Der Schmerz pochte dumpf in Ascarnas Schulter und bei jeder Bewegung zuckte sie zusammen. Sphinxe bluteten Sand und Wasser und Wunden schlossen sich schnell, doch die wirklichen Kämpfe liefen im Inneren des Körpers ab und Ascarna wusste, dass sie grade so einen Kampf durchlief. In diesem Moment, wo sie kampfunfähig in einem Zelt lag, war sie extrem verletzlich. Ein König der Sphinxe musste bei seinem Volk sein, um zu regieren, ansonsten gab es bald mehrere Könige. Sie konnte sich keine Schwäche erlauben, nicht jetzt.
Und vor ihr stand Makalar, der ihre Anweisungen erwartete und ihr momentan von ihren Verlusten berichtete. Das zweite Korps hatte stark gelitten, es hatte den Hauptangriff tragen müssen, das dritte Korps hatte weniger Männer verloren, während das vierte das Schlachtfeld nie erreicht hatte und die Infanterie des ersten Korps war noch weitgehend intakt, während die Kavallerie nicht mehr existierte.
„Wir brauchen die Jorohne, um unser Heer zu verstärken. Wohin sollen wir uns zurückziehen? Unsere Rückzugswege nach Süden sind noch offen.“.
„Die Jorohne werden nicht mit uns ziehen. Ich brauche sie an einem anderen Ort.“, entgegnete die sphinxische Königin leise und winkte einen Boten herbei.
„Bringe diesen Brief zu Queron.“, erklärte sie und reichte ihm ein Pergament, „Beeile dich.“.
Der Sphinx verneigte sich und rannte dann als Löwe davon.
„Ascarna! Wir brauchen die Jorohne, unser Heer hat stark gelitten.“.
„Ja. Wir brauchen die Jorohne.“, stellte sie schlicht fest, „Aber nicht hier.“.
Makalar musterte sie überrascht und neugierig, fragte aber nicht. Ascarna rieb sich die Stirn und griff nach dem Wasserschlauch, der neben ihr lag.
Makalar wusste nichts von ihren Plänen und Ascarna ging das Risiko nicht ein, es ihm zu erzählen. Sie vertraute ihm, doch er konnte gefangen genommen werden oder sie konnten belauscht werden. In mühevoller Arbeit hatte sie die Nachricht in das Pergament geritzt. Zum einen hatte es geschmerzt und zum anderen konnte Ascarna kaum schreiben.
Befehle wurden mündlich überliefert und Grenzen wurden nicht auf Urkunden festgehalten, sondern mit Urin markiert. Das Ascarna einen schriftlichen Befehl übergab, zeugte von dessen Wichtigkeit.
Doch es war richtig, denn sie verstand den Fehler, den sie gemacht hatte. Sie hatten defensiv gekämpft und sich gegen die Begabungen und Vorteile ihres Volkes gewandt und somit ihren Untergang herbeigeführt. Bei den Jorohnen würde sie nicht denselben Fehler machen. Was brachte ihnen denn ihre Infanterie, die schlecht auf einen Feldzug vorbereitet war. Sie würden dem ersten Pfeilsturm zum Opfer fallen und mehr hindern als nützen. Einst mochten die Jorohne in dieser Hinsicht großartig gewesen sein, doch seitdem war eine Generation vergangen und Arzaya hatte auf andere Sachen gesetzt. Nein, die Jorohne mussten dort kämpfen, wo sie überragend waren.
„Ascarna?“. Sie tauchte aus ihren Gedanken auf und betrachtete Makalar im Zwielicht des Zeltes. „Wohin sollen wir uns zurückziehen?“.
Ascarna wusste von der Wichtigkeit dieser Entscheidung, denn diese würde über den Erfolg des gesamten Feldzug entscheiden. Im Osten war das Meer und die Sebetjh, im Norden die Elben, im Westen das Gebirge und im Süden die Heimat.
Nach Osten zu ziehen, war sinnlos. Im Westen könnten sie sich nach Ciyen zurückziehen und sich dort mit den Elben zusammenschließen, doch der Winter kam und es war wahrscheinlich, dass sie dann dort auch überwintern mussten. Ein Rückzug nach Süden würde sie in Sicherheit bringen und sie könnten ihre Kräfte erneut sammeln, allerdings wäre der Feldzug dann verloren, weil die Elben die Sebetjh nicht alleine würden schlagen können. Wenn sie allerdings nach Norden marschieren würden, dann würden sie sich zwar mit den Elben zusammenschließen können, doch sie würden ihre Rückzugswege aufgeben. Wenn sie eine Schlacht verlieren würden, gäbe es also die Gefahr, dass sie komplett ausgelöscht werden würden. Wenn sie die Schlacht allerdings gewinnen würden und Queron gleichzeitig ihren Plan durchführte, war der Feldzug gewonnen.
