Hjorgcai legte den Kopf in den Nacken und sah die Berge an, die sich gegen den Horizont erhoben. Sie war ein Kind der südwestlichen Steppen, Berge waren ihr fremd. Das Winterlager des Königs befand sich im Schatten des Terchai-Gebirges, in den grünen Wäldern am Fluss Sjatschan. Wälder. Wie waren Wälder? Die Alten hatten erzählt, dass Wälder sich mächtig wie das Meer hin und her wiegten, das sie grün und voller Früchte waren, das es bunte Vögel dort gab und giftige Schlangen. Hjorgcai glaubte es nicht. Wie konnten Bäume so mächtig wie das Meer sein? Das Meer, das sich mit unendlicher Macht gegen die Klippen warf und sich niemandem unterwarf. Ihr Volk, das Volk der Aweynche, mied und fürchtete das Meer. Sie zogen durch die Steppen und befuhren nicht das Meer, doch auch Wälder waren Hjorgcai fremd. Sie kannte die Baumgruppen, unter denen man Schutz vor der brennenden Sonne fand, doch Meere aus Bäumen? Und Gebirge wollten sie sich mit dem Himmel messen, oder unter der Sonne schmelzen?
Hjorgcai trug eine feste Lederhose, die in ihren Stiefeln steckte. Am Oberkörper trug sie eine ärmellose, gefütterte Jacke und darüber einen wadenlangen Umhang, den Deel. Der Deel war rot und besaß lange Ärmel und einen hohen Kragen, zum Schutz gegen den eisigen Wind, der über die Steppe fegte. Der Deel war mit Stickereien bedeckt und um die Hüfte mit einem Gürtel befestigt. Über den Deel trug sie eine Seidenrüstung. Ein Hut bedeckte Hjorgcais dunklen Haare, die sie nach hinten gebunden hatte. Der Hut bestand aus Filz und war mit Koralle und anderen kostbaren Steinen geschmückt, die Hjorgcais Stand anzeigten. Über die Schulter trug sie einen Bogenköcher, sowie Taschen mit Pfeilen. An ihrer Seite war ein langes, einschneidiges, säbelartiges Schwert mit einer geringen Krümmung befestigt, das so genannte Khelm.
Hjorgcai war stolz auf ihre Familie, auf ihren Stamm und sie würde nur jemanden heiraten, der ihrer würdig war und sie auch versorgen konnte. In ihren Kindern sollte das gleiche ehrenhafte Blut fließen wie in den ihren und sie sollten Eltern haben, auf die sie stolz sein konnten. Nicht wie Hjorgcai deren Mutter zu schwach für die Versorgung ihrer Kinder gewesen war und ihr Leben schließlich dem reißenden Strom gegeben hatte.
Sie sah in den Himmel und runzelte die Stirn. Zwei kleine Punkte näherten sich ihr schnell. Die Aweynche fluchte stumm in sich hinein, sie war zu unaufmerksam gewesen. Unachtsamkeit war eine der größten Fehler, die einem in den weitläufigen Steppen passieren konnte. Es gab kaum Deckung und auch wenn die Aweynche gute Krieger waren, war Unachtsamkeit ein Fehler, der ihnen nicht geschehen durfte.
Hjorgcai trieb ihr Pferd noch mehr an. Sie drehte sich im Sattel um und holte ihren Bogen hervor. Sie wählte Pfeile für lange Distanzen aus, die in etwa eineinhalb Armlängen maßen. Hjorgcai legte den Pfeil an und visierte im Galopp den Himmel an. Die Schatten kamen näher und die Aweynche erkannte in ihnen drei Greifvögel. Die Greifvögel flogen hoch, doch sie kamen rasch näher. Der Pfeil löste sich mit schneller Geschwindigkeit von der Sehne. Hjorgcai legte den nächsten in die Sehne und zielte erneut. Der erste Pfeil hatte getroffen, doch es kamen noch zwei weitere Greifvögel auf sie zu. Hjorgcai griff zu den Pfeilen für kürzere Distanzen und zielte erneut. Der zweite Vogel wurde am Flügel getroffen und flatterte zu Boden, doch er kam am Boden dennoch auf sie zu. Hjorgcai trieb ihre Stute noch mehr an, um Abstand zwischen sich und den Vogel am Boden zu bekommen. Ein weiterer Pfeil traf den fliegenden Raubvogel, doch er flog weiter. Nun konnte Hjorgcai das gelbe Bauchgefieder sehen, die einzelnen Federn und die spitzen Krallen. Hjorgcai warf sich zur Seite und die Krallen jagten durch die Luft, wo die eben noch gesessen hatte. Einen brennenden Schmerz in ihrer rechten Schulter spürte sie trotzdem aufjagen. Die Seidenrüstung hatte den größten Teil abgefangen, doch die Wunde brannte dennoch. Sie zog ihren Khelm und als der Vogel das nächste Mal auf sie zu jagte, warf sie sich zur Seite und hieb nach oben. Gelbe Federn rieselten herab und raubten ihr für kurze Zeit die Sicht.
