Punkt acht Uhr klopft es an der Gästezimmertür.
Ich selbst bin bereits seit einer guten halben Stunde bereit. Trotz ausgiebigen Duschens, Herrichten und Weiterschreiben meines Artikels. Natürlich habe ich auch den Kühlschrank wieder eingeräumt.
Dieses Geheimnis und der Besuch hier allgemein beschäftigt mich doch ziemlich und daher bin ich nicht wirklich weit mit meiner Arbeit gekommen.
Ich muss auch zugeben, dass ich mir wirklich Mühe gemacht habe, mich etwas hübsch für den Grafen zu machen.
Das ist sonst nicht unbedingt meine Art – aber Gregor hat mich nachhaltig beeindruckt. Auch wenn er mir nach wie vor ein Rätsel ist und für mich unerreichbar bleibt.
Ich habe ich mich für ein rotes Sommerkleid mit passendem Blazer entschieden und flache, farblich passende Ballerinas. Weiter habe ich auch ausnahmsweise etwas auffälliger geschminkt und mir eine aufwändige Frisur geflochten.
Ob es ihm gefallen wird?
Freudig öffne ich die Türe in Erwartung, den Butler vor mir zu sehen.
Es ist jedoch mein Objekt der Begierde selbst, der Herr von Wattenstein.
Überrumpelt weiche ich ein wenig zurück.
Gregor ist komplett in Schwarz gekleidet. Elegantes Hemd, Stoffhose, Schuhe samt Jackett. Wieder mit dunklen Handschuhen.
Seine Haare hat er wieder so zusammengebunden wie heute Nachmittag, bei unserer ersten Begegnung.
Offensichtlich hat er frisch geduscht und ich kann einen dezenten, leicht herb- frischen Aftershave- Duft wahrnehmen.
Ansonsten sieht er wesentlich besser aus als zu dem Zeitpunkt, als er sich verabschiedet hatte. Sein Gesicht ist nicht mehr so blass, sondern von einem gesunden leichten, rosigen Ton.
Erstaunlich, aber offensichtlich hat die Pause ein wahres Wunder bewirkt.
Kurz gesagt – er sieht richtig heiß aus. Gleichzeitig frage ich mich gerade, ob er auch im Anzug schlafen geht oder Kleidungsstücke wie T-Shirt und Jeans überhaupt kennt.
Gregors Augen blitzen geradezu, als er mich erblickt und ich entdecke ein erfreutes Lächeln. „Viktoria! Wie wunderschön.“
Ich merke ein Kribbeln auf meinem Gesicht.
Toll, jetzt laufe ich auch noch rot an.
„Danke, Gregor.“
„Und auch noch rot, meine Lieblingsfarbe.“, säuselt er weiter.
Ich erinnere mich an die beiden Notizblöcke und die warme Fleecedecke von vorhin. „Neben schwarz“ ergänze ich deshalb und mustere ihn auffällig.
„So ist es“ bestätigt er mit einem leichten Lachen.
Ehe ich reagieren kann, umfasst er meine Hand und deutet einen Handkuss an. Allerdings berühren seine Lippen diesmal nicht meine Handoberfläche, daher bleibt die Frage unbeantwortet, wie warm sie sich diesmal anfühlen.
„Kommen Sie? Markus wartet unten im Wagen.“
„Wir fahren?“
„Ich sagte Ihnen ja, meine Liebe. Eine kleine Überraschung. Gestatten Sie mir, dass ich Sie dafür entführe? Es ist nicht allzu weit.“ Er entfernt sich ein wenig auf den Flur und blickt mich fragend an.
Nach kurzem Zögern folge ich ihm, schließe die Türe hinter mir und hake mich bei seiner Armbeuge unter, die er mir höflich anbietet.
Ein seltsames Gefühl, ihm nun körperlich so nahe zu sein. Aber auch ein sehr schönes. Würde ich mir irgendwelche Chancen bei ihm ausrechnen, wäre ich jetzt stolz und glücklich, Arm in Arm mit ihm den Gang entlangzuschreiten. So aber genieße ich einfach den Augenblick und dränge alle weitere Hoffnungen weg.
Die Geste des Schriftstellers ist höflich, galant und vielleicht etwas altmodisch.
Aber sicher nicht gedacht, um mich zu verführen. Leider ist das ja hier kein Märchen.
Die Treppe hinunter ist für zwei Personen nebeneinander etwas schmal, doch er lässt mich nicht los.
Schon haben wir die Außentür erreicht und stehen vor seinem Wagen.