Das Wetter war gut. Der Wind trieb sie stetig nach Osten. Es war ein seltsames Gefühl, so weit entfernt von jeglicher Zivilisation zu sein. Der Wellengang war ruhig, doch Narichre erinnerte sie immer wieder daran, dass sie sich immer noch in einer Bucht befanden. Eine große Bucht, doch sie waren immer noch von den heftigen Winden geschützt, die auf dem offenen Meer regierten. Es war der siebte Tag und in der Zwischenzeit hatte sich Tabita an das Beben der Planken unter ihren Füßen gewöhnt. Die Niamey war ein großes Schiff, eine Pracht in all ihren Bewegungen. Die Segel blähten sich an den beiden Masten im Wind und Tabita genoss den Wind in ihrem Gesicht.
Sie öffnete die Tür der Kapitänskajüte, die sie sich mit Narichre teilte und stellte sich neben die Hersora. Diese beugte sich über Karten, hielt einen Kompass in der Hand und runzelte die Stirn. Tabita sah ihr über die Schulter. Sie versuchte sich auf den Karten zu orientieren, doch mit den Strömungen, den kleinen Inseln konnte sie wenig anfangen.
„Wo sind wir?“, fragte sie leise.
„Hier.“. Die Hersora deutete auf einen Punkt im Norden der Bucht, „Ich versuche an den Küsten Noliôns zu bleiben, hier sind die Strömungen nicht so stark wie im Süden. Außerdem bezweifle ich, dass die Elben Noliôns uns angreifen werden, während die Oteilon im Süden ihre Länder bis zum Tod vor Eindringlingen schützen werden. Wenn wir die Bucht verlassen haben, müssen wir durch die Meerenge von Salvion. Dann steuern wir die Küsten von Sehjoldon, dem Land der Aweynche, an.“.
„Warst du jemals dort?“, fragte sie die Hersora leise.
„In Sehjoldon? Nein, doch ich wollte immer dort hin. Doch ich war in Noliôn, Nol Manyé und den Ländern der Hersor westlich des Lonthers: Vonell und Naniell.“.
„Ich komme mir richtig begrenzt vor, ich war noch nie außerhalb Anthars.“.
„Du hast dein Leben noch vor dir, Tabita. Ich habe schon viele Jahre gesehen und viel Weisheit gesammelt. Du hast Zeit.“.
Tabita blätterte durch die Karten und versuchte die Größe der Welt zu verstehen, mit all den Ländern und ihr unbekannten Völkern. Doch zwischen den Karten fand sie ein Pergament, das nicht zu den anderen passte. Es war ein Stammbaum, ein Stammbaum von König Nichos und seiner Schwester Halide. Tabita studierte ihn gründlich.
„Ich wusste nicht, dass er von Lorichos und Firejll abstammt.“, murmelte sie.
„Was? Nun er sagt es nicht, weil kein anderes hersorisches Königspaar bei den Sphinxen verhasster ist. Die Hersor prahlen nicht damit, um den Frieden zu wahren.“.
Lorichos und Firejll war das Königspaar, das den größten und einzigen Sieg eines hersorischen Heeres gegenüber einem sphinxischen errungen hatte. Dadurch, dass sie den sphinxischen König ermordet hatten, hatten sie einen Bürgerkrieg ausgelöst, von dem sich das sphinxische Reich erst Jahrzehnte später wieder erholt hatte. Sie hatten sich viel sphinxischen Hass zugezogen, doch sie hatten ihr Reich geschützt.
Narichre deutete auf eine Person im Stammbaum, eine Urgroßmutter von Nichos und Halide mütterlicherseits, eine Hersora namens Lenede.
„Das ist meine Mutter.“, erklärte sie leise, „Harsin, Nichos Großvater, war mein Halbbruder.“.
„Was bedeutet die leere Stelle bei deinem Großvater?“, fragte Tabita nachdenklich. Denn auf hersorischen Stammbäumen kamen leere Stellen so gut wie nie vor.