Auch der zweite Vogel hatte sie nun eingeholt, obwohl ihre Stute im rasenden Galopp über den Steppenboden jagte. Hjorgcai nahm nur noch die trommelnden Hufe, sowie das Pulsieren des Blutes in ihren Ohren und die Schreie der Raubvögel wahr.
Der Vogel stieß erneut herab. Hjorgcai spürte erneut einen stechenden Schmerz in ihrer Schulter und einen Zug, als sich die Krallen um ihren Arm schlossen. Sie spürte den Wind in ihrem Gesicht und die Angst in ihrem Kopf aufsteigen. Übelkeit machte sich in ihrem Körper breit. Leise fluchte sie vor sich hin, ihre alte Schwäche durfte ihr nun nicht zum tödlichen Fehler werden. Hjorgcai hatte es niemanden erzählt, doch sie hatte Höhenangst. Das Khelm hielt sie mit ihrer rechten Hand immer noch fest, die lähmende Angst verhinderte nur, dass sie den Arm erhob.
Der riesige Vogel trug sie immer höher hinauf. Ein, aus, ein, aus. Hjorgcai versuchte ihre Atmung zu konzentrieren. Ein, aus, ein, aus. Unter sich sah sie die Steppen und den anderen Raubvogel, der ihr Pferd verfolgte. Ein, aus, ein, aus. Entschlossenheit machte sich in Hjorgcai breit. Dieser Vogel würde nicht das Ende sein. Sie spannte ihre Muskeln und schaffte es das Khelm zu erheben. Es bohrte sich in das Bein des Vogels. Er schrie vor Schmerz auf, doch ihr Plan hatte funktioniert, der Vogel ließ sie los. Die Steppen kamen ihr entgegen, rasend schnell. Sie umklammerte ihr Schwert, ihren Bogen hatte sie fallen gelassen, diese Waffe würde sie nicht verlieren.
Hjorgcai prallte mit voller Wucht auf dem Boden auf, Sterne tanzten vor ihren Augen und verzweifelt kämpfte sie gegen die Ohnmächtigkeit an. Nein! Ohnmächtigkeit würde ihren Tod bedeuten, der eine Vogel lief schließlich immer noch durch die Steppen. Ein Wiehern ertönte und Hjorgcai erkannte in dem Schatten, der auf sie zu raste, ihre Stute. Das Tier stoppte vor ihr und sie zog sich am Sattelleder hoch. Die Welt klarte sich vor ihren Augen wieder auf und der Schwindel verschwand. Ihr ganzer Körper schmerzte, doch sie musste stehen bleiben. Das Wiehern der Stute wurde eindringlicher und Hjorgcai konnte die Panik spüren, die das Pferd mit seinem ganzen Wesen ausstrahlte. Der Vogel kam auf sie zu! Sie zog sich in den Sattel. Immer noch Sterne vor Augen, holte sie ihren Ersatzbogen hervor und legte einen Pfeil ein. Die Stute fing an zu galoppieren und Hjorgcai ignorierte die Schmerzen, die ihr Sturz gebracht hatte, so gut sie es konnte. Der erste Pfeil flog zu weit und verfehlte den Vogel um mehrere Schrittlängen. Der nächste Pfeil traf den schon verletzten Flügel, doch das Tier lief weiter. Der zweite Vogel war verschwunden, aber dieser blieb ein hartnäckiger Verfolger. Da der Vogel schneller rannte als ihr Pferd, hatte er sie bald eingeholt. Erst jetzt erkannte Hjorgcai die Größe des Vogels: Er überragte ihre Stute um mindestens eine Armlänge. Sie ließ den Bogen fallen und zog ihren Khelm. Das glänzende Metall beeindruckte den Vogel nicht im Geringsten. Auch das sie nach seinem Gefieder hieb und erneut Federn zu Boden rieselten, schien ihn nicht zu stören. Der Vogel wandte ihr seinen großen Kopf zu und einen Moment war Hjorgcai bei diesen Augen wie gelähmt, doch der spitze Schnabel riss sie in die Gegenwart zurück. Zu spät, sie reagierte zu spät. Der Schnabel bohrte sich in ihre Seidenrüstung und schleuderte sie zu Boden. Ihr Pferd warf sie ab und rannte panisch davon, den Vogel interessierte es nicht, er kam auf sie zu. Hjorgcai rollte sich ab und sprang auf die Füße. Sie wog ihre Möglichkeiten ab. Weglaufen war sinnlos, das Tier war viel zu schnell und ihr Pferd davon gelaufen. Es blieb nur der direkte Kampf.
