Diego war mit Felipe in der Höhle. Sein Vater war unterwegs, um die Zäune zu kontrollieren.
Der junge Mann kümmerte sich um Toronado, während Diego mit einigen Flüssigkeiten experimentierte.
„Weißt du Felipe, das Ganze gefällt mir nicht. Seit mein Vater mich kämpfen gesehen hat, benimmt er sich mir gegenüber anders. Und jetzt noch der Degen und sein Vorschlag mit der Fechtstunde“. Er schüttelte den Kopf. „Dann sein Vorschlag, Victoria zu umwerben. Was meinst du, kennt er die Wahrheit?“ Er machte sich Sorgen.
Sein zukünftiger Sohn zuckte mit den Schultern. Auch er war diesbezüglich ratlos.
„Es kann natürlich auch sein, dass ich mich irre. Dass er einfach froh ist, dass sein Sohn nicht ganz so hilflos ist wie er dachte. Und er jetzt versucht, mich entsprechend zu beeinflussen, dass ich mutiger werde“.
Felipe machte seine Gesten.
Diego nickte „Ja Felipe, vielleicht ist es wirklich so und ich mache mir unnötige Gedanken. Mein Problem ist nur dass ich ihn nicht fragen kann, ohne mich zu verraten“. Er begann gerade, zwei der Flüssigkeiten ineinander zu schütten und vorsichtig zu schütteln. Nichts passierte.
Müde rieb er sich die Augen. Auch bezüglich seiner wissenschaftlichen Experimente schien er heute kein Glück zu haben. Das Rätsel über seinen Vater, seine Täuschungen gegenüber den geliebten Menschen, das alles empfand er als doch sehr bedrückend. Und gestern war Victoria nahe daran gewesen, die Wahrheit zu erkennen. Glücklicherweise hatte er es rechtzeitig bemerkt und sie ablenken können. Es war einfach noch zu früh dazu. Doch wie sollte er zukünftig damit umgehen?
Nicht das erste Mal dachte er daran, alles aufzuklären. Das war jedoch leichter gesagt als getan. Es war einfach zu viel Zeit vergangen. Am Anfang hatte er nicht geglaubt, diese Maskerade so lange treiben zu können. Und irgendwie hatte er den richtigen Zeitpunkt verpasst. Abgesehen davon, wollte er sie nicht unnötig in Gefahr bringen.
Auf der anderen Seite fühlte er sich einfach müde und erschöpft. Diese Erschöpfung war schleichend gekommen, aber mittlerweile empfand er sie als sehr belastend. Er fühlte sich seltsam ausgelaugt und die Zorro Auftritte kosteten ihm Kraft. Fast noch anstrengender jedoch war der Alltag, seine Täuschungen gegenüber Victoria und seinem Vater. Wie gerne hätte er zumindest einen von ihnen die Wahrheit gesagt. Es würde gut tun sich nicht nur mit Felipe, sondern auch mit jemand weiteren sich über seine Probleme, Sorgen und Nöte zu sprechen.
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Der Alkalde trommelte verärgert mit seinen Fingern auf der Schreibtischplatte. Er wusste nicht mehr, wohin mit den Banditen. Mit den Gonzalesbrüdern hatte er jetzt das Gefängnis mehr als voll. Am liebsten hätte er das ganze Gesindel direkt aufgeknöpft. Nicht zum ersten Mal überlegte er, das Gefängnis zu vergrößern.
Im Augenblick hätte er nicht mal Platz gehabt, um Zorro einzusperren, und das wurmte ihn am meisten. Wahrscheinlich fing der Bandit deshalb die ganzen Vogelfreien ein - damit kein Platz mehr für ihn selbst blieb.
Dieser Maskierte war ein wahrer Teufel. Wenn er doch nur herausfinden konnte, wer sich hinter der Maske verbarg.
Aber es bestand Hoffnung.
In diesem Moment klopfte es und Mendoza betrat die Stube. „Alkalde, hier ist ein Senor Carlos Vicente. Er sagt, Ihr erwartet ihn“.
„Das ist richtig“. Ignacio grinste. „Er soll eintreten“.
Der Sergeant salutierte und verließ den Raum. Der erwartete Gast trat ein.
„Willkommen, Vicente, in Los Angeles“ grüßte DeSoto. Er musterte den Mann neugierig.
„Gracias, Alkalde“. Carlos schenkte ihm ein verschlagenes Lächeln.
„Setzt Euch doch“. Kaum war der andere dieser Aufforderung nachgekommen, fuhr Ignacio schon fort: „Kommen wir am besten gleich zum Wesentlichen. Ihr meint, Ihr könnt mir helfen, Zorro zu entlarven?“
„Si. Ich habe schon so manche Geheimnisse aufgedeckt“.
„Dieser Bandit treibt schon viel zu lange sein Unwesen. Mir liegt sehr daran, ihn endlich zu fangen“ erklärte DeSoto grimmig.
Der andere Spanier lachte selbstbewusst. „Das werdet Ihr, ich verspreche es Euch. Ich habe eine gute Nase für so etwas. Und ich bin fremd und daher unvoreingenommen. Ich sehe daher möglicherweise Dinge, die Euch schon gar nicht mehr auffallen“.
Der Alkalde war zufrieden. „Ihr werdet Euch in der Taverne einquartieren, nehme ich an?“
„Ja, das liegt auf der Hand. Wie ich hörte, flirten die Betreiberin und Zorro öffentlich miteinander“.
„Leider nicht mehr, zumindest nicht im Moment“ bedauerte der andere. „Die beiden haben Streit, wie es scheint“.