„Ich weiß es nicht. Man sagt, dass meine Großmutter meine Mutter in Sahres bekam. Das war ein Grund, warum ich mitkam. Ich will die leere Stelle in meinem Stammbaum aufklären.“.
Tabita betrachtete den Stammbaum.
„Was bedeutet das?“. Sie deutete auf Zeichen, die unter dem Stammbaum geschrieben waren. Sie erkannte Zeichen aus den Sprachen Lernai und Nerai, einer weiteren hersorischen Sprache. Und dennoch verstand sie nicht ein einziges Wort.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete Narichre.
Dieses Mal log sie. Tabita spürte es, sie hörte es in ihrer Stimme. Sie kannte Menschen gut genug, um Lügen zu erkennen.
Doch die Schreie der Männer verhinderten, dass Tabita sie nach dem Grund fragte. Narichre riss die Tür der Kajüte auf und rannte nach draußen. Tabita folgte ihr. Sie sah sich um. Das Schiff fuhr nahe der Küste und so erkannte Tabita Land. Doch das war es nicht, was die Schreie der Männer auf sich gelenkt hatte. Es waren die drei Gestalten, die im Wasser standen. Vor dem Schiff ragten drei Oberkörper aus dem Wasser, obwohl die Wassertiefe um die vier Meter betrug.
Narichre trat neben sie.
„Trawdorkil.“, erklärte sie leise.
Trawdorkil! Tabita beobachtete die drei, sie waren die ersten Vertreter ihrer Art, denen Tabita begegnete.
„Still, versucht sie zu ignorieren. Solange sie sich nicht bedroht sehen, sind sie harmlos.“, wies Narichre ihre Männer an.
Die Trawdorkil besaßen keine Waffen außer ihren Fäusten, doch sie konnten das Schiff durch einen einzigen Schritt zerstören. Sie schienen etwas langsam von Begriff zu sein, sie starrten dieses Objekt nur an, das ihren Weg gekreuzt hatte. Ihre Haut war leicht bläulich, ihr verfilztes Haar weiß, die Zähne gelb, die Augen vor Ärger und Verwunderung verzogen.
„Ich glaube, sie sind schon gereizt.“, flüsterte einer der Matrosen leise.
Und als hätten die Trawdorkil seine Worte gehört, setzten sie sich schwerfällig in Bewegung.
„Fahrt aufnehmen.“, rief Narichre, „Waffen bereit nehmen...“.
Tabita sah wie die Elben Pfeile einlegten, doch sie hatte die Haut gesehen, Trawdorkil konnten nicht mit Pfeilen oder Speeren besiegt werden. Ihre Haut war dick, undurchdringbar.
Und sie sah wie Joshua mit Narichre diskutierte.
Dann hallte ein neuer Befehl über das Deck: „Zu den Kanonen.“.
Tabita schloss langsam die Augen, sie hatte nicht vergessen, was Nichos über diese Waffen gesagt hatte. Ihre Ängste und Befürchtungen waren nur noch größer geworden. Sie blieb am Deck stehen, neben Narichre. Die Hersora sah besorgt aus.
„Was ist das für eine Art zu kämpfen?“, fragte Sjavkonhkar, „Es ist feige, einem Gegner beim Kämpfen nicht gegenüber zu stehen.“.
„Auch wenn der Gegner so groß ist?“, erwiderte Narichre, ohne auf eine Antwort zu warten.
Die Trawdorkil stampften auf sie zu.