Hjorgcai wich dem Schnabel des Vogels aus, der seine gefährlichste Waffe war und zielte auf seinen Hals, den sie jedoch verfehlte. Sie war im Kampf mit dem Schwert längst nicht so geübt wie im Kampf mit dem Bogen und das zahlte sich jetzt zu ihrem Nachteil aus.
Sie wich dem Schnabel erneut aus, stolperte über einen Stein und knallte auf den Boden. Sie spürte den Schmerz, als eine alte Wunde wieder aufbrach. Der Schmerz nahm ihr ganzes Denken, ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Eine warme Flüssigkeit lief über ihren Rücken. Das Blut machte den Raubvogel noch aggressiver, ein verletztes am Boden liegendes Beutetier. Hjorgcai wollte nicht sterben. Ihre Finger tasteten fahrig über den Boden, aber ihr Schwert war unerreichbar. Der Raubvogel starrte sie an. Und seine Augen waren so schön…Um die Pupillen begann ein grüngelber Farbstreifen, der langsam ins Blaue überging, bis diese einen strahlenden Türkiston annahmen. Noch nie hatte sie eine solche Schönheit gesehen wie die, die in diesen Augen lag. Fast hätte sie die Gefahr vergessen, die in diesen Augen lauerte. Doch dann brachen sie. Plötzlich, auf einmal brach der Vogel zusammen. Hjorgcai betrachtete den Pfeil, der sich in eines dieser wunderschönen Augen gebohrt hatte. Fast wünschte sie sich, dass die Augen in all ihren Farben weiterhin erstrahlen würden, doch gleichzeitig war sie froh zu leben.
Hjorgcai setzte sich auf und hob ihre Hand gegen die brennende Sonne. Drei Reiter mit einem Handpferd kamen auf sie zu. Sie wollte aufstehen, um wenigstens den letzten Funken ihrer Ehre zu bewahren, doch sie scheiterte kläglich an den Schmerzen. Die Reiter parierten ihre Pferde und musterten sie.
„Sieh mal einer an, Hjorgcai. Die beste Kriegerin, die es in den Steppen gibt.“. Hjorgcai sah zu ihm hoch. Egyran. Es war jener Mann, dem sie versprochen war. Jener Mann, den sie hatte besiegen wollen, wie all diejenigen zuvor. Nun wünschte Hjorgcai sich, dass der Vogel sie getötet hätte. Sie konnte diese Blicke nicht ertragen, diese Blicke, die ihr sagten, dass sie versagt hatte. Sie hatte unnahbar, unbesiegbar scheinen wollen und nun galt sie als schwach. Ihre Ehre für immer gekränkt, der Name ihrer Familie für immer in Schande gezogen. Trotz der Schmerzen stemmte sie sich hoch. Verneigen würde sie sich nicht. Das würde sie ihm nicht zugestehen, nicht sie, die als die beste Jägerin der Aweynche galt. Gegolten hatte, verbesserte sie sich selbst. Egyran starrte sie immer noch an. Hjorgcai wollte seinen Blick erwidern, stark wirken, doch dann senkte sie den Kopf. Egyran nickte seinen Begleitern zu. Einer reichte ihr die Zügel ihrer Stute, die sie eingefangen hatten. Mühsam stieg Hjorgcai in den Sattel und versuchte die Schmerzen zu ignorieren, die ihr ganzes Sein einnahmen. Wichtiger war in diesem Moment nur der Gedanke der Schande.
