Schnaufend und außer Atem saßen die beiden Jungen im Schützengraben und lehnten sich erschöpft an die morgen erdwand. Der Krieg war im vollen Gange und ihre Ohren dröhnten von den lauten Knallen und dem Schreien der sterbenden.
Der älteste der Jungen, der 16 Jährige Jeremy, beobachtete den Himmel und suchte ihn nach Fliegern ab, die ihnen zum Verhängnis werden könnten.
Sein kleiner Bruder, der 13 jährige Gerome, schloss die Augen und versuchte seine Schnappatmung zu kontrollieren.
Seit der Krieg begonnen hatte, mussten bereits viele Menschen verschiedener Nationen ihr Leben lassen, viele haben sich durch die giftigen Stoffe mit Krankheiten bedeckt und die Kinder, die in den Bäuchen versuchter Mütter heran wuchsen, veränderten sich.
Jeremy sah zu seinem Bruder, wurde nachdenklich und dachte an seine Familie.
Seinen Vater, der als Soldat in den Krieg geschickt wurde und von dem er nie wieder etwas gehört hatte. An seine Gefühle die er hatte als die Nachricht kam, er sei im Krieg gefallen.
Er dachte an seine Mutter, die er damals als ältester beschützen musste, wie sie Tag für Tag mit einem von Tränen ertränken Lächeln aufstand und versuchte für ihre Söhne stark zu sein, wie sie jeden Tag daran scheiterte. Bis zu dem Tag an dem sie starb.
Jeremy entfuhr ein resignierter Seufzer.
Vor seinem geistigen Auge spielte sich die letzte Szene vor ihrem Tod ab.
Seine Mutter lag Schweißgebadet auf dem roten Sofa, der Stoff unter ihr war blutgetränkt. Sie keuchte entsetzlich und er und Gerome standen im Türrahmen zum Wohnzimmer, beobachteten alles mit. Sie waren dabei als ihre Mutter starb, sie sahen zu.
Doch bevor sie an den Folgen der Strahlungen starb, brachte sie neues Leben.
Ihre Mutter war schwanger, und Jeremy und Gerome waren dabei als ihre kleine Schwester geboren wurde, und ihr Leben gegen das ihrer Mutter tauschte.
Die beiden Jungen standen damals wie erstarrt da, unfähig sich zu rühren, unfähig zu handeln.
Sie waren nun allein gewesen. Mit 12 und 9 Jahren waren sie völlig auf sich allein gestellt, ohne Vater und Mutter, allein mit einem Neugeborenen Mädchen.
Jeremy schüttelte langsam den Kopf und sah zu seinem kleinen, erschöpften Bruder.
"Los, weiter.", murmelte er und packte Gerome am Handgelenk bevor er ihn hinter sich her und aus dem Schützengraben zog.
Es war kein Mensch zu sehen, jedenfalls kein lebender.
Für jeden normal aufwachsenden Jungen wäre das zu viel gewesen, jeder andere wäre zusammengebrochen und hätte den Schock verdauen müssen, jedoch lebten sie in keiner Zeit, in der man normal aufwachsen konnte.
So stapften die Jungen vorbei an den reglosen Männern und Frauen, die in ihren Uniformen am Boden lagen. Sie versuchten ihren Kopf klar zu halten, sie mussten die nächste Stadt erreichen. Mussten darauf hoffen, dass es noch frische Lebensmittel gab. Überlebende die nicht gegen sie waren, vielleicht mit ihnen teilten was sie hatten.
Ein paar Stunden später erreichten sie eine verlassene Großstadt. Verlassene Gebäude, von Müll und Betonbrocken gefüllte Straßen sowie Leichen und einzelne streunende Tiere waren das erste was sie erblickten, und seltsamerweise atmeten sie erleichtert auf, waren froh darüber etwas mehr Sicherheit spüren zu können. Trotz der sichtbar gefährlichen Dämpfe, die sich schlängelnd Richtung Himmel wandern.
Der Wind pfiff durch die gesprengten Fenster als die beiden langsam die Straßen durchquerten.
Einige der Tiere sahen seltsam aus, sie waren sichtlich Mutationen, hatten einige Beine oder Ohren mehr, liefen auf zwei Beinen oder hatten einen stechenden, bedrängten Gesichtsausdruck.
"Da.", flüsterte Gerome und deutete auf einen verwahrlosten Supermarkt. In leuchtenden Schriftzügen musste der Name einmal weit sichtbar gewesen sein, jetzt jedoch waren einige Glühbirnen geplatzt und das Schild hing an halben Stromkabeln schräg über dem Eingang. Auch hier war der Boden trocken, übersät von feinem und verklumpten Sand, der bis in den Laden hinein reichte.
Er knarzte unter ihren Sohlen als sie langsam in den Laden liefen und sich in den verrückten und umgeworfenen Regalen nach Nahrung und Wasser umsahen.
Sie setzten hastig ihre Rucksäcke ab und steckten ein was sie fanden, in Konserven verwahrtes Gemüse und Suppe, ein paar verstaubte Wasserflaschen, neue Kleidung. Eine wahre Goldgrube für die Jungen.
