Gregor hat mir wieder seinen Arm angeboten und will mich zum Gebäude führen, als die Türe geöffnet wird. Ein Mann sowie drei Frauen kommen uns entgegen.
„Willkommen, Herr Graf“, spricht uns der Mann an. „Willkommen, Signorina.“ Ohne Zweifel ein Italiener, das erkenne ich an seinem starken Akzent.
„Soweit alles fertig?“, möchte der Graf wissen.
„Ja, natürlich. Wir können sofort servieren, wenn Sie möchten.“
Überrascht blicke ich den Grafen an.
„Manuel ist ein vorzüglicher Koch, wie Sie gleich bemerken werden“, erklärt er. „Lassen Sie uns gehen.“
Immer noch an seinem Arm, führt er mich zu dem Gebäude.
„Wissen Sie, Viktoria, Dinge, die mir gefallen, muss ich einfach haben. Ich bin sehr besitzergreifend und lasse sie nicht mehr aus meinen Fängen“, flüstert mir der Adlige geheimnisvoll zu, während wir über die Schwelle treten.
Was soll das nun heißen, diese Andeutung? Hat es gar nichts zu bedeuten, will er mich ein wenig aufziehen oder flirtet er gerade mit mir?
So ganz werde ich daraus nicht schlau und ignoriere es einfach.
Im Inneren des Hauses fühle mich sofort wohl. Ein schummriges Licht und diverse Kerzen geben eine heimelige Atmosphäre. Das alles wirkt fast ein wenig romantisch. Ob Maria da ihre Finger mit ihm Spiel hat? Aber wir essen ja nicht hier, sondern im Freien, weshalb der Aufwand?
Küchengeräusche dringen zu uns herüber und einige harsche Worte des Kochs. Das kann man auch ohne große Italienischkenntnisse erkennen.
„Gehen wir nach draußen. Dagegen sind wir eh machtlos“, schmunzelt er.
„Ist das nicht alles ein wenig aufwändig und teuer? Ich meine, nur für uns einen extra Koch zu engagieren, und…“
„Pssst“, unterbricht er mich gut gelaunt. „Als ich erfuhr, dass Sie heute kommen, hatte ich sofort diesen Einfall. Und keine Sorge, ich kann mir das gerade noch leisten.“
Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Also lasse ich mich brav nach draußen auf die überdachte Terrasse führen.
Auch hier herrscht eine passende Beleuchtung. Eine verschnörkelte Deckenlampe mit warmem Licht, darunter doch tatsächlich Ständer mit dicken und langen Kerzen. Sie beleuchten den großen rustikalen Tisch mit dazu passenden Stühlen in der Mitte des gemauerten Außenbereichs. Diese Möbel passen gut zu ihrer Umgebung.
Daneben, links und rechts, zwei große Heizstrahler, wie man es von Lokalen kennt, um einen abendlichen Aufenthalt angenehmer zu machen. Allerdings ist die Luft angenehm lau, so dass das Gas darin noch nicht brennt.
„Ich wollte uns nach dem Essen beide Möglichkeiten offenlassen, auch wenn wir die Geräte vermutlich nicht brauchen. Drinnen oder draußen, das liegt ganz bei ihnen.“
Ich reagiere nur leicht, indem ich nicke. Etwas anderes beschäftigt mich gerade viel mehr.
Der Tisch ist nämlich bereits gedeckt.
Alles ist schön arrangiert. Genug Platz bietet die Oberfläche ja. Eine ansprechende Tischdekoration mit Blumen und Bändern, Getränke inklusive Wein, Geschirr und Besteck, ein gut gefüllter Brotkorb. An alles wurde gedacht.
Nur ein wichtiges Detail stimmt ganz und gar nicht.
„Gregor“, möchte ich verwundert wissen, „weshalb hat man nur für eine Person gedeckt?“
Hinweis:
Gregor umgibt sich gerne mit Italienern, die etwas Deutsch können, so auch der ausgewählte Koch. Maria spricht ja auch gebrochenes Deutsch, Markus kommt aus Deutschland und folgt seinem Arbeitgeber überall hin, da sich beide schon länger kennen und er quasi zum Familieninventar gehört.