Vicente grinste. „Umso besser, Alkalde. Erfahrungsgemäß machen die Menschen im solchen Situationen die meisten Fehler, wenn es nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen“.
„Ihr müsst es wissen“. Der Bürgermeister war mehr als zufrieden. Carlos wirkte verschlagen genug, um Zorro ein für alle Mal zu vernichten. Er hatte ein gutes Gefühl bei der Sache.
„Mendoza!!“ rief er laut.
Die Tür öffnete sich und der Gerufene trat herein. „Bring mir eine Flasche Wein und zwei Gläser. Ihr trinkt doch ein Glas mit mir, oder Vicente?“
„Mit Vergnügen, Alkalde“.
„Sehr gut. Wir haben schließlich etwas zu feiern. Zorro ist so gut wie erledigt“. Ein bösartiges Grinsen umspielte die Lippen DeSotos.
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Es war kurz vor Mittag. Diego hatte seine Experimente aufgegeben und sein Versteck wieder verlassen. Eigentlich müsste sein Vater jeden Moment wieder zurückkehren.
Ein einzelner Reiter näherte sich. Er ritt sein Pferd hart und näherte sich im schnellen Tempo der Hacienda. Als er das Gebäude erreicht hatte, sprang er hastig von seinem Tier und stürmte ins Haus.
Der Mann war erschöpft und voller Staub. Weiter war seine Kleidung teilweise zerrissen und man konnte einige kleinere Schnittverletzungen und Aufschürfungen erkennen.
„Senor Vega“ rief er laut. „Wo seid Ihr?“
Der Mann lief eilig herum.
Diego hörte sein Rufen im Kaminzimmer und kam dem Mann entgegen.
„Pablo“ rief er erschrocken als er den Eindringling erblickte. Der Vaquero war zusammen mit Alejandro aufgebrochen. „Was ist passiert? Ist etwas mit meinem Vater?!“ rief er besorgt und packte den anderen an den Schultern.
Der Vaquero atmete schwer. Er konnte nur stockend antworten: „Banditen! Sie haben uns überfallen. Euer Vater, euer Vater wurde dabei von einer Kugel getroffen“.
Diego wurde kreidebleich. „Lebt mein Vater noch?“
Er bemerkte nur am Rande, dass Felipe dazugekommen war und sich hinter den Mann gestellt hatte.
„Si, Don Diego. Der zweite Vaquero, Manuel, ist bei ihm. Don Alejandro meinte, ich solle gleich zu Euch reiten. Ihr würdet wissen, was zu tun ist“.
Felipe zog überrascht die Augenbrauen hoch. Der junge Vega atmete erleichtert aus spannte sich aber sofort wieder an, als Pablo fortfuhr: „Wir konnten die Banditen in die Flucht schlagen, ich weiß aber nicht, ob sie wiederkommen werden“.
„Wo ist das passiert? Wo ist mein Vater jetzt?“
„Wir waren gerade dabei, die Zäune auszubessern. Ich glaube Euer Vater hat Euch vor einigen Tagen die Stelle gezeigt. Wo der schwarze Bulle untergebracht war“.
Diego nickte. Felipe, der immer noch hinter dem Mann stand, malte ein kleines Z in die Luft und sah ihn fragend an.
Der junge Vega schüttelte fast unmerklich den Kopf. Wenn die Banditen möglicherweise noch in der Nähe waren, zählte jede Minute.
„Rasch, Felipe. Sattle zwei Pferde und packe Verbandszeug sowie etwas Alkohol zum Desinfizieren mit“. Der Diener verschwand sofort. Diego wandte sich an Pablo: „Wie schwer ist er verletzt?“
„Ich weiß es nicht, Senor. Sein linkes Bein wurde getroffen. Er war bei Bewusstsein, hatte aber ziemliche Schmerzen“.
„Ok. Pablo, verschnaufe kurz, dann nimm dir ein frisches Pferd und reite zu Dr. Hernandez. Am besten soll er etwas mitbringen, so dass wir ihn sicher transportieren können. Ich reite mit Felipe zu meinem Vater“. Er wartete die Antwort des anderen nicht weiter ab, sondern stürmte in sein Zimmer. Ohne weiter darüber nachzudenken, packte er den Degen samt Waffengurt und schnallte ihn sich um. Welche Ironie, dass er diese Waffe gerade gestern von seinem Vater erhalten hatte.
Er eilte in den Stall und fand Felipe bereits beschäftigt, die Pferde zu richten. Rasch sattelten sie ein zweites Pferd. Auf die stumme Frage seines Freundes flüsterte Diego: „Nein Felipe, wir dürfen keine Zeit verlieren. Das Umziehen könnte zu lange gehen. Davon abgesehen würde ich mich wohl endgültig bei meinem Vater verraten, wenn Zorro kommt und nicht ich. Und er braucht mich jetzt als Diego, er braucht seinen Sohn“.
Beide beeilen sich und nach kurzer Zeit entfernten sich zwei Reiter im schnellen Galopp Richtung Osten von der Hacienda.
Obwohl sie die Tiere wirklich antrieben dauerte es eine halbe Stunde, bis sie das Ziel erreicht hatten.
Als er in Sichtweite kann, sah er einen Mann aus der Entfernung aufgeregt winken. Nähergekommen, sahen sie, dass es Manuel war: „Don Diego, Gott sei Dank!“
Der Angesprochene flog schier von seinem Pferd als er nahe genug war. Ängstlich sah er zu dem Körper, der neben Manuel auf dem Boden regungslos lag. “Vater“, flüsterte er. War er zu spät? War er tot? Gestorben ohne die Wahrheit über seinen Sohn zu erfahren?