„Feuer!“. Narichres Stimme hallte laut über das Deck. Eine Salve Kanonen glitt durch die Luft. Und Tabita wünschte sich, dass die Kanonen nicht so gut wären. Blut färbte das Wasser rot, als zwei der Trawdorkil schon bei der ersten Salve ins Wasser fielen. Der Dritte schien klüger zu sein als die anderen, denn er hatte sich ins Wasser geworfen und war so den tödlichen Kugeln entgangen. Langsam schwamm er auf sie zu. Die zweite Salve pfiff weit über ihm durch die Luft. Trotz seiner geringen Geschwindigkeit war der Trawdorkil immer noch schneller als die Niamey. Denn die Männer, die normalerweise ruderten, waren an den Kanonen und der Wind brachte das Schiff nur allmählich vorwärts, da sie sich in der Nähe des Ufers befanden. Das Ufer…
„Narichre! Trawdorkil meiden Städte. Gibt es hier in der Nähe eine Stadt?“.
Narichre nickte: „Manyiè Arym.“.
„An die Ruder.“, lautete ihr nächster Befehl, denn der Trawdorkil steuerte den Bug des Schiffes an, so dass er außerhalb der Reichweite der Kanonen war. Die Ruder tauchten ins Wasser und beschleunigten ihre Fahrt – der Trawdorkil stand nur mitten in ihrer Fahrtrichtung. Narichre befahl den restlichen Bogenschützen zu zielen, um den Trawdorkil anzulenken. Doch es war sinnlos, er schien die Pfeile noch nicht einmal zu spüren. Tabita starrte die riesigen Zähne an, die Hände größer als sie selbst. Der Bug bohrte sich in den Bauch des Trawdorkils, er stolperte kurz, blieb dann aber stehen, einer undurchdringbaren Mauer gleich.
Tabita hörte wie Sjavkonhkar etwas in seiner Sprache murmelte, dann rannte er davon. Als er zurückkam hielt er einen Wasserbeutel in der Hand.
Er schüttete er es in das Wasser und murmelte einige Worte, leise geflüstert, die der Wind in die Welt hinaus trug.
Der Trawdorkil beachtete die Worte nicht. Doch Tabita hatte gelernt, dass Worte die mächtigste Waffe der Welt waren – wenn es denn die richtigen waren. Der Trawdorkil griff nach dem Mast und knickte ihn um, wie ein Kind, das einen Stock zerbrach. Die weißen Segel verschwanden im Meer, wie ein Friedensangebot an die Wesen, die dort in der Tiefe lauerten. Nur, dass Tabita nicht nach Frieden war. Die Wut war es, der ihre Aufmerksamkeit galt. Wut, heißer Zorn, wie Flüsse aus glühendem Feuer. Tabita wusste nicht, woher der plötzliche Mut kam. Sie wusste nicht, was sie dazu brachte, ihre Partisane zu ergreifen und auf den Trawdorkil zu zu rennen. Jetzt war sie diejenige, die wahnsinnige Möglichkeiten sah, nicht Joshua. Als der Trawdorkil nach den Bogenschützen griff, sprang sie auf seinen Arm. Der Trawdorkil schien sie nicht zu bemerken, aber dies störte Tabita nicht. Es war besser, wenn sie vorerst unbemerkt blieb. Als der Trawdorkil den Arm hob, konnte Tabita sich im letzten Moment an einem der borstigen Haare festhalten. Jetzt hielt der Trawdorkil zwei elbische Bogenschützen in der Hand. Tabita stand wieder auf und rannte zu der Hand. Sie wusste nicht was Sjavkonhkar für Worte gesprochen hatte, sie wusste nur, dass sie etwas tun musste – Hass war ein mächtiges Antriebsmittel. Der Trawdorkil hob die Hand zum Gesicht, als wollte er seine Beute betrachten. Und Tabita schleuderte ihre Partisane. Sie war nie besonders gut im zielen gewesen, doch dieses Mal traf sie. Dieses eine Mal fand die Waffe ihr Ziel. Blut spritzte, das Auge hatte keine dicke Haut besessen. Vor Überraschung oder vor Schmerz ließ der Trawdorkil seine Beute fallen und Tabita sprang ebenfalls ab. Mit voller Wucht knallte sie auf die Planken, für einen Moment tanzten Sterne vor ihren Augen, dann erhob sie sich. Sie sah sich um. Der Trawdorkil taumelte und hatte sich die Hand auf sein blutendes Auge gepresst. Er hatte den Weg frei gemacht.
