Bill sah hinab auf den Jungen im Bett. Bis zur Nasenspitze lag dieser unter der goldenen Decke versteckt. Dipper wirkte so viel kleiner in diesem riesigen Bett. Aber irgendwas sagte Bill, das Dipper perfekt in dieses Bett passte. Der Junge gehörte dorthin. Nein. Nicht nur in dieses Bett. Auch an Bills Seite. Wo Bill der König war, war Dipper seine Königin.
Bill legte den Kopf schief und lächelte. Ja, Dipper gehörte an seine Seite, zu niemand anderem. Und Dipper gehörte ihm. Sein Körper, sein Geist, seine Gedanken, seine Emotionen.
Waren diese Gefühle etwas, was die Menschen Liebe nannten? Nein, Bill schüttelte den Kopf. Er konnte keine Liebe empfinden. Er war ein Dämon. Es sollte ihm nicht möglich sein Liebe zu fühlen. Schon gar nicht für einen einfachen Menschen. Aber Dipper war in Bills Augen nicht einfach nur ein Mensch. Nein. Dipper Pines war etwas besonderes. So besonders, wie er es noch nie gesehen hatte.
Ein leises Keuchen riss Bill aus seinen Gedanken. Er sah zu dem Braunhaarigen, welcher um sich schlug. Schweiß lief über seine Stirn, der Mund leicht geöffnet. Seine Brust hob und senkte sich gefährlich schnell. Hatte Dipper einen Alptraum? Bill biss sich auf die Lippe, er durfte sich nicht einmischen. Nicht wenn er Dipper als perfektes, kleines Haustier haben wollte. Aber war es das was Bill wirklich wollte? Ein gebrochenes Spielzeug? Der Blonde schüttelte den Kopf und stürzte sich aufs Bett.
Dipper unter sich, zwischen seinen Beinen, berührte Bill den Jungen an den Schläfen. Bill hatte bereits genug Schäden angerichtet. Jetzt war es an der Zeit ein paar der Schäden wieder zu reparieren.
Bill tauchte in Dippers Traum auf. Alles war grau. Die Zeit verlief viel zu langsam. Es stank, als würden irgendwo in der Nähe Menschen verbrennen. Genau wie Plastik. Der Blonde rümpfte die Nase. Wovon träumte Dipper?
Er sah sich um. Normalerweise spiegelten Alpträume die größten Ängste eines Wesen wieder. Ängste welche tief im Inneren eines Wesens verankert waren. „Wo steckst du, Pinetree?“, fragte Bill und hielt sich die langen, blonden Haare aus dem Gesicht, welche der Wind verwehte. Vor ihm war nichts außer einem gigantischen Wald. Dieser versank in tiefster Dunkelheit, Bill konnte keinen Meter weit sehen.
Er drehte sich um und erkannte das hinter ihm nur genauso viel Dunkelheit wartete wie vor ihm. „Du möchtest also das ich durch den Wald stapfe? Wie du möchtest.“, murrte Bill. „Bleib weg.“, hallte eine leise Stimme. „Ich soll wegbleiben? Wer bist du, das du mir Befehle gibst?“, lachte Bill. „Dipper. Ich bin es.“, antwortete die Stimme. „Dann komm zu mir Pinetree. Ich befreie dich aus diesem Alptraum.“, sagte der Blonde. „Du möchtest mich nur weiter in deinem Spinnennetz einfangen. Tief in meinem Inneren wusste ich die ganze Zeit das meine Freunde und meine Familie mir all das niemals antuen würden.“, erklärte Dipper. Jetzt erkannte Bill den Jungen. Er trat aus der Dunkelheit des Waldes heraus. Und irgendwie war es, als wäre er älter. Bill lachte. „Ich wusste du bist besonders.“ „Bill, mit Schleimereien kommst du bei mir nicht weiter.“, brummte Dipper. „Muss ich dir wieder mit Gewalt drohen? Komm schon Pinetree. Wir hatten doch so viel Spaß die letzten Stunden. Warum musst du immer alles kaputt machen?“, fragte Bill und sah den Jungen vorwurfsvoll an. „Liegt wohl in meiner Natur, alles zu zerstören was Spaß machen könnte.“, zuckte Dipper mit den Schultern. Wieder lachte Bill. „Ich werde dir Manieren beibringen, Junge.“
Dippers Lachen unterbrach die Stille. Bill verstand nicht, wieso dieser Junge immer so fürchterlich anstrengend sein musste. „Warum lachst du nun? Was ist so witzig?“, fragte Bill.
