„Wir besitzen 360 Schiffe, der Feind 330. Geteilt sind unsere Schiffe in vier Geschwader.“. Queron betrachtete seine Admirale und Königin Arzaya, die neben ihm stand und an seiner Seite kämpfen würde. Sie war Arzaya, die Starke. Die Königin der Jorohne, dem Volk der Eroberer und die Königin von Madruk, dem Land des Meeres. Sie war die Königin, die ihr Volk geeint hatte und es zu einer starken wirtschaftlichen Macht erhoben hatte. Von ihrem Volk als eine der ihren geachtet, würde sie auch bei ihnen kämpfen.
Querons Vater hatte unter Königin Zaréa gedient und ihre Armee angeführt und er tat nun dasselbe unter Arzaya. Sein Vater hatte ihm nie viel über Zaréa erzählt, doch er hatte es in den Augen dieses Fremden gelesen. Zaréa hatte ebenso wie ihre Tochter mit Stärke regiert, doch es war eine Stärke, die auf Blut und Eisen gebaut war, nicht wie Arzaya, die auf Liebe und Fürsorge baute.
Er betrachtete die Karte, die vor ihm ausgebreitet war und die Bucht von Anthar zeigte. Er schob winzige Miniaturschiffe in Position, bis die beiden Flotten sich bildeten.
„Wir haben uns in einer Reihe aufgestellt. Die Sebetjh nähern sich in Kampfformation. Wie die Adler der Hersora beobachtet haben, wird die Flotte von zwei Geschwadern in Keil-Formation angeführt. Dann kommen die Transportschiffe, die von den beiden letzten Geschwadern geschützt werden.“.
„Wie sieht es mit ihrer Bewaffnung aus?“.
„Sie besitzen wie wir Skorpione und Katapulte. In dieser Hinsicht sind wir in etwa gleich stark, ebenfalls sind sie mit beweglichen Enterbrücken ausgestattet, die mit einem System von Seilzügen am Bug befestigt sind. Unterhalb der Brücke befindet sich ein Dorn.“, erklärte der Sphinx Sjavkonhkar.
„Sie wollen ihre Infanterie auch auf den Schiffen einsetzen. Der Dorn wird sich in unsere Schiffe fressen, so dass die Enterbrücken heruntergelassen werden müssen und sie ihre Männer auf unsere Schiffe bringen können.“, erkannte ein Jorohn, der Sohn des Herren von Tiron. „Eine hervorragende Infanterie, das müssen wir ihnen lassen. Allerdings müssen die Schiffe durch die Enterbrücken auch schwerfälliger sein und die Manövrierfähigkeit wird beeinträchtigt.“.
„Dann werden sie bei Schlechtwetter ganz schön Probleme bekommen.“, erklärte eine Jorohni mit einem Lächeln.
„Darauf können wir uns aber nicht verlassen.“, unterbrach Queron sie, „Mit unseren leichteren Schiffen sind wir zwar beweglicher, allerdings sind diese Enterbrücken wirklich gefährlich. Dennoch. Arzaya wird den Befehl über das zweite und dritte Geschwader übernehmen und ich führe das Erste und Vierte. Wir lassen das zweite und dritte Geschwader einen Scheinrückzug durchführen, worauf die ersten beiden Geschwader der Sebetjh sie verfolgen werden. Durch die entstandene Lücke werden die Flankengeschwader die Transportschiffe angreifen, denn von ihnen hängt auf Dauer das Überleben der Flotte ab. Sie können sich nicht aus dem Hinterland versorgen lassen und auch nichts plündern. Den Rest müssen wir abwarten.“.
Queron verließ die Kajüte und trat auf das Deck der Königin Arzaya. Links und rechts von ihm erstreckte sich die Flotte. Mächtige Schiffe, hunderte von Segeln wehten im Wind und unter seinen Füßen knarrten die Planken. Es roch nach Seesalz, nach Pech und Holz. Mächtige Katapulte erhoben sich, bereit Steine und Fässer voll Pech abzuschießen. Er trat nach Vorne auf ein Zwischendeck, das alleine für die Skorpione gedacht war. Auch diese würden ihre tödliche Fracht nur allzu gerne loswerden.
„Herr. Seht, ein Schiff.“.