Die Niamey nahm wieder Fahrt auf. Die Segel waren verloren, aber die Ruder konnten ins Wasser tauchen.
„Nicht angreifen, wie?“. Sjavkonhkar sah sie spöttisch an, „Doch ich fürchte, du hast ihn nur noch wütender gemacht.“.
„Ich habe uns Zeit erkauft.“, widersprach sie. Sie wollte hören, dass sie etwas Gutes getan hatte, dass ihr Handeln etwas gebracht hatte.
„Es war mutig, aber dumm.“, erklärte Sjavkonhkar schließlich. Dann ließ er sie stehen und starrte über die Reling.
„Wir haben die Bucht, in der Manyiè Arym liegt, bald erreicht.“, unterbrach Narichre sie, „Ich bin froh, dass dein Bruder, das nicht mitbekommen hat, Tabita.“.
Sie hatte Recht. Obwohl Joshua es niemals zugeben würde, wusste Tabita wie sehr er sich, um sie sorgte. Sein Wutanfall würde später folgen, er würde sie anschreien und dann in die Arme schließen, wieder zu schimpfen. Oh ja, sie kannte ihren Bruder.
Nur, dass sie jetzt andere Probleme hatte. Der Trawdorkil stapfte hinter ihnen her, langsamer als zuvor, aber stetig. Und der Hoffnungsschimmer erschien... Eine kleine Bucht breitete sich vor ihnen aus. Die weißen Dächer funkelten verheißungsvoll in der Morgensonne, wie ein Versprechen. Manyiè Arym, das Versprechen des Volkes. Narichre und die Ruderer brachten das Schiff in den sicheren Hafen und der Trawdorkil blieb hinter ihnen zurück.
Tabita atmete auf.
Der Hafen war kleiner als der in Tyral Rorym und es waren weniger Elben unterwegs, doch es war friedlicher. Über dem Hafen ragte die Stadt auf, gewaltige Treppen verbanden Hafen und Stadt. Im Gegensatz zu ihrer Heimat trugen diese Häuser Flachdächer, auf denen häufig Terrassen angelegt worden waren. Eine wahre Farbenpracht strahlte ihnen entgegen, von blauen, roten und leuchtend lilanen Blumen.
Die Niamey legte an. Tabita betrachtete die Elben, die sich am Steg versammelt hatten und das Schiff neugierig betrachteten.
„Tabita!“. Joshua stellte sich neben sie, „Das war mutig von dir, auch wenn es etwas planlos war. Ich hätte...“.
„…Es dir nicht erlaubt?“, führte Tabita seinen Satz zu Ende.
„Was?“. Ihr Bruder sah sie stirnrunzelnd an, „Nein, ich hätte mit dir gemeinsam angegriffen.“.
Sie grinste ihn an. „Wenn ich darüber nachgedacht hätte, wäre es mir wahnsinnig vorgekommen und ich hätte es unterlassen.“.
„Es war ja auch wahnsinnig.“, konterte er, „Außerdem benötigst du jetzt eine neue Waffe.“.
Tabita nickte nur und sah zu den Elben, die Platz machten für zwei Elben.
Tabita kamen Worte aus einer alten Erzählung über Kayra, die Erste, in den Sinn
Sie meinten, dass sie eine Elbenfürstin von jenseits des Meeres, aus den Ländern Nol Manyé, Sarinon und Noliôh, war. Dort lebten weise und friedliche Völker. Sie war wohl hier um Erôn ihre Aufwartung zu machen und zu bestätigen, dass er der rechtmäßige König war. Wohlmöglich brachte sie Neuigkeiten. Lange hatten die Elben nichts mehr von diesen fernen Ländern gehört, seit den Zeiten Nîrians, wo der Handel unterbrochen worden war.
