Es geht auf die Mittagszeit zu.
Ich habe beschlossen, eine kleine Pause zu machen und setze den Blinker, um auf den Parkplatz zu fahren.
Proviant sowie einige Getränkeflaschen habe ich von Markus mitbekommen. Ich vermute, auf Anweisung vom Grafen.
Ich brauche also nicht lange nach einer Raststätte oder dergleichen suchen. Es genügt dieser normale Parkplatz mit etwas Schatten und einigen alten Bänken und Tischen.
Dankbar suche ich mir ein Plätzchen unter den Bäumen. Ich bin ganz verschwitzt und wirklich dankbar, etwas Kühle zu bekommen.
Ein wenig seltsam ist das schon. Heute Morgen war mir irgendwie innerlich kalt, und nur langsam kommt die Wärme in meine Glieder zurück.
Zuerst hatte ich ja befürchtet, mich erkältet zu haben. Aber ich musste trotz diesem Gefühl nicht frieren oder frösteln – es war einfach nur eine Kühle in mir, die ich so noch nicht erlebt habe, die ich aber als sehr angenehm und befreiend empfinde.
Ich vermute, dass ich einfach furchtbar aufgeputscht bin. Ich hatte das Glück, einen berühmten Schriftsteller zu interviewen und habe die Chance, groß herauszukommen. Alles hat gut funktioniert und da schüttet der Körper einfach Endorphine aus.
Nachdem ich die erste belegte Brotscheibe vertilgt habe, greife ich nach meinem Handy und schalte es ein. Sicherheitshalber hatte ich es heute Nacht an das Ladekabel gesteckt, bevor mich der Graf zum Dinner abgeholt hatte.
Nach Eingabe der PIN und Zeichnen des Musters entsperrt sich der Bildschirm.
Erfreut registriere ich, dass ich nicht mehr offline bin – sogar LTE, und das im Ausland. Und da es keine Rooming- Gebühren mehr gibt, kann ich auch ohne Sorgen prüfen, ob irgendwelche wichtigen Nachrichten eingegangen sind, die ich verpasst habe.
Jede Menge E-Mail Nachrichten habe ich erhalten. Und natürlich auch WhatsApp. Es dauert eine ganze Weile, bis mein kleines Telefon fertig ist und Ruhe gibt.
Ein WhatsApp- Chat erregt besonders meine Aufmerksamkeit.
Es ist der von Paul.
Ach herrjeh. Den hatte ich doch tatsächlich ganz vergessen.
Paul habe ich vor gut zwei Wochen auf einer Veranstaltung getroffen. Es war eine Art Konferenz, bei der Mitarbeiter verschiedener Verlage teilnehmen durften. Ein paar Informationsvorträge, aber vor allem viele Pausen, damit man sich gegenseitig beschnuppern und kennenlernen konnte. Kontaktpflege nennt man so etwas gemeinhin.
Paul war mir dabei rasch aufgefallen und gleich sympathisch gewesen. Und offensichtlich beruhte dies auf Gegenseitigkeit.
Auch wenn wir nicht offiziell zusammen sind, hatten wir bei dem Treffen gleich unsere Telefonnummern ausgetauscht und chatten seitdem regelmäßig. Wir sind kein Paar – aber ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nach meinem Besuch in Italien auf Paul zuzugehen und zu fragen, ob mehr aus uns werden könnte.
Und tatsächlich hat er mir auch nett geschrieben. Erkundigt sich nach meinem Befinden, ob es mir gut geht, wie das Interview war und dass ich mich melden soll, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.
Armer Paul! Wie soll ich das ihm beibringen?
Ich kann mir nicht mehr vorstellen, mit ihm zusammenzukommen. Warum weiß ich auch nicht. Es geht einfach nicht.
Ich sollte daher fair sein und die ganze Geschichte beenden. Er hätte auch das Recht, den Grund zu erfahren, aber ich bin mir ja auch nicht klar, woher mein Sinneswandel kommt.
Meine kleine Schwärmerei für den Grafen kann es ja wohl kaum sein, oder?
Er ist gerade nicht online, das macht es leichter.
Ich tippe daher in mein Handy:
Es tut mir leid, Paul, aber ich kann das nicht. Bitte sei mir nicht böse. Leider kann ich es dir nicht erklären. Alles Gute für deinen Lebensweg und ich hoffe du findest eine Frau, die zu dir passt.
Bevor ich es mir anders überlegen kann, sende ich die Nachricht gleich ab. Ich erkenne an den zwei Haken, dass die Nachricht bereits auf seinem IPhone angekommen ist.
Erleichtert gehe ich auf seine Nummer und tippe auf „Ignorieren“, ehe ich den Chat lösche sowie seine Telefonnummer.
Ein klarer Cut ist hier sicher das Beste.
Ich atme tief ein und aus und schließe kurz die Augen. Sofort erscheint das Bild von Gregor vor mir:
Er sitzt gerade draußen auf der Terrasse, natürlich im Schatten. Vor sich sein roter Vitamindrink im bauchigem Rotweinglas. Er lächelt mich an und prostet mir mit einem Augenzwinkern zu.
Nach einigen Minuten öffne ich die Augen wieder.
Ich sollte noch einen Schluck trinken und dann weiterfahren.
Noch immer die Erscheinung von Gregor im Hinterkopf, packe ich die Essensreste zusammen und schicke mich an, meine Fahrt fortzusetzen.
Leb wohl, Gregor. Auch wenn ich dich wohl nie wiedersehen werde.
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So, das wars. Die Geschichte hat ihr vorläufiges Ende erreicht. Ich hoffe, sie hat gefallen und vielleicht hat der eine oder andere Interesse an der Fortsetzung, die ebenfalls hier erscheinen wird. Ein paar Worte zur Fortsetzung im Anhang.
Und natürlich folgt auch, wie versprochen, ein Anhang mit Gregors erstes Kapitel, das er nach dem Dinner vorgelesen hat.