Irgendetwas ändert sich an ihm, während wir uns beide gegenseitig anstarren.
Er wirkt auf einmal – besorgt?
Nein, das kann nicht sein.
Trotzdem – das Gefühl einer Bedrohung wird mit einem Mal diffuser und schwächer.
„Viktoria?“
Ich rühre mich nicht. Was soll ich auch sagen? Statt zu antworten schaffe ich es irgendwie, den Kopf zu schütteln.
„Sie nehmen das hier doch hoffentlich nicht ernst, oder? Habe ich sie erschreckt?“ Sein Timbre ist nun wieder so, wie ich es gewohnt bin.
Meine Kehle ist zu trocken, um zu antworten. Um überhaupt einen Ton herauszubringen.
Zerknirscht blickt er mich an. Das erkenne ich auch bei seinen fremdartigen Augen. „Sie fürchten sich vor mir. Und zwar nicht nur ein wenig, sondern sehr.“
Ich schaue ihn schüchtern an. Einen Ton bringe ich nicht raus, sondern nicke nur leicht.
Die Spannung fällt von mir ab. Ich fühle mich furchtbar und spüre, dass meine Kräfte nachlassen.
„Oh verdammt. Es tut mir leid, Viktoria. Das wollte ich nicht.“ Schuldbewusst springt er auf mich zu und nimmt mich in seine Arme.
Erst verspanne ich mich kurz, dann aber löst sich der innere Druck und ich gebe mich seiner Umarmung hin. Leicht schluchzend drücke ich mich gegen sein Hemd und nehme nur am Rande seine Hand wahr, die sanft meinen Rücken streichelt.
„Alles ist gut. Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Das hier ist nur ein Kostüm und nicht echt.“
„Aber weshalb?“, nuschle ich in den Stoff, ohne meinen Kopf zu heben
„Ich wollte Sie nur kurz ein wenig erschrecken. Ein wirklich dummer Einfall von mir. Bitte haben Sie keine Angst, Ihnen passiert nichts.“
„Aber… aber… Ihre Augen sind…“ Irgendwie schaffe ich es, mich nun doch ein wenig von ihm zu lösen und in sein Gesicht zu schauen.
„Farbige Kontaktlinsen“, erklärt er. „Soll ich sie herausnehmen?“
So einfach ist das?
Ich mustere ihn. Ja, das stimmt wohl. Außer dass sie rot sind, sehen sie tatsächlich nicht anders als vorher aus.
Ich muss schlucken. Bevor ich darauf direkt antworte, muss ich noch einiges wissen. „Weshalb die Verkleidung und ausgerechnet als Vampir?“
„Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Die steht unter anderem da drin.“
Er deutet auf den Tisch. Darauf liegt eine etwa DinA4 große Ledermappe, die er wohl irgendwann dort hingelegt haben muss.
„Ich schlage vor, wir setzen uns wieder und ich erzähle Ihnen alles.“
Er geht zu seinem Stuhl zurück. Sein Vampirkostüm trägt er immer noch.
So sind wir beide also wieder an unserem Tisch und ich warte neugierig auf seine Erklärung.
Ich bin immer noch ein wenig aufgeregt, dazu war ich einfach zu durcheinander, als dass ich so schnell wieder ganz ruhig werden kann. Der Schriftsteller wirkt nicht in keiner Weise mehr bedrohlich auf mich. Auch an die ungewöhnliche Augenfarbe gewöhne ich mich langsam. Seine Verkleidung macht ihn geheimnisvoll und – sexy.
Verdammt! Ich habe wirklich einen Knall. Erst fürchte ich mich fast zu Tode vor ihm, und nun finde ich ihn so auch nach außerordentlich attraktiv.
Umso begieriger bin ich, den Grund seiner Maskerade zu erfahren.
So, damit hat jetzt keiner gerechnet, oder?
Doch kein echter Vampir in dieser Story und alles nur gespielt?
Manchmal sind Autoren auch einfach nur etwas hinterhältig.
Im nächsten Kapitel erklärt sich Gregor dann.
Ob die Leser mich dann steinigen wollen?