„Bill verstehst du es nicht? Du willst mich brechen, zeigst mir Bilder von meinen Freunden und meiner Familie, wie sie mich foltern. Aber Bill, du bist nicht tief genug in meine Gedanken und Erinnerungen eingedrungen. Tief in mir. Tief in diesem Wald versteckt sich die Wahrheit. Die Wahrheit, welche ich gefunden habe. So und nun verschwinde, Cipher. Starte Seltsamageddon, starte den Weltuntergang. Die Menschheit wird einen Weg finden dich zu vernichten. Meine Familie wird mich retten kommen und dann werden wir dich ohne mit der Wimper zu zucken, zurück in das Alptraumreich treten.“, sagte Dipper und bohrte Bill seinen Finger in die Brust.
Auf dem Gesicht des Blonden erschien ein breites Grinsen. „Stimmt, Pinetree. Ich bin nicht tief genug eingedrungen. Aber das werde ich heute ändern. Ich habe alle wichtigen Informationen, welche ich von dir brauche. Du bist nur eine Puppe. Eine Puppe die mein Zeichen trägt, die mir gehört. Und wenn ich keine Lust mehr habe, mit dir zu spielen, werde ich dich von mir stoßen.“, lächelte Bill.
Wie gerne würde er Dipper einfach das Genick brechen. Aber leider gab es einen Harken. Leider brauchte er den Jungen noch. Auch wenn er Dipper an seiner Seite sehen wollte, es war nicht notwendig. Er könnte auch ohne Dipper regieren.
Doch der Junge zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Du brauchst mich Bill. Lebendig oder irre ich mich? Nein, ich irre mich nicht. Du brauchst jemanden, der dich darum bittet Seltsamageddon zu starten. Und momentan scheine ich der einzige zu sein, der dir dabei helfen kann.“, lächelte Dipper. „Oh je, ich bin also auf dich angewiesen? Wie kannst du dich nur höher stellen als du es wirklich bist, Pinetree. Du bist für mich einer der interessanteren Menschen, ohne Zweifel, aber du bist nicht der einzige Mensch auf dieser Welt. Ich muss nur jemanden manipulieren und schon bittet er mich um alles.“, erklärte Bill lächelnd. Endlich hatte der Blonde die Kontrolle in diesem Gespräch zurück. Endlich konnte er Dipper zeigen, wie armselig der Junge war. „Aber du hast recht. Jemand muss mich darum bitte Seltsamageddon zu starten. Und du wirst es sein. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du mich auf den Knien anflehen. Das verspreche ich dir.“
Schreiend wachte Dipper aus seinem Alptraum auf. Bill hing grinsend über ihm. Die Augen des Jungen weiteten sich und er öffnete erschrocken den Mund. Doch Bill legte ihm seine Hand auf diesen und ließ keinen Laut entweichen. „Dich hört sowieso niemand schreien, Pinetree. Wollen wir dein liebliches Stimmchen doch für den spannenderen Teil aufheben oder nicht?“, lächelte Bill und fuhr dem zitternden Jungen durch die Haare. Eine Strähnen verhedderten sich zwischen seinen Fingern, doch Bill zeigte kein Mitleid und riss die Haare hinaus. Dipper kniff die Augen zusammen. „Warum musst du es mir so schwer machen? Warum hättest du nicht einfach glauben können das deine Familie dich hasst. Oh Pinetree, du hättest ein schönes Leben haben können. Ein friedliches Leben. An meiner Seite. Wir hätten regieren können.“, flüsterte Bill und biss Dipper ins Ohrläppchen. „Und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du nur ein Haufen Elend sein. Das schwöre ich dir, Pinetree.“
Schwarze Tentakel hielten Dipper in der Luft gefangen. Die Arme hoch über seinem Kopf. Seine Zehenspitzen berührten gerade so den Boden. Bill saß vor ihm, in einem roten Ledersessel und beobachtete ihn. Schweiß lief Dipper über die Stirn. „Was hast du jetzt mit mir vor?“, fragte der Junge. „Das werden meine Freunde und ich uns überlegen. Und glaub mir, meine Freunde werden nicht so gnädig mit dir sein.“, lächelte Bill. Dann öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer und Bills Freunde betraten den Raum.
„Endlich treffen wir uns, Pines.“, lächelte Tad, zog seine Melone und beugte sich ein Stück vor. „Aber Bill er ist so mickrig! Wir werden ihn doch kaputt machen.“, jammerte Pyronica. „Dieser sture Bock wird es überstehen. Glaubt mir.“, lächelte Bill und lehnte sich zurück. In keiner Sekunde ließ er Dipper aus den Augen. „Er übersteht alles.“
Dipper schrie. Sein kompletter Körper fühlte sich an, als stünde er in Flammen. Pyronica, die Inkarnation von Bills Flammen hatte sich als erstes an ihm ausgetobt. Die rosafarbigen Flammen krochen an seinen nackten Füßen zu seiner Hose hinauf. Fraßen sie langsam auf. Die Flammen verbrannten zwar seine Kleidung, aber nicht seinen Körper. Allerdings fühlte Dipper sich dennoch schrecklich. Tränen liefen über seine Wangen. Doch Pyronica zeigte ihm kein Mitleid, immer wieder löschte sie die Flammen und entzündete sie an anderen Körperstellen. Nur sein Gesicht blieb verschont.