Diese Elben wirkten so anders, als die Elben Ciyens. Nicht äußerlich sondern von ihrem Charakter. Sie bezweifelte, dass dieses Volk schon viele Kriege geführt hatte. Tabita kam sich neben ihnen wie eine graue Maus vor, all die Herrlichkeit von Tyral Rorym schien ihr farblos im Vergleich zu dieser Stadt, zu diesen Elben zu sein.
„Anaalor, Sorainnei. Orell ortè anaalor tary Manyiè Arym. – Willkommen Freunde, ihr seid willkommen in Manyiè Arym.“. Tabita sah auf. Es war der Elb, der mit einer Elbe hervorgetreten war, der gesprochen hatte. Sie bezweifelte keinen Moment, dass dies ihr König war. Er war von seiner ganzen Ausstrahlung königlich. Er trug keinen Schmuck, der das offensichtlich machte – nur eine dunkelblaue Robe – aber sie erkannte es, an der Weise wie er redete, wie die Elben zu ihm aufsahen. Sein Haar war hell und schimmerte leicht bläulich, wie bei all den Elben hier. Seine Augen waren blau, wie das klare Meerwasser des Nordens.
Tabita trat vor, sie verstand es nicht, doch das kostete sie mehr Mut, als gegen der Trawdorkil zu kämpfen.
„Mein Name ist Erendi Ikjoskay und dies ist mein Bruder Joshua Kijoskay. Ich grüße euch, König und Königin von Noliôn.“.
„Und ich grüße euch, Erendi und Joshua, Kinder von Kayra und Josia, die König und Königin Ciyens sind. Ihr seid willkommen in unserem Reich.“, dieses Mal war es die Elbe. Sie war kleiner als ihr Mann und trug eine Robe in hellem Grün. „Mein Name ist Linovèn, das ist mein Mann Erelion. Willkommen.“. Sie deutete in Richtung der Stadt. „Ruht euch aus und erzählt uns aus eurem Land. Ihr könnt eure Vorräte aufstocken und euch in der Stadt umsehen, wenn ihr mögt. Eure Begleiter sind uns ebenfalls willkommen.“.
Die Stadt war an jeder Ecke überraschend und wunderschön. Der Duft von tausenden von Blüten hing in der Luft und füllte sie mit Klängen aus fremden Ländern, Melodien, eine schöner als die Andere. Die Stadt war sauber, Wände waren mit Gemälden bedeckt, die Landschaften zeigten, spielende Kinder, Elben mit Harfen. Tabita erkannte keine einzige Waffe auf ihnen, keine Rüstung, auch Statuen fehlten völlig. Es war Frieden und Gelassenheit, die diese Stadt umgab wie einen Mantel gewebt aus herrlichen Farben. Der Palast stand mitten in der Stadt und war wie die Häuser mit tausenden von Blumen geschmückt worden. Vor dem Eingang standen zwei mächtige Eichen, als wollten sie die Wachen ersetzen, die aus dieser Stadt verschwunden zu sein schienen.
Erelion und Linovèn führten sie auf eine Terrasse, die Aussicht über die Stadt und das glänzende Meer bot, das ruhig und still dalag.
Linovèn schenkte ihnen Getränke hin und deckte Speisen auf. Sie schien es überhaupt nicht zu kümmern, dass sie dabei aussah wie eine Dienerin und nicht wie eine Königin. Tabitas Mutter wäre es nie in den Sinn gekommen, am Tisch zu dienen, das gehörte sich nicht.
Tabita sah zu den Anderen. Joshua sah sich um und ihr fiel auf, dass er nicht wie sonst, nervös auf seiner Stuhllehne trommelte. Darl Schattenklinge genoss nachdenklich die Aussicht und Narichre musterte eingehend das Porzellan ihres Tellers. Sjavkonhkar sah sich ebenfalls um, er schien der Einzige zu sein, der sich offensichtlich unwohl fühlte.