Queron trat an die Reling und starrte nach Osten. Nach Osten, wo die Sonne auf ging und mit ihrem Rot den Himmel färbte. An diesem Tag würde auch das Meer diese Farbe tragen, dank des Zornes, der aus dem Land der Sonne über sie hereinbrach. Flammen würden in ihrer tödlichen Wut, Menschen und Schiffe verzehren. Der Sturm brach herein. Das Meer rollte heran, doch nach einer Zeit brach jede Welle an den unerbitterlichen Klippen. Und nur selten war sie so hoch, dass die Menschen flüchten mussten, aber jede war nur von kurzer Dauer.
„Nicht schießen.“, befahl er. „Dieses Schiff fährt unter elbischer Flagge.“.
„Herr, wenn es eine Falle ist?“, meinte der Matrose und duckte sich danach, als fürchtete er wie ein ungehorsamer Hund geschlagen zu werden.
„Ich kenne jedes Schiff, das den Hafen Yarills jemals verlassen hat und kann jedes Schiff dieser Flotte beim Namen nennen. Ich sage dir, dies ist die Niamey.“.
Der Junge erwiderte nichts. Queron erkannte aber den Stolz, den er ausstrahlte. Stolz darüber, dass der Befehlshaber sich herabgelassen hatte, ihm zu antworten.
„Jeder Mann auf diesem Schiff ist wichtig, mag er sich selbst auch für so gering erachten. Ein Mann kann die Wage zum Kippen bringen.“. Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und sah wie dieser davon ging, um seinen Freunden von dem Erlebnis zu berichten.
Doch Queron lächelte nicht. Denn dieser Junge würde in der Schlacht den Tod finden, wie viele anderen auch. Sie waren zu unerfahren, wollten mutig wie ein Wolf erscheinen, ähnelten aber eher Mäusen. Es galt nur noch zu entscheiden, wo ihr Tod am Nützlichsten war.
Die Niamey war in der Zwischenzeit so nahe gekommen, dass Queron die Reling erkennen konnte. Die Planken und die Segel, die sich im Wind blähten. Schließlich wurden die Segel eingeholt und ein Beiboot zu Wasser gelassen. Rudernd bewegte sich das Boot auf die Königin Arzaya zu. Diese war das Flaggschiff und deutlich erkenntlich an der Flagge, die am Mast flog.
Eine Strickleiter wurde herab gelassen und nacheinander kletterten die Personen nach oben. Über ihm schwebte ein Adler und Queron war froh darüber, dass eine der besten Schiffbauerinnen Yarills noch am Leben war. Narichre schüttelte ihm die Hand und betrachtete die Königin Arzaya.
„Ich hoffe ihr habt nicht vor, dieses Schiff zu zerstören.“, war das Erste, was sie zu ihm sagte.
„Ich würde es nicht wagen, eines der besten Schiffe Yarills zu zerstören.“.
Sie nickte zufrieden.
„Die Niamey meldet sich zurück.“, erklärte ein rothaariger junger Mann, in dem Queron Joshua, zweiter Sohn von Kayra und Josia, erkannte. Bisher war Queron dem Prinzen noch nicht begegnet. Impulsiv und leidenschaftlich, bemerkte er, und ein wacher Blick.
Als nächstes folgte seine Schwester. Tabita war kleiner als ihr Bruder und auch deutlich ruhiger und gelassener. Sie warf einen Blick über die Flotte, die Skorpione und meinte dann: „Ihr werdet eine Heilerin brauchen.“.
„Ich glaube nicht, dass eure Eltern es gutheißen würden, wenn ihr in einer Schlacht in eurer Heimat sterben würdet.“.
„Es ist ebenso unser Land, das unter dem Heer Nians ächzen wird, wenn diese Schlacht kein Sieg ist. Und wenn Elben und Jorohne Seite an Seite kämpfen würden, wäre es ein machtvolles Zeichen.“. Queron hörte den Zorn in Joshuas Stimme, mächtige Flammen.
Doch er hatte Recht, es wäre ein machtvolles Zeichen, ohne Zweifel. Die Elben waren in Madruk nicht unbedingt gut angesehen.
„Ihr könnt uns nicht davon abhalten, zu kämpfen.“, entgegnete Tabita sanft.