„Und Pinetree? Gibst du auf?“, fragte Bill. Dipper öffnete die Augen. „Niemals.“, gab er mit fester Stimme zurück. „Schade. All das hätte bereits enden können.“, zuckte Bill mit den Schultern.
Kryptos kam als nächstes. Er krallte sich in Dippers Haare, zerrte seinen Kopf in den Nacken. Dipper biss die Zähne zusammen um Bill nicht noch mehr Genugtuung zu geben. „Wegen dir mussten wir zurück ins Alptraumreich. Wegen dir sind wir hier immer noch gefangen. Zögere es nicht weiter hinaus. Ich möchte einige Menschlein vernichten.“, lachte Kryptos. „Vergiss es.“, keuchte Dipper. Aus dem Augenwinkel sah er zu dem quadratischen Dämon. „Nun wie du möchtest.“, lächelte dieser, dann schlug er Dipper in den Magen. Beinahe hätte Dipper vor Schmerzen geschrien. Aber mit einem Biss auf die Lippe konnte er dies unterdrücken.
„Gibst du endlich auf?“, fragte Bill ein weiteres Mal. „Niemals.“, keuchte Dipper, ließ den Kopf hängen und spuckte Bill vor die Füße. Er schmeckte das Blut, die Magensäure. Und am liebsten hätte Dipper sich ein weiteres Mal übergeben. „Wie du möchtest… aber ich sag dir eins, du hast schon einmal bessere Zeiten hinter dir gehabt.“, lächelte Bill. „Fick dich, Bill. Ich werde niemals nachgeben. Macht ruhig weiter. Lange halte ich nicht mehr durch. Bald werde ich tot sein. Dann bin ich dich los.“, Dipper verzog seine blutigen Lippen zu einem makaberen Grinsen. „Du und Tot? Das ich nicht lache. Denkst du wirklich ich würde dich einfach so sterben lassen? Bitte Pinetree. Hältst du mich wirklich für so langweilig?“, fragte Bill, stand von seinem Sessel auf und kam auf Dipper zu. Er packte den Jungen am Kinn und hob seinen Kopf. Nun sahen sie sich wieder in die Augen. In Dippers Augen sah man genau, er hatte noch genug Kampfgeist im Körper. Aber Bill kam eine Idee. „Weißt du Pinetree. Mir kam gerade ein Gedanke. Willst du wissen was so in meinem Kopf vorgeht?“, fragte Bill. „Egal was ich dir antworte, du wirst es mir sowieso erzählen.“, sagte Dipper. „Du hast es erkannt.“
„Also gut. Es ist wirklich simpel. Selbst du, mit deinem Mikrobenhirn wirst es verstehen.“, sagte Bill mit ausschweifender Handbewegung. Dipper verdrehte die Augen. „Was möchtest du von mir, Cipher? Du konntest mich nicht brechen, deine Schergen konnten mich nicht brechen. Was willst du noch versuchen?“, fragte Dipper. „Nun, zu allererst fangen wir hier mit an.“, lächelte Bill, packte Dippers Kinn fester. Dipper beobachtete jede Bewegung von Bill. „Willkommen, in deiner persönlichen Hölle, Dipper Pines.“, flüsterte der Blonde süffisant.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte Dipper sich so elendig gefühlt wie an diesem. Er hockte zusammengesunken am Boden. Die Arme, beide gebrochen und ausgekugelt, wurden immer noch von den schwarzen Tentakeln in der Luft gehalten. Das Atmen fiel ihm unglaublich schwer, was nicht weiter verwunderlich war, wenn man bedachte das Kryptos ihm drei Rippen gebrochen hatte.
Sein linkes Bein lag ebenfalls in einem merkwürdigen Winkel am Boden. Der Oberschenkelknochen war gebrochen, die Kniescheibe nicht mehr dort, wo sie eigentlich sein sollte.
Blut lief Dipper aus der Nase, seine Lippen aufgerissen und ebenfalls blutig.