„Esst und Trinkt. Hier habt ihr, nichts zu befürchten.“, eröffnete Erelion das Essen und deckte die Platten auf. Wunderbare Düfte strömten Tabita entgegen. Platten voller Obst, von denen Tabita nur die wenigsten kannte und frisches Brot waren nur Wenige von den Welten, die sich vor ihnen ausbreitete.
Linovèn ging herum und schenkte ihnen ein. Tabita nippte vorsichtig an dem Getränk und sofort breitete sich eine Explosion von Geschmäcken in ihrem Mund aus. Früchte wie Äpfel und Trauben schmeckte sie sofort heraus, doch da waren noch hunderte weitere, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden.
„Wie geht es Ciyen?“, erkundigte sich Linovèn.
„Gut.“, erwiderte Tabita, „Vor vier Jahren hatten wir eine Hungersnot, da die Ernten durch Regen und Stürme vernichtet worden sind, doch es herrscht Frieden und die Beziehungen zu den Nachtbarländern sind ebenfalls zufrieden stellend.“.
„Das freut mich zu hören. Es ist schön, wenn Länder den Frieden für sich entdecken.“, antwortete Erelion.
„Frieden. Wir sind dankbar, wenn er uns auch länger erhalten bleibt.“, murmelte Narichre.
„Euer Schiff ist nicht für den Handel gebaut worden. Es ist ein Schiff mit gefährlichen Waffen, die Tod und Verderben mit sich bringen.“.
„Sie sind für unsere Verteidigung.“, verteidigte Joshua das Schiff.
Linovèn musterte Tabita nachdenklich.
„Die Trawdorkil haben euch nichts getan“, meinte sie langsam, „Ihr habt sie gestört und dennoch mussten sie leiden, obwohl ihr Schuld daran sein? Das ist keine Verteidigung mehr, Joshua Kijoskay.“.
„Dann hätten sie uns getötet.“, argumentierte Joshua und Tabita erkannte die Wut in den Augen ihres Bruders. Er hatte es nicht gerne, wenn jemand seine Entscheidungen anfocht.
„So sind die Gesetze des Lebens. Ihr habt euch zu Herren aufgeschwungen, über Wesen, die euch nicht dienen. Euch, Erendi und Joshua, wurde das Land Ciyen zur Herrschaft gegeben, nicht das Meer. Die Wesen, die darin leben, dienen und sterben nur für den König Ériyor, dem Höchsten. Er hat niemanden anderen zum Herrscher des Meeres bestimmt, also habt ihr kein Recht über Tod und Leben der Geschöpfe zu entscheiden, deren Länder euch nicht gehören. Ihr dürft euch nehmen, was ihr an Nahrung braucht, doch der Tod der Trawdorkil war sinnlos und wenn ihr IHN um Hilfe gebeten hätte, dann wären die Trawdorkil verschwunden, wie Blätter, die der Wind davon treibt.“.
Sie sah zu Sjavkonhkar.
„Du magst glauben, dass dein Plan besser war, als der ihre, doch die Nixen des Meeres sind nicht deine Diener. Ihr habt keinen Bund mit ihnen geschlossen, wie mit den Nixen des Levars. Sie helfen nur denjenigen, die Hilfe benötigen und die den Hüter selbst erkannt haben und dies tun sie aus freiem Willen und weil sie gelernt haben, zu dienen. Den Trawdorkil mit den Nixen abzulenken, wäre der Tod für sie gewesen, denn die Trawdorkil lieben nichts mehr, als das Fleisch der Nixen. Doch sie hätten dir nicht gehorcht, weil du nicht gelernt hast, selbst zu dienen und zu geben.“.
„Nun ruht euch aus und schlaft.“, erklärte Erelion. Und Tabita spürte die Müdigkeit, die sie überkam wie ein Windstoß, doch es war ein sanfter Windstoß, der sie in herrliche Welten trug. Welten, in denen Frieden und Liebe regierten.