Victoria stellte die zwei Krüge mit einem lauten Knall auf den Tisch. „Bitte sehr Senores“.
Seit zwei Tagen war die Frau angespannt und sehr wortkarg. Die betroffenen Gäste waren schon leicht angetrunken und es war in der Tat erst Mittagszeit, insofern konnte man nachvollziehen, dass sie nicht besonders gut auf diese Männer zu sprechen war. Aber ein solch ruppiges Verhalten war für Victoria untypisch.
„Was ist mir ihr los, Diego? Hast du eine Ahnung?“, wollte Don Alejandro wissen. Die beiden Männer saßen an ihrem Stammplatz und ließen sich die Speisen von der Küche schmecken.
Der jüngere wusste sehr wohl, was los war, hütete sich aber, dies laut auszusprechen.
„ich weiß es nicht. Ich werde nach ihr sehen, entschuldige mich bitte einen Moment“.
Rasch eilte er in die Küche, wo die Tavernenbesitzerin bereits begonnen hatte, Geschirr zu spülen. Sie war angespannt und nervös, das spürte er.
„Victoria, was ist los? Kann ich dir helfen?“ fragte er unschuldig.
„Nein, Diego“. Sie blieb kurz angebunden, ganz so, wie es ihr Zorro allgemein geraten hatte.
„Aber etwas bedrückt dich oder macht dich unheimlich wütend!“
„Nein, es ist wirklich nichts“
„Ist es etwas mit Zorro?“ bohrte er weiter.
Sie erschrak kurz, fasste sich jedoch schnell wieder. „Wie kommst du darauf?“
„Nun, wenn du so ein Geheimnis daraus machst, kann es eigentlich nur um ihn gehen.“
Sie wendete sich von ihm ab und fuhr fort, das Geschirr zu spülen. Obwohl er den Grund kannte, fühlte er sich verletzt und zurückgewiesen: „Victoria..“
Sie ignorierte ihn.
„Victoria, höre zu. Wir sind doch Freunde. Wenn du Schwierigkeiten hast, dann sage es mir.“
Er seufzte, als sie immer noch schwieg und nicht reagierte. Mühsam unterdrückte er den Impuls, sie jetzt in die Arme zu nehmen und zu trösten. Warum war alles immer nur so kompliziert?
„Höre zu – was immer es auch ist, ich bin für dich da. Du hast meine vollste Unterstützung.“
Laut klapperte das Geschirr.
„Lass mich dir helfen. Sag mir was los ist, und wenn es notwendig ist, dass ich schweige, erzähle ich auch keinem im Pueblo, was dich bedrückt, ich schwöre es dir. Nur bitte sprich mit mir.“
Endlich hörte sie auf ihn zu ignorieren und drehte sich um. Er sah die Verzweiflung in ihren Augen.
„Ach Diego. Ich habe Zorro etwas versprochen. Ich weiß nicht, ob ich das durchhalte. Und dazu kommt, dass ich eine miserable Schauspielerin bin.“.
Diego kam näher und sie lehnte sich traurig an ihn. Es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, sie nicht fest an sich zu drücken. Stattdessen platzierte er lediglich seine Hände auf ihre Schultern und wartete, bis sie etwas ruhiger wurde.
Peinlich berührt nahm sie von ihm Abstand: “Also ich...“
In diesem Moment kam Don Alejandro in den Raum: „Victoria entschuldige bitte aber man verlangt nach dir“, sagte er entschuldigend. Nachdenklich richtete er seinen Blick auf Diego und Victoria, eher er sich mit einem kurzen Nicken wieder in den Gastraum zurückzog.
„Komm heute Abend zu uns zum Essen auf die Hacienda“, empfahl Diego, „dann besprechen wir alles. In Ordnung?“
„Si, Diego, danke:“ Sie atmete tief aus und seufzte leise.
Beide gingen zurück- Diego an den Tisch zu seinem Vater; sie zu ihren Gästen, um sich um die weiteren Bestellungen zu kümmern.