„Und jetzt kommen wir zum Höhepunkt deiner Folter. Es wird nur einmal kurz wehtuen und es wird sich auch nur ganz kurz merkwürdig anfühlen. Versprochen.“, lächelte Bill ihn an. Wieder hob er Dippers Kopf an. Dieses Mal allerdings erwiderte Dipper den Blick nicht. Zu schwach war er. „Du gibst ja gar keine Widerworte.“
Bill ließ sein Kinn los, berührte Dipper aber weiterhin. Dieses Mal allerdings bekam er eine Reaktion. Panisch riss Dipper seine Augen auf, als Bill lange, dünne Finger seine Augenlider festhielten. „B-Bill?“, flüsterte Dipper heiser. „Es tut nur ganz kurz weh.“, lächelte Bill und presste die Finger in die Augenhöhle. Wäre es Dipper möglich gewesen, er hätte geschrien. Aber seine Stimme blieb ihm im Hals stecken, den Mund hatte er bereits zum Schrei geöffnet. Doch nicht ein Ton verließ diesen, als Bill an seinem Auge herumspielte. Und der Blonde hatte wirklich recht gehabt, in diesem Moment, diesem einen Moment tat es nur kurz weh. In diesem Moment, in dem Bill das Auge aus dessen schützender Höhle riss.
Danach brach die Hölle über Dipper herein. Allerdings spürte er davon nicht lange etwas. Kurz sah er Bill zu, mit seinem gesunden Auge, wie er mit dem Augapfel spielte, dann wurde er bewusstlos.
Dipper kam in seiner Traumwelt wieder zu sich. Er fasste sich an den Kopf und stöhnte leise. Selbst hier hatte er unglaubliche Schmerzen. Bill hatte ihn verstümmelt. Bill hatte ihm sein Auge genommen. Aber er würde dem Blonden nicht nachgeben. Dipper weigerte sich dem Dämon den Sieg so einfach zu geben.
Langsam, aber mit wackeligen Beinen richtete Dipper sich auf. Er war wirklich froh das die Verletzungen, welche er in der Realität von dieser Tortur davongetragen hatte, nicht auch in der Traumwelt existierten. Nur die Schmerzen waren da. Sie würden ihn auch nicht so schnell verlassen.
Seufzend drehte er sich zum Wald um. Dort saßen seine Erinnerungen. Hier fühlte er sich wohl. Bei seinen Freunden, seiner Familie.
Er vermisste seine Schwester. Er vermisste Ford und Stan. Selbst seine Eltern vermisste er. Seufzend ließ er sich auf einem Baumstamm nieder und legte den Kopf in den Nacken. Es würde bald anfangen zu regnen.
„Ich wusste, ich finde dich hier.“, flüsterte eine Stimme. Dipper sah sich um. „Lass mich in Frieden Bill. Du hast mir für heute doch genug angetan oder nicht?“, fragte Dipper. Der Blonde tauchte hinter einem Baum auf. „Scheinbar nicht genug.“, lächelte Bill und ließ sich neben ihm auf dem Stamm nieder. Dipper sah zu ihm. „Und was wirst du mir jetzt noch antuen?“, fragte Dipper. „Wie du eben so nett sagtest, ich habe nicht tief genug in diesem Wald herumgewühlt. Das werde ich jetzt tuen. Jeden einzelnen dieser dreckigen Bäume werde ich verbrennen.“, lächelte Bill. „Nein! Tu mir das nicht an! Bill ich bitte dich, du kannst mich foltern, von mir aus. Aber nimm mir nicht die Erinnerungen an meine Familie und meine Freunde.“, flehte Dipper. „Aber Pinetree, mit diesen Fleischsäcken im Hinterkopf wirst du niemals mir gehören. Und ich möchte das du mir gehörst. Mit Haut und Haaren. Jeder deiner Gedanken soll an mich gerichtet sein. Verstehst du es nicht? Deine Familie will uns trennen. Das kann ich nicht zu lassen.“, sagte Bill und nahm Dippers Gesicht in beide Hände. Er sah dem jüngeren in die Augen. „Deswegen muss ich das tuen. Verzeih mir also. Aber ich bin egoistisch. Ich möchte dich nur für mich haben.“, flüsterte Bill und küsste Dippers Stirn.
Dipper stand vor Bill, wurde von ihm festgehalten und musste zusehen wie all seine geliebten Erinnerungen in Flammen aufgingen. Tränen liefen über seine Wangen. „Bitte Bill… zerstör nicht alles…“, schluchzte er. „Mein Geliebter Pinetree. Es ist für unsere gemeinsame Zukunft.“, flüsterte Bill und fuhr Dipper über das eingebrannte Zeichen im Nacken.
Und dann war alles vorbei. Der Wald, welcher vor wenigen Sekunden noch dort gestanden hatte war nur noch ein Haufen Asche. „Siehst du, es ist vorbei, mein geliebter Pinetree.“, flüsterte Bill. „Was ist vorbei? Wo sind wir hier?“, antwortete der Junge. „Das mein Liebling, ist eine lange Geschichte. Aber dafür solltest du aufwachen, dann erzähl ich dir alles. Versprochen.“, lächelte Bill.