Tabita kam sich fehl am Platz vor. Sie hätte es nie gedacht, doch selbst Sjavkonhkar schien seinen Platz zu kennen, während sie nichts zu tun hatte. Tabita war körperliche Arbeit nicht gewöhnt, das Schwerste was sie geschleppt hatte, waren Bücher gewesen. So konnte sie nicht wie ihr Bruder den Matrosen helfen. Narichre hatte ihr zwar angeboten, dass sie ihr helfen konnte, doch sie verstand sich nicht auf das Lesen von Seekarten und das Berechnen von Routen. Sie saß in der Kabine, die sie sich mit Narichre teilte und untersuchte den Bogen. Tabita war Wissenschaftlerin, keine Kriegerin oder Arbeiterin. Nun versuchte sie die Zeichen, die den Bogen schmückten, zu entschlüsseln. Der Bogen war größtenteils mit Bildern und Mustern verziert, doch es gab auch einige Zeichen von denen Tabita sich sicher war, dass sie Schriftzeichen waren. Die Bilder zeigten kleine Szenen. Bilder von Tieren und ein Motiv, das sich immer wieder wiederholte, war ein Baum. Die Bilder waren alle in Farbe, doch das Rot dieses Baumes überstrahlte alle anderen Farben. Und dennoch sprachen die Farben eine Sprache, die Tabita nicht verstand. Sie wusste nicht, ob dies eine Bildsprache war, wie die Sphinxe sie nutzen, doch da Schriftzeichen ebenfalls in das Holz eingeritzt waren, vermutete sie das Gegenteil. Die Schriftzeichen bestanden aus zwei Abschnitten, die Tabita als Wörter einordnete. Zwei Wörter in einer Schrift bestehend aus ununterbrochenen Linien. Tabita sprach alle Sprachen Anthars fließend, doch sie konnte keinen Vergleich zu diesen Schriftzeichen herstellen. Ein Zeichen ähnelte zwar dem elbischen Buchstaben Lèyn, doch das war alles. Selbst untereinander ähnelten sich die Zeichen nicht, jedes Zeichen war unterschiedlich von seinem Nachbarn. Nichos hatte Tabita ein Buch über die Sprachen von Sehjoldon und Sahres mitgegeben, doch auch in diesem Buch kam keines der Zeichen vor. Die Zeichen gehörte weder einer Sprache der Sebetjh noch der Aweynche an. Es war eine Tabita völlig unbekannte Sprache. Es war eine Sprache, die selbst den Hersorn unbekannt war. Tabita war ratlos. Wenn selbst die Hersor diese Sprache nicht kannten, was konnte sie dann ausrichten?
Also fing sie an die wichtigsten Sprachen der Aweynche, so wie die Sprache der Sebetjh zu lernen. Vielleicht würde sie in den Ländern mehr über die Sprache herausfinden. Doch wenn die Sprache nicht von Sehjol und Sebetjh kam, von wem war sie dann? Denn musste nicht der Bogen dem Volk gehören, dass die Zeichen des Bogens verstand? Tabita hatte immer mehr das Gefühl, in ein Geflecht aus Lügen und Geheimnissen einzudringen. Ein Geflecht, in dem die Wahrheit tief verborgen war, unmöglich zu finden zwischen all den Lügen. Und selbst die Elben schienen die wirkliche Wahrheit nicht zu kennen oder hatte Arlèn ihr die Wahrheit verschwiegen? Doch Tabita glaubte, dass selbst die Elben das Geheimnis nicht mehr kannte. Nur wenn sie die Wahrheit nicht kannten, wer kannte sie dann? Wenn jede Seite von ihrer Wahrheit überzeugt war, wem gehörte dann der Bogen? Wer hatte Anspruch darauf? Was sollte sie tun?! Sie kam sich vor, als hätte man sie ins Meer gestoßen und ihr befohlen zu schwimmen.
Verzweiflung wollte sie überkommen, doch dann nahm sie die Stimme wahr. Wie ein Windhauch, zaghaft und vorsichtig, als ob sie erst um Erlaubnis fragen wollte. Und dennoch rückten all die Verzweifelung, all die Ängste in den Hintergrund. Sie waren unwichtig angesichts dieser Stimme. Und erst jetzt wurde Tabita gewiss, dass sie bei all der Aufregung nicht an IHN gedacht hatte. Keiner hatte an IHN gedacht. Er war einfach in Vergessenheit geraten, obwohl er derjenige war, für den sie kämpfen sollten. Ascarna war bei der Versammlung die Einzige gewesen, die überhaupt an ihn gedacht hatte, auch wenn die Anderen die Tiefe hinter ihren Gedanken nicht verstanden hatten. Er, der Hüter, König der Welt.