„Ich könnte euch in Ketten legen lassen und verschnürt nach Tyral Rorym zurückschicken lassen.“.
Tabita und Joshua lächelten nur. Es war ein überzeugendes und wissendes Lächeln.
„Also, wohin soll ich die Niamey steuern?“, fragte Narichre ungeduldig.
„Reihe dich in das dritte Geschwader ein, neben die Zaréas Sieg, Arzayas Schiff.“, erklärte er, „Und vielleicht solltet ihr noch jemanden an Bord nehmen.“.
Er nickte ihnen zu und trat in die Kajüte, wo sich die Admirale immer noch unterhielten. Er winkte den Sphinx zu sich, der ihm auf das Deck folgte.
„Ich bin mir sicher, dass du unter deiner ursprünglichen Kapitänin kämpfen willst.“.
„Sjavkonhkar.“, schrie Tabita, „Du lebst!“.
Sie stürmte auf ihn zu und umarmte ihn. Normalerweise war es nicht die beste Idee, einen Sphinx zu umarmen. Doch im diesen Fall war Tabita selbst für den Sphinx zu schnell.
„Als ob ihr mich so schnell los werdet.“, knurrte er, als sie zurückgetreten war und Joshua und Narichre ihn begrüßten.
„Kommt. Die Niamey wird noch einmal in See stechen.“.
Narichre zog sie fort und so ruderten sie wieder zum Schiff, dem Sonnenaufgang entgegen.
Überrascht betrachtete Nian die Schiffe der Jorohne. Nach einem Austausch von Pfeilen und Felsbrocken zogen sie sich zurück. Doch es war nur die Mitte, der Rest blieb bestehen. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, entweder war das eine Aufstellung, die ihr unbekannt war oder sie zogen sich tatsächlich zurück.
„Ihre mittleren beiden Geschwader ziehen sich zurück.“, erklärte auch einer ihrer Admirale.
„Gegen unsere corvus haben sie keine Chance. Die beiden ersten Geschwader verfolgen sie.“.
„Wenn es eine Falle ist?“, fragte er sie unsicher.
„Dann ist es so. Wir werden dennoch gewinnen.“. Sie hatten die besseren Waffen, wieso sollten sie da auch verlieren?
Acheving duckte sich tiefer in den Schatten eines Skorpions. Er konnte Nians Stiefel durch sein Versteck hindurch erkennen. Sie war so nah…Es wäre so einfach, seinen Dolch zu nehmen und den Tod seiner Schwestern zu rächen. So leicht, aber er tat es nicht. Denn sobald er ihr einmal in die Augen blicken würde, würde er zögern. Er konnte sie nicht töten, nicht jetzt. War es nicht besser, wenn sie leben würde. Würde das Sahres zu einem besseren Land machen?
„Wo werdet Ihr kämpfen, Kaiserin?“.
„Die Fiarduchwie wird im dritten Geschwader kämpfen. Sielied führt die ersten beiden Geschwader, ich die Nachhut.“.
Nians Stiefel entfernten sich. „Macht das Beiboot klar. Ich werde auf die Fiarduchwie zurückkehren.“.
Der andere Sprecher ging ebenfalls, so dass Acheving wieder aufstand. Er zog sich einen Splitter aus der Hand und strich sich den Schmutz aus den Augen.
In diesem Moment ging ein Donnern durch das Schiff.
„Was war das?“, fragte er einen Matrosen, einen bärtigen Gandijol.
„Hast wohl noch nie ein Katapult gesehen?“, rief dieser und lachte.
Überall liefen Matrosen hin und her. Die Riemen tauchten regelmäßig ins Wasser und brachten das Schiff immer weiter.
Weitere Steine trafen neben sie ins Wasser und rissen einen Teil der Reling ab. Wenig später zischten die ersten Bolzen über ihnen und angewidert betrachtete Acheving den toten Mann neben sich. Eilig wandte er sich um.
Er bewunderte es, dass die jorohnischen Soldaten trafen, obwohl sich die Schiffe in Bewegung befanden. Ihre Soldaten waren größtenteils nicht so treffsicher.
Unter ihnen brachen die Wellen sich am Bug, der sich immer weiter nach vorne schob. Der Himmel war immer noch rot, rot von der Sonne, die in der Zwischenzeit komplett aufgegangen war.
