Müde von der langen Woche stieß ich meine Wohnungstür auf. Ich ließ meine Handtasche im Flur auf den Boden fallen, kickte meine Schuhe in die Ecke und seufzte tief. Bei dieser Hitze auch noch neun Stunden pro Tag arbeiten zu müssen war doch wirklich unmenschlich.
Nicht nur, dass ich einen Job hatte, der alle meine Energiereserven fraß, nein, ich war mit fast 30 auch noch Single, hatte keine Kinder und nicht mal einen Partner in Aussicht. Um genau zu sein hatte ich außer mit Kollegen überhaupt keinen Kontakt zu Männern. Irgendwie hatte ich mir mein Leben komplett anders vorgestellt.
Aber wenigstens war heute mein letzter Arbeitstag gewesen, in just diesem Moment hatte mein redlich verdienter Urlaub begonnen. Zwei Wochen in der Sonne liegen, einfach nur den Sommer genießen. Und ich wusste auch schon ganz genau, wie ich das anstellen würde: Am See liegen, schwimmen und die Seele baumeln lassen.
Eigentlich könnte ich damit heute gleich noch anfangen. Gedacht - getan. Es versprach ein milder Abend zu werden und ich zog mich nur schnell um, tauschte Kostüm gegen Blümchenkleid, nahm mein Handtuch und machte mich auf den Weg zum nahegelegenen See. Mit dem Fahrrad waren es nur fünf Minuten durch die Straßen unseres kleinen, verschlafenen Ortes.
Ich sperrte mein Rad an einen nahgelegenen Baum, zog mir mein Kleid über den Kopf und rannte in das kühle Nass des kleinen Badesees. „Hach, so lässt es sich doch leben“ seufzte ich erleichtert. Nicht weit von mir entfernt ertönte heiteres Gelächter.
„Ist das die neuste Mode oder haben Sie Ihren Badeanzug vergessen?“ erklang kurz darauf eine tiefe, volle Männerstimme.
Entsetzt blickte ich an mir herunter und tatsächlich - ich trug noch immer die formende Unterwäsche, die ich in der Arbeit unter meinem Kostüm trug, damit ich meine ungeliebten Rundungen ein wenig kaschieren konnte.
Vor Scham ließ ich mich bis zum Kinn in den See sinken. Da hatte ich in der Eile doch tatsächlich vergessen, meinen Badeanzug anzuziehen! Während die Sonne auf meine vor Scham geröteten Wangen brannte, kam er noch immer schmunzelnd auf mich zu und sagte „Hallo, ich heiße Kevin. Und mit wem habe ich hier das vergnügen?“
Wieso konnte mich kein Blitz erschlagen? Alternativ hätte ich mich auch gerne in Luft aufgelöst, Hauptsache, ich hätte mich vor diesem unverschämt gut aussehenden Mann nicht bis auf die Knochen blamiert.
„Anja“ presste ich mühsam hervor.
„Hier Anja, nimm mein Badetuch und trockne dich ab. Hast du danach Lust auf ein Eis mit mir?“ fragte er mit einem schiefen Lächeln. Ich konnte ihn ein paar Sekunden nur sprachlos anstarren, ohne dass auch nur ein einziges Wort über meine Lippen gekommen wäre.
Doch dann fing ich an zu lachen. „Hätte mir jemand gesagt, dass ich in Oma-Unterwäsche so attraktive Männer kennenlerne, hätte ich schon viel früher so ausgehen sollen.“ Mit diesen Worten stieg ich aus dem Wasser, nahm das Handtuch, das er mir entgegen streckte, trocknete mich eilig ab und streifte mein Kleid über.
Ein Eis mit einem Mann, der wirklich zum Anbeißen aussah - das war ein viel besserer Start in meinen Sommerurlaub, als ich jemals erwartet hätte.