„Und? Was ist mit ihr?“ wollte sein Vater neugierig wissen.
„Wir konnten nicht wirklich reden. Sie wird uns heute Abend besuchen und mit uns essen, dann hoffe ich, dass ich ihr helfen kann.“
„Ich freue mich immer, wenn sie uns besucht“ lächelte Alejandro.
Diego erwiderte nichts darauf. Er hatte sich das Ganze in seiner Fantasie etwas einfacher vorgestellt. Hoffentlich konnte „Diego“ ihr die Hilfe geben, die er brauchte.
Und er hatte auch Angst: Wenn sie ihn ohne Maske ablehnen würde, was dann?
Diego war auf seinem Zimmer, als er seinen Vater rufen hörte: „Diego, Victoria ist da“.
Schnell warf er das Buch, das er vorgegeben hatte zu lesen, auf sein Bett. Es war nicht nur seine Tarnung gewesen, falls jemand unerwartet in sein Zimmer gekommen wäre - er hatte versucht, sich abzulenken. Aber er hatte sich nicht konzentrieren können. Hoffentlich fand er dir richtigen Worte.
Er setze sein freundliches Lächeln aus – „Sei freundlich aber verberge deine Gefühle“ sagte er sich – und verließ sein Zimmer, um ihren Gast zu begrüßen.
„Victoria, es ist mir eine Freude dich wieder zu sehen. Komm, Maria hat für und gekocht. Diego müsste gleich hier sein“ hörte er die Stimme seines Vaters. „Ah, da bist du ja mein Sohn. Dann können wir ja anfangen oder?“
„Natürlich. Guten Abend Victoria.“
„Guten Abend Diego. Danke für die Einladung.“
Das darauffolgende Essen fand in angenehmer Atmosphäre statt. Trotzdem konnte man spüren, dass die Frau ein wenig angespannt und auch erschöpft war. Sie antwortete zwar höflich auf alle Fragen, trotzdem stellte sie selbst keine und aß nur sehr wenig von den gekochten Speisen. Vom Wein trank sie lediglich einen kleinen Schluck.
Die Männer bemerkten dies zwar, kommentierten dies aber nicht. Stattdessen meinte Don Alejandro: „Ihr zwei solltet in den Garten gehen, da seid ihr ungestört. Du wirkst etwas sorgenvoll Victoria – ich bin sicher Diego kann dir helfen.‘
Der junge Vega schaute seinen Vater überrascht an. Sein Vater legte stets Wert auf Anstand und adäquates Benehmen. Deshalb war diese Aufforderung ungewöhnlich. Er erinnerte sich aber, dass sein Vater ihn ja aufgefordert hatte, Victoria zu „umwerben“ – vermutlich sah er das Ganze deshalb etwas lockerer und wollte es seinem Sohn wohl auch etwas leichter machen.
Vielleicht auch, weil er seinen Sohn für einen Feigling, einen cobarde, hielt.
Victoria war etwas unsicher, als sie mit Diego in Richtung Garten ging. Zu viele Erinnerungen waren mit diesem Ort verknüpft. Erinnerungen, die alle mit Zorro verknüpft waren. Aber es war nur Diego, der an ihrer Seite war.
Da sie schwieg, begann er: „Victoria, du sagtest, dass Zorro etwas von dir verlangt hat. Das scheint schwer für dich zu sein. Kann ich dir helfen?“
„Ach Diego“ seufzte sie. „Ich weiß nicht ob du mir helfen kannst.“, nach einer Pause: „Aber ich bin froh, dass ich zumindest mit jemanden darüber reden kann.“
„Was wollte er?“
Sie zögerte und nahm einen tiefen Atemzug ehe sie fortfuhr: Also – er will, dass ich mich öffentlich von ihm trenne, vor allen Leuten. Weil ich es leid bin auf ihn zu warten“. Sie atmete aus, offensichtlich erleichtert, dass die Worte ausgesprochen waren.