„Sie formatieren sich.“, rief der Mann im Krähennest.
Wenig später erkannte auch Acheving die grade Linie, die die Schiffe bildeten.
„An die Waffen, Männer.“, schrie der Kapitän und Acheving umfasste sein Schwert. Er hatte nicht das Gefühl, das dass hier sein Kampf war, aber sterben wollte er ganz sicher nicht.
Immer wieder gingen Erschütterungen durch das Schiff und die Steine ließen Fontänen von Wasser entstehen. Um ihn herum herrschte nur noch Durcheinander. Die Admirale brüllten zwar Befehle, aber Acheving hatte nicht das Gefühl, dass sie die Situation richtig überblicken konnten. Neben ihnen wurde ein Schiff von einem jorohnischen gespalten. Schreie gellten zu ihnen herüber und die Männer, die im Wasser gelandet waren, baten um Hilfe. Doch sie konnten ihnen nicht helfen.
Ihre eigenen Skorpione und Katapulte feuerten unablässig und mehrere Schiffe beider Seiten waren am Sinken.
Dann wurden die corvus zum ersten Mal eingesetzt. Die Enterbrücke wurde auf die Reling eines Schiffen abgelegt und die Männer konnten an Bord gehen. Es war kein Kampf der Fernwaffen mehr, es war ein Kampf der Infanterie.
Dann enterte sein Schiff das erste Mal ein anderes und er hatte keine Zeit mehr, auf die Situation zu achten.
Entgeistert beobachtete Queron wie die Schiffe mit Hilfe der Corvus geentert wurden. Es war schrecklich effektiv. Zuerst bohrte sich der Dorn in den Bug des Schiffes, so dass es sich nicht mehr befreien konnte, dann wurde der Corvus herab gelassen und die Männer kletterten über die Brücke auf das Deck. Wie ein Sturm brachen sie über das Schiff herein, schlugen mit Schwertern und Messern um sich und mähten die Matrosen nieder. Und über all dem schlugen Kugeln und Bolzen ein, durchbohrten Holz und Fleisch. Bachbord brannten zwei feindliche Schiffe und eines der seinen.
Überall sah er wie der Tiger anstatt der Taube am Mast wehte. Sein Herz war schwer, doch er wusste, dass er verloren hatte. Vielleicht konnten Arzayas zwei Geschwader den Sieg bringen, er konnte es nicht.
„Rückzug.“, rief er. „Rückzug.“.
„Sieg! Sieg!“. Die Matrosen tanzten über das Deck und feierten ihr Überleben, bis der Admiral sie zurück auf ihre Posten rief.
Die Schiffe wendeten, um in das Gefecht in ihrem Rücken einzugreifen. Schon von weitem sah Acheving die Flammen, die die Brandpfeile ausgelöst hatten, die eingenommenen Schiffe. Doch ein Sieg befand sich in ihrem Rücken nicht. Es waren hauptsächlich ihre Schiffe, die brannten und sich mit Wasser füllten. Doch es waren die Schiffe der Jorohne, die eingenommen waren. Blut färbte das Wasser und Leichen trieben dort, während andere verzweifelt versuchten, sich über Wasser zu halten. Doch es waren Jorohne und Sebetjh. Es waren Männer und Frauen beider Völker, die hier für ihre Herrscher starben, weil Nian einen Sieg brauchte.
Dennoch kämpften alle und er würde ebenfalls kämpfen.
„Verdammt.“, schrie Narichre, „Sie haben uns.“.
Damit meinte die Hersora wohl den Dorn, der sich in den Rumpf der Niamey gebohrt hatte. Tabita rannte zu der Stelle hin, um die feindlichen Krieger zu erwarten. Sie stieß einen Sebetjh mit ihrer Partisane herunter, dann den nächsten.
„Achtung!“, rief Joshua. Tabita fühlte wie das Holz in ihren Händen zersplitterte. Sie hob dem einen Teil des Stockes hoch und entgegnete mit diesem den Angriff eines Mannes. Dieser durchtrennte das Holz mit nur einem Schlag seiner Streitaxt, diese prallte aber an ihrem Kettenhemd ab. Dann war Joshua bei ihr und entwand dem Feind seine Waffe. Blut spritzte auf und fast wäre Tabita ausgerutscht, während sie ihr langes Jagdmesser zog. Über ihr zischte ein Pfeil hinweg, den die im Krähennest stehenden Männer abgeschickt hatten. Die ersten Soldaten erreichten das Deck und lieferten sich die ersten Duelle.
