Ganz leicht streichelt er meinen Rücken. Eine zärtliche Geste, wie es scheint. Allerdings geht auch aus seinen Händen diese Kälte aus und durch seine Bewegungen scheint sie sich schneller vom Rücken in mein Inneres zu dringen.
„Was ist das?“, murmle ich.
„Nichts, was dir schadet. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Fühlst du es? Diesen Frieden?“
Fast wirkt es so, als wolle mich dieses fremdartige Gefühl in mir mich selbst erobern. Schnell breitet es sich in mir fort, scheint in jeden Winkel meiner Zellen zu dringen. Diese Kälte ist überall. Der Unterschied zwischen unseren beiden Körpertemperaturen verschwindet zusehends.
Seine seltsame Erklärung macht jedoch Sinn. Ich fühle mich nicht schlecht, ganz im Gegenteil. Ob diese Macht mich nun erobern möchte oder nicht – sie fühlt sich nicht gefährlich an, ganz im Gegenteil.
Eine nie gekannte Stille und innere Ruhe sind in mir. Zeitlos und uralt. Keine Ahnung, woher ich dieses Wissen habe, aber ich bin sicher, dass ich mich nicht irre. Ich meine auch, frische Erde zu riechen, die mich tröstend umgibt und mir eine seltsame Kraft gibt.
Auf alle Fälle etwas, nach dem man süchtig werden könnte.
Wenn das es ist, was der Adlige stetig in sich hat, dann kann es nicht schlimm sein, ein Untoter zu sein.
Was denke ich hier eigentlich?
So oder so, ich möchte diesen Zustand nicht mehr missen. Gregor muss mich nicht mehr halten – fest kuschle ich mich an ihn, möchte seinen Körper und diese Auswirkungen noch mehr spüren.
Ich höre ihn leise lachen. „Nun gehörst du mir, meine Liebe.“ Seine Stimme wird wieder dunkler, als er fortfährt: „Ein wenig Zeit gebe ich dir noch. Aber du wirst dich danach sehnen und es suchen, die ganze Zeit.“
Wir beide schweigen.
Was meint er damit? Lieber nicht weiter darüber nachdenken. Viel zu sehr genieße ich diesen Zustand, den ich bisher so noch nie erlebt habe.
„Kein Mensch kann dir das schenken. Du wirst es bei den Sterblichen nicht finden. Schon allein deshalb wirst du zu mir zurückkommen – wenn ich dich rufe.“ In seiner Stimme schwingt so viel mit – Zufriedenheit, aber auch Arroganz und ein wenig Überheblichkeit. „Aber noch würdest du auch einem anderen meiner Art hingeben. Was ich aber zu verhindern weiß.“
„Du sprichst in Rätseln“, beschwere ich mich. Eigentlich sollte mich seine Rede beunruhigen, tut sie aber nicht. Ich fühle mich einfach zu gut, als das irgendwer mir etwas antun oder Angst machen könnte. „Erkläre mir das doch genauer, statt nur Andeutungen zu machen.“
„Du wirst es bald verstehen. Jetzt genieße einfach nur“, weicht er aus.
„Fühlst du dich so? Ich meine, die ganze Zeit?“, nerve ich ihn weiter. „Ich meine, diese Stille und all das?“
„Ja“, antwortet er knapp. Offensichtlich spürt er, dass mir seine Antwort nicht ausreicht, und er ergänzt: „Man würde sonst wahnsinnig werden, ohne dieses Gefühl. Du weißt ja sicher, dass wir nicht sterben, es sei denn, jemand gelingt es, uns zu töten.“
„Es hilft dir also, zu überleben… ich meine, die Jahre zu überstehen?“
„Man könnte es so ausdrücken, ja. Wenn auch mit den Jahrzehnten ein gewisser Gewöhnungseffekt eintritt.“ Er bricht ab, fährt dann aber nach einer Pause fort: „Wenn ich dich nicht mehr halte, wird sich er Effekt langsam verflüchtigen. Daher denke einfach nicht so viel nach und genieße es.“
„Das finde ich blöd“, murre ich, während ich mich noch fester an ihn drücke. „Aber ich habe die Lösung: du mich jetzt einfach die ganze Zeit in deinen Armen halten.“ Irgendwie ist es auch ein wenig, als hätte ich zu viel getrunken.
Kann man vom Glücklich fühlen betrunken werden?
Gregor streichelt kurz über meinen Kopf.
Fast überhöre ich seine Antwort, die er nur sehr leise flüstert: „Zumindest eine Weile noch, Viktoria.“