Bitte, Markus. Es nicht sein gewesen erste Mal.“
Nicht das erste Mal? Von was reden sie?
Ich muss verwundert den Kopf schütteln. Maria wird auf mich geradezu euphorisch, trotz ihres momentanen schlechten Gesundheitszustands. Und Markus erscheint mir geradezu seltsam menschlich und ist nicht der versnobte Butler, so wie ich ihn bisher erlebt habe.
„Ich werde mit ihm reden. Wir müssen eine andere Lösung finden, das kam in letzter Zeit zu oft vor“ widerspricht der Mann energisch. „Auch wenn es dir gefällt. Viel zu gut für meinem Geschmack.“
„So oft bisher wirklich nicht vorkommen. Und nicht wirklich sein schlimm.“
Was ist hier nicht schlimm?
Über was wird hier geredet?
„Maria!“ brummt der Angestellte unwillig und schüttelt ungehalten den Kopf.
Beide haben nun das Taxi erreicht. Der Fahrer – klein, schwarze Haare, bronzener Teint, also typisch Italiener – hält die Beifahrertüre weit aus, bis zum Anschlag, so dass Maria gut einsteigen kann.
Markus wechselt ein paar Wörter mit ihm – leider auf Italienisch, so dass ich kein Wort verstehen kann – bevor sich die Frau auf die Beifahrerseite platziert.
Nicht mehr lange, und das Auto ist verschwunden.