Tabita duckte sich unter einem Mann hinweg und stach ihm mit dem Messer ins Bein.
Der Trick war sich nicht lange an einem Ort zu bleiben. Zustechen und nicht nachsehen, ob man getroffen hatte. Immer weiter tanzen.
Dann schaffte es der erste Mann ihren Messerhieb abzuwehren. Tabita hob es zurück und hielt gegen den Schlag seines Schwertes entgegen. Von irgendwo kannte sie sein Gesicht...
Doch darauf konnte sie nicht achten. Sie trat zurück und erwartete, dass er aus dem Gleichgewicht geriet, aber stattdessen explodierte ein gewaltiger Schmerz in ihrem linken Ellenbogen. Sie spürte das Blut ihren Arm herunter rinnen und die Schiffsplanken tränken. Sie hörte den Gesang des Meeres, das Schreien von Männern, das Klirren von Metall, das Sirren der Bogensehne und ihren eigenen Schrei.
Verbissen umklammerte sie das Messer und wollte seine Deckung auf der linken Seite durchbrechen. Bei dem Schritt nach vorne glitt sie aus und landete auf abgetrennten Gliedern und Blut. Sie wollte sich aufrichten, aber da war nur Blut und überall Finger, die sich ihr entgegen streckten. Überall. Sie kamen ihr entgegen, liefen über den Boden und da war ein Trawdorkil, der über ihr durch den Himmel flog. Dann verschwand die Welt in einem Vorhang von Dunkelheit.
Acheving sah von der gefallenen Frau auf. Überall kämpften Männer. Überrascht war er vor allem davon, dass es die Sebetjh und nicht die Jorohne waren, die zurückgedrängt wurden. Dann fuhr ein Schwert von oben auf ihn zu und nur mit Mühe gelang es ihm den Schwert zu parieren. Sein Gegner war geschickt im Umgang mit seiner Waffe. Unbarmherzig prasselten die Schläge auf ihn nieder und zwangen ihn in die Knie. Acheving kämpfte nur mit einer Dao, einer einschneidigen und leicht gebogenen Klinge, normalerweise führte man noch ein Schild bei sich, aber Achevings war schon vor Ewigkeiten zersplittert. Sein Gegenüber besaß dagegen einen Anderthalbhänder, dessen Länge über eine Schrittlänge heraus ging und der deshalb mit großer Wucht geführt werden konnte. Der Besitzer trug eine Brünne und darüber einen hellblauen Waffenrock. Auf der Brust war das elbische Wappen aufgenäht und obwohl sein Gesicht unter Helm und einer Helmbrünne verborgen war, wusste Acheving, wer sein Gegner war. Er hatte schon einmal gegen ihn gekämpft. In einem anderen Land, an einem anderen Tag. Damals hatte er seine Heimat verteidigt und jetzt kämpfte Joshua Kijoskay für die seine.
Insgesamt trug Joshua viel mehr Metall am Leib, aber dadurch war er auch besser geschützt, wenn auch unbeweglicher. Acheving dagegen hatte seinen Helm verloren und trug einen Lamellenbrustharnisch, weshalb er beweglicher war, aber auch ungeschützter.
Er drückte seine Klinge gegen diese unnachgiebige Wand aus Stahl vor ihm. Umso mehr erstaunte es ihn, dass sie nachgab und es ihm gelang wieder aufzustehen. Doch kaum war es ihm gelungen, da kamen die Schläge wieder. Es gelang ihm nur abzuwehren. Schweiß lief ihm über das Gesicht und sein Atem ging stoßweise.
Es war ein wilder Tanz der Klingen. Es war ein verzehrendes Feuer, wenn sich das Metall küsste. Immer wieder trennte sich das Metall, nur um dann wieder zusammen zu kommen und Funken zu schlagen.
Dann durchbrach Joshua das Erste mal seine Deckung und nur weil Acheving den Kopf zurück warf, konnte er verhindern, dass er gespalten wurde. Dennoch rann Blut seine Wange hinab und der Schmerz pochte dumpf.