„Du sollst dich von ihm lossagen?“ fragte Diego scheinbar erstaunt. „Warum das denn?“
„Er meinte, es sei zu gefährlich. Und ich sage mich nicht von ihm los, ‚nur‘ von Zorro.“
„Ich verstehe nicht…“
„Er meinte es sei glaubwürdiger, wenn ich es ausspreche. Und…“ Sie brach ab.
„Bitte Victoria. Erzähl mir alles…“
Sie schaute ihn zögernd an als sie ergänzte: „Nun ja, ‚Zorro‘ wird mich versuchen umzustimmen, es aber akzeptieren und mich schließlich nicht mehr grüßen, wenn er mich sieht.“
„Hmm… Also ein öffentliches Schauspiel sozusagen. Dann hat er dir gesagt wer er ist?“
Sie schüttelte resigniert den Kopf. „Leider nein.“
Der junge Mann starrte sie scheinbar schockiert an. „Aber was soll das dann für einen Sinn haben?“
„Er versprach, dass er sich als der Mann, der er wirklich ist, um mich kümmern würde. Als Mann ohne Maske.“
Diego lächelte sie an. „Aber das ist doch wunderbar. Ist das nicht das was du immer wolltest?“
Sie lächelte betrübt. „Er sagte, dass ich Geduld haben sollte. Es sei unglaubwürdig, wenn nicht gar gefährlich, wenn ich mit Zorro auseinandergehen würde und dann gleich mit dem nächsten Mann zusammen wäre. Vor allem nach einer so langen Zeit, in der ich Zorro treu war. Er rechnet mit ein paar Monaten bis er sich mir offenbaren wird.“
„Dann wäre es dir lieber gewesen er hätte dir sein Gesicht gezeigt? Weil es dir zu lange geht?“ fragte er mit seltsamer Stimme.
Sie schaute ihn empört an „Nein. Er meinte, es wäre zum jetzigen Zeitpunkt zu gefährlich. Das ist es nicht nur...“
„Was Victoria?“
„Naja ich werde mit ihm nicht reden, nicht reden dürfen und das tut weh. Und das einige Monate lang. Was ist, wenn er mich bis dahin vergessen hat?“ fragte sie panisch.
„Hör zu. Du vertraust ihm doch, oder?“
„Ja Diego. Ich liebe und ich glaube ihm, nur...“
„Dann solltest du es wirklich tun und euch die Zeit geben. Und ihm vertrauen“ sagte er mit ungewöhnlich fester Stimme. „Schließlich habt ihr schon so lange gewartet, da kommt es jetzt auf ein paar Monate auch nicht mehr an. Aber das ist nicht alles oder? Du sagtest heute, dass du eine schlechte Schauspielerin bist, ist auch das dein Grund für deine Verzweiflung?“
Sie nickte, erstaunt, wie gut er sie durchschaute.
„Victoria“ sprach er sie erneut an und umfasste ihre Schultern. Er schaute ernst in ihr Gesicht. „Ich habe während meinem Studium in Madrid auch gelegentlich Theater gespielt“. Er zögerte als er dann doch fortfuhr:“ Ich habe Erfahrung in andere Rollen zu schlüpfen, darin kenne ich mich aus, glaube mir. Wir können das üben“
Sie lachte freudlos. „Das ist lieb von dir gemeint. Aber du bist nicht Zorro. Wie soll ich das üben? Du könntest dir eine Maske aufsetzen und ich kann mir das trotzdem nicht vorstellen und mich in die Situation hineinversetzen, weil du eben nicht Zorro bist.“
Diego schwieg darauf mit einer Mimik, die sie nicht deuten konnte. Dann erwiderte er leise: „Ich würde dir gerne helfen, wenn du mich lässt. Lass es uns zumindest versuchen.“
Sie wollte ablehnen, aber etwas in seiner Stimme hielt sie davon ab. Hatte gerade traurig und frustriert geklungen? „Also gut, Diego“ willigte sie deshalb ein. “Versuchen wir es.“