Und sie fing an durch zu atmen. Sie begann all die Last, die sie in den letzten Wochen und Monaten angesammelt hatte, abzugeben. Und sie begann zu ruhen. Wirklich zu ruhen, tief durchzuatmen, ohne Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen. Sie hörte die Wellen gegen die Planken schlagen, hörte die Rufe der Matrosen und die Schreie der Möwen. Und sie lächelte. Lächeln, richtig Lächeln, ohne Anspannung auf den Schultern.
Die Tür der Kabine öffnete sich und ihr Bruder stürmte herein. Tabita sah ihn an. Er lachte mit seinem stürmischen Lachen an.
„Komm, Tabita.“.
Tabita zuckte mit den Schultern und folgte ihrem Bruder auf das Deck. Der salzige Seewind fuhr ihr ins Gesicht und das Rauschen des Meeres begrüßte sie mit wildem Gebrüll. Obwohl so wild sah das Meer gar nicht mal aus…Im Moment herrschte ein ziemlich ruhiger Wellengang mit nur wenig Wind. Die Niamey glitt langsam aber stetig dahin. Tabita war froh, dass die Seekrankheit nicht wieder kam, die sie die ersten Tage gequält hatte. Vier Tage waren sie nun schon unterwegs.
Erst jetzt bemerkte Tabita, dass sich viele der Matrosen in einem Kreis um sie und Joshua versammelt hatten. Und dieses Grinsen, das sich auf Joshuas Gesicht breit gemacht hatte, kannte sie nur zu gut. Es war das Gesicht gewesen, wenn er Stolperfallen und Mist aus den Stallungen in ihrem Zimmern versteckt hatte.
„Du hast lange nicht mehr geübt, oder?“, fragte ihr Bruder sie.
„Nein, Joshua, Nein.“. Sie sah zu den Matrosen, die sie abwartend beobachten.
„Komm schon. Du solltest kämpfen können.“.
Er warf ihr ein Holzschwert zu, dass Tabita grade noch auffangen konnte. Ohne abzuwarten, kam Joshua auf sie zu. Auch er hielt ein Holzschwert in den Händen. Mit Mühe konnte Tabita seinen Schlag abwehren. Er griff sie erneut an, immer und immer wieder. Bald liefen die ersten Schweißperlen über Tabitas Stirn, während ihr Bruder sich mühelos über die Planken bewegte. Es kamen ihr wie Stunden vor, als er endlich sein Schwert senkte.
„Deine Beinarbeit ist gut, aber du hast kaum Kraft in den Armen. Jetzt brauchen wir eine Waffe für dich.“.
Er reichte ihr sein eigenes Schwert, das in einer roten Scheide aus Holz und Leder steckte. Es war ein Anderthalbhänder. Das Heft war mit dunklen Lederstreifen umwickelt. Doch Tabita scheiterte allein daran, das Schwert aus der Scheide zu ziehen.
„Nein.“, er schüttelte den Kopf.
„Dieran!“. Joshua winkte einen elbischen Matrosen zu sich. „Gib Tabita deine Waffe.“.
Der Elb reichte Tabita seine Partisane. Die Partisane war größer als sie selbst und besaß einen einfachen hölzernen Schaft, auf dem Schaft saß ein geschmiedeter Aufsatz. Eine Mittelklinge und zwei zur Seite gebogene weitere Klingen, die von der Form zusammen an einen Halbmond erinnerten. Tabita hob die Partisane zum Stoß und war zufrieden wie schnell sich Holz und Metall ihrem Willen unterwarfen.
Joshua nickte zufrieden.
„Es ist eigentlich keine Waffe für eine Königstochter, aber wenn du dich damals verteidigen kannst, soll es mir recht sein. Allerdings solltest du eine mit kürzerem Schaft nehmen.“.
Tabita reichte die Partisane dem Elben, der sie dankend annahm. Wenig später stand sie mit ihrer eigenen Waffe da. Und dennoch hoffte sie, dass sie die Partisane nie nutzen müsste.
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