Wütend hob er sein Dao und erwiderte den Schlag, der seine Arme taub werden ließ. Er sprang über den nächsten Schlag hinweg und drückte das Schwert seines Gegners auf den Boden. Schweiß rann ihm über das Gesicht, als er versuchte, den Arm seines Gegners unten zu halten. Endlich ließ dieser sein Schwert fallen, drehte sich aber um, ehe Acheving den Gegenangriff beginnen konnte.
Feigling, fluchte Acheving leise und folgte ihm über die vom Blut und Schweiß rutschig gewordenen Planken. Mir der linken Hand fasste er sich an die Wunde und ertastete trotz der Schmerzen das Loch, wo eigentlich sein Ohr hätte sein sollen. Das Ohr war abgeschlagen und der Wangenknochen zerschmettert. Jetzt werden mir die Frauen wohl nicht mehr nachlaufen, dachte er mürrisch und noch benommen von dem Schmerz.
Er hieb nach Acheving, dieser tauchte unten weg und die Klinge blieb in der Reling stecken. Acheving versuchte sie heraus zu ziehen, doch dann warf sich Joshua auf ihn. Der Harnisch drückte gegen den seinen und die gewaltige Kraft Joshuas warf ihn zu Boden. Sie wälzten über den Boden, aber Joshua blieb oben und hielt ihm letztendlich einen Dolch an den Hals.
„Du hast meine Schwester verletzt.“.
„Sie wird nicht sterben.“, keuchte er, „Nicht wie ich.“. Er sah Joshua an, durch den Helm konnte er die grauen Augen sehen, in denen das Feuer loderte.
„Aber an einem anderen Tag.“, erklärte Joshua, ließ den Dolch aber nicht los, „Als Geisel bist du wertvoller.“.
Acheving wusste nicht, ob er sich freuen sollte. Eigentlich wollte er nur schlafen. Schlafen, um das Pochen in seiner Schulter und seinem Gesicht zu vergessen. Einfach nur dem Schmerz entfliehen. Dies wäre nicht länger sein Kampf, wenn er einfach einschlafen würde. Schlafen. Er keuchte, süßer Schlaf, süßer Frieden.
Und gnädig wie sie war, umfing ihn die Dunkelheit.
„Tabita!“. Immer wieder wurde dieses eine Wort gerufen. Warum? Sie wollte sich einfach nur zusammen rollen und schlafen. Doch der stechende Schmerz, der in ihrem Ellenbogen auftauchte, zwang sie dazu, die Augen zu öffnen.
Vor ihr hockte Joshua mit einem schuldbewussten Gesicht.
„’Tschuldigung. Aber wir müssen fort. Kannst du aufstehen?“.
Tabita nickte und er half ihr aufzustehen.
„Was ist passiert?“.
„Später. Uns hat es erwischt. Die Niamey sinkt. Wir haben es zurückerobert und rudern von der Schlacht fort, aber die Riemen stehen schon halb unter Wasser.“.
Sie trat zu den Anderen an die Reling.
Die Matrosen des Nachtbarschiffes, der Zaréas Zorn winkten ihnen zu, dass sie an Bord kommen sollten. Die Beiboote wurden hinab gelassen und sie gelangten sicher auf das Schiff Arzayas, das deutlich weniger beschädigt war. Tabita warf einen letzten Blick auf die Niamey. Sie hatte sie von Madruk nach Sehjoldon und Sahres, sowie wieder zurück gebracht und jetzt musste sie ausgerechnet vor ihrer Heimatküste untergehen.
Es waren etwa die Hälfte der Schiffe des dritten und vierten Geschwaders, die entkamen. Fast das gesamte dritte Geschwader war aus dem Gewirr aus untergehenden Schiffen und sterbenden Männern entkommen, doch das vierte war zwischen dem zweiten und dem dritten feindlichen Geschwader in die Zange genommen worden.