Sie steckten die Lebensmittel hastig ein und wechselten ihre zerlöcherten und seit Wochen nicht gewechselten Kleidungsstücke gegen neue.
Jeremy eine braune Knie lange Hose und ein schwarzes tanktop mit neuen schwarzen Turnschuhen, irgendwelche Noname Kleidung, was ihn nicht störte, er war froh überhaupt Sachen zu haben.
Gerome nahm sich eine normale Jeans und ein blau schwarz kariertes Hemd und ebenfalls schwarze Turnschuhe.
"Was denkst du, wie es ihr geht...?", fragte Gerome währenddessen murmelnd.
"Wem?", fragte Jeremy und sah zu seinem Bruder.
"Die kleine... Unsere Schwester..."
"Ich weiß es nicht. Denk nicht drüber nach."
"Aber sie ist unsere Schwest~"
Jeremy unterbrach ihn.
"Du hast doch gesehen wie sie sie mitgenommen haben. Sie ist...krank, das weißt du doch.", grummelte er und sah weg.
Selbstverständlich dachte er selbst auch an seine kleine, noch namenlos gebliebene Schwester und den Tag an denen sie sie für Forschungszwecke weg gegeben hatten. Natürlich fragte er sich heute noch, ob das nicht eine falsche Entscheidung gewesen war. Doch in ihrem Alter hätten die beiden sich unmöglich um ein Baby kümmern können.
"Nnnggg...", hörte man eine tiefe, grummelnde Stimme vor dem Laden. Die Jungen sahen sich von den verschiedenen Punkten aus an und machten sich klein. Sie kannten diese Geräusche, und wussten, dass sie nichts gutes bedeuteten.
"Schön in Deckung bleiben.", flüsterte Jeremy und schielte um die Ecke zur Tür des Ladens. Einer der Mutanten stand dort, jedoch keiner derer die durch die Verstrahlte Mutter mutiert waren, es war einer derer die die Strahlen überlebt hatten, die sie veränderten. Ein Lebender Toter.
Sie sahen sich im laden um, suchten nach irgendeiner Waffe, fanden keine.
Sie lauschten.
Schwere Schritte, ein röchelndes Atmen. Tiefes keuchen.
"Hhhnngg."
Wieder dieses Geräusch.
Jeremy betrachtete die taumelnde Gestalt, dessen Blick an der halb losgelösten Wand hing. Langsam drehte sie seinen Kopf in Jeremys Richtung. Schnell zog er seinen Kopf zurück, wartete und hielt den Atem an.
Jetzt nur nicht verraten.
Langsam näherte sich das frühere Menschenwesen der alten Kühltruhe hinter der sich Jeremy versteckte, er konnte den stechenden Geruch der Verwesung riechen.
Peng.
Ein lauter knall war zu hören.
Auf diesen folgte ein schriller Schrei, ein Gurgelndes Geräusch, Stille.
"Endlich hab ich dich, du mistvieh!", hörte man eine diabolische, tiefe Stimme schreien.
Jeremy versteckte sich weiterhin, beobachtete aber seinen Bruder der hinter dem Regal hervor lugte.
"Gerome!!", brummte er.
Sein Bruder ignorierte ihn, trat in das Sichtfeld des Mannes, dessen Schatten Jeremy am Boden sehen konnte. Er stand ebenfalls auf.
In der Tür stand ein Soldat. Mit einer Handfeuerwaffe stand er grinsend dem Untoten zugedreht, schritt langsam auf diesen zu, sodass das klebrige Blut das nun den Boden zierte seine Springerstiefel befleckten.
"Na Jungs, hab ich euch erschreckt?", fragte er grinsend ohne sie anzusehen.
Er schoss dem Vieh noch einmal durch den Kopf.
Die Jungen zuckten nicht einmal, betrachteten den Soldaten nur misstrauisch.
Langsam wanderte dessen Blick ebenfalls zu ihnen, erst zu Jeremy, dann zu Gerome, wieder Jeremy.
"Hier ist es nicht sicher. Kommt mit.", meinte er ruhig und steckte seine Waffe wieder in die kleine lederne Tasche an seinem Gürtel.
Die Brüder blieben weiterhin stehen.
"Woher sollen wir wissen dass wir ihnen vertrauen können?", fragte Gerome misstrauisch.
"Könnt ihr nicht wissen. Aber sonst werdet ihr hier wahrscheinlich sterben.", entgegnete er und steckte sich eine Zigarette in den Mund bevor er sie sich ansteckte.
Die Brüder sahen sich einen Moment lang an.
Er hatte recht. Sie kannten sich hier nicht aus, und wenn er seine Hilfe bereits anbot mussten sie sie annehmen.
"Gut. Wir kommen mit.", gab Jeremy mit einem nervösen Brummen von sich und schnappte sich zusammen mit seinem Bruder ihre Rucksäcke und traten langsam näher an den grinsenden, im Gesicht stark behaarten Soldaten.
"Ihr seid ja doch schlauer als ihr ausseht.", grinste er und lief langsam aus dem Laden raus, ließ den toten Untoten unbeachtet und die Bruder folgten ihm.