„Hallo, Tabita.“. Arzaya nickte ihnen zu. „Ich würde sagen, dass wir eine Niederlage erlitten haben.“. Sie seufzte, doch das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand nicht. „Ich denke nicht, dass wir ein zweites Seegefecht führen können, doch die Infanterie ist intakt. Wir haben viele Männer verloren, aber auf dem Festland sind noch genug Männer meiner Armee, um Nian zurückzutreiben. Ich bin überzeugt davon, dass deine Eltern sich uns anschließen werden und nach meinen letzten Informationen sind die Sphinxe schon bei Yostav. Es ist noch lange nicht vorbei.“.
Narichre lief zu ihnen.
„Sie verfolgen uns.“.
Arzaya nickte mit Bitternis im Gesicht. „Sie haben die Regeln unserer Kriegsführung nicht so recht zu verstanden.“.
Ein Pfeilgewitter erhob sich über ihnen. Tabita hob ein großes Stück Holz über ihren Kopf und spürte wie sich ein Pfeil hinein bohrte. Sie sah zu Arzaya, konnte sie aber nirgends entdecken.
„Astjov!“, fluchte jemand und Tabita sah sich um. „Irgendwann musste das ja passieren.“, meinte Sjavkonhkar und starrte die beiden Pfeile an, die aus seiner Brust und seinem Bauch ragten.
Tabita rannte zu ihm, ungeachtet der Pfeile, die um sie herum flogen, ungeachtet des Blutes, das sie zum Ausrutschen brachte. Sie kniete neben ihm nieder. Es war Sand kein Blut, der aus den Wunden austrat. Doch auch ein Sphinx konnte einen Pfeil in der Lunge nicht überleben.
„Tabita.“. Er sah sie aus seinen dunklen Augen an und sie verstand nicht, wieso er es war. Er, der immer so zäh, stark und unverletzbar gewirkt hatte. „Nimm das hier.“. Sie sah seine Hand an, nicht begreifend, was dort lag. Ein Tränenschleier nahm ihr die Sicht, doch sie ergriff das Armband, das er ihr reichte. „Gib das meiner Schwester, sag ihr, sag ihr, dass ich sie liebe und das sie die größte Königin ist, die Ikantjey je gesehen hat. Sag ihr…“. Er brach ab, seine Hand fiel herab und sein Herz stand still.
Tabita nahm nichts mehr um sich herum wahr. Ein Pfeil bohrte sich neben sie in das Holz und ein weiterer traf ihr Bein. Sie kümmerte es nicht. Was hatte es für einen Sinn zu leben, wenn ihre Freunde starben? Sie merkte nicht, dass der Pfeilregen aufhörte, dass die Männer über Flucht und Niederlage sprachen.
„Tabita! Tabita.“. Joshua schüttelte sie, „Du musst kommen.“. Seine Stimme war verzweifelt und letztendlich versagte sie fast. „Du musst kommen.“, flüsterte er leise, „Die Königin stirbt.“.
Wozu aufstehen, um von einem weiteren Menschen Abschied zu nehmen? Dennoch stand sie auf und ließ sich von Joshua zu der Stelle führen, wo Arzaya stand. Es war nicht nur ein Pfeil gewesen, sondern eine Wunde, die von einem Schwert stammte und der Pfeil, der schwarz und dunkel von Blut aus ihrer Brust ragte. Dennoch stand sie, obwohl es schmerzen musste, unzählig mal mehr als ihr eigener Ellenbogen. Selbst jetzt wirkte sie mächtig. Ihr schwarzes Haar wehte um ihren Kopf herum und ihre Rüstung glänzte. Doch auch die Rüstung hatte sie nicht schützen können. Unter ihr toste das Meer, als wollte es ihre Königin willkommen heißen. Sie stand an der Reling ihres Schiffes umringt von ihren Männern und atmete schwach. Jegliche Hilfe eines Heilers wies sie zurück. Es gab keine letzten Worte, Arzaya starb still. Auf einmal schien alle Kraft sie zu verlassen, ihre Finger wurden weiß und umklammerten die Reling, dann fiel sie. Am Ende fiel selbst sie und beugte sich vor der Gewalt des Todes. Das Meer war für einen Moment still, dann toste es und die Zaréas Zorn erbebte, als ob sie den Tod ihrer Herrin spüren würden. Sie war tot, Arzaya, die Starke, die Königin von Madruk und Herrin der Jorohne. Über ihnen wehte die Taube und ein einzelner Sonnenstrahl durchbrach die Wolkendecke.