„Norden. Wir gehen in den Norden und werden uns mit den Elben zusammenschließen.“, entgegnete sie und lächelte.
Makalar nickte, also ob er nichts anderen vermutet hatte. Er zögerte kurz, dann meinte er leise: „Es hat sich ein Zwischenfall ereignet. Ein Trupp geriet in Gefangenschaft. Euer Sohn…“.
Ascarna richtete sich ruckartig auf und beachtete die glühenden Flammen, die durch ihre Schulter schossen nicht. Sie schloss die Finger zur Faust und starrte Makalar an.
„Was ist passiert? Welcher?“.
„Ertjs, Herrin. Er wurde gefangen genommen. Euer Sohn ist in den Händen der Sebetjh.“.
Ascarnas Atem stockte. Sie sah ihn vor sich, wie er mit seinen Brüdern über den Boden tollte, wie er sie anknurrte, wie sie ihn in Schmerz und Wasser mit seinen Brüdern zur Welt gebracht hatte. Er war noch so klein, zu jung um sich zu verwandeln und konnte den Sebetjh nicht viel erzählen und dennoch…Sie hatte ihre Söhne in Sicherheit bringen wollen, weg von den Kämpfen – und sie in den Tod geschickt.
„Ascarna?“. Makalars Stimme war weit entfernt, ein fernes Gesäusel von Stimmen, unwichtig für sie selbst.
Dann riss sie sich zusammen und sah ihn wachsam an.
„Ändern sich eure Befehle, Herrin?“, fragte sie.
In ihrem Inneren wogten die Gefühle gegeneinander und übereinander hinweg. Der Wunsch ihren Sohn zu retten, gegen die Pflicht, die sie ihrem Volk gegenüber trug.
Doch letztendlich siegte die Vernunft, denn ein Erpresser würde sein Druckmittel nie aus der Hand geben. Sie war Mutter und alles in ihr schrie danach, ihrem Sohn zu helfen, doch in erster Linie war sie Königin und es war auch ihre Pflicht, eine Königin zu sein und weise zu regieren.
„Sie ändern sich nicht.“, erklärte sie und hoffte inbrünstig, dass sie das Richtige getan hatte.
Das Schlachtfeld war bedeckt von Verwundeten und Toten und es dauerte lange bis sie die Verwundeten geborgen hatten, was Arlèn mit Missfallen erfüllte. Die Schlacht war ein Sieg gewesen, doch es war nur eine Schlacht gewesen und der Feldzug lag noch vor ihnen. Sie hatte einen Teil des feindlichen Heeres geschlagen, doch es war nicht genug. Außerdem hatte sie einen Bericht einer sphinxischen Niederlage und eines Rückzuges erhalten, aus dem sie nicht schlau geworden war, weshalb sie einen Offizier hatte losschicken müssen.
Es war tatsächlich Joshua gewesen, der sie gerettet hatte. Als ihre Truppen Cirl verlassen hatten, hatte Joshuas Trupp die Sebetjh solange beschäftigt, bis die Hauptstreitmacht eingetroffen war. Es war ein blutiger und anstrengender Kampf gewesen, doch letztendlich hatten sie den Sieg errungen. Arlèn schnaubte. Es war ein Sieg, der ihnen nichts brachte, wenn sich die Sphinxe zurückgezogen hatten. Denn egal in welche Richtung sie gegangen waren, das andere Ende der Straße war von den Sebetjh besetzt, was ihr Siegesgefühl zunichte machte.
Gleichzeitig fragte sie sich, was im gegnerischen Lager los war. Um sie herum marschierte das Heer durch einen stetigen Nieselregen davon und es gab keinerlei Verfolgung, dabei war es schon Mittag. Entweder hatten sie eine Falle aufgestellt und wollten sie in Sicherheit wiegen oder sie waren tatsächlich so blöd, ihnen den Sieg dieses Feldzuges auf einem Silbertablett zu servieren. Und das hatte sie eigentlich nicht von Nian erwartet.
Aber gut, sie war durchaus bereit damit zu leben.
In diesem Moment hallte der Schrei eines Vogels über ihr durch die Luft. Der Schrei eines Adlers. Arlèn legte den Kopf in den Nacken und streckte den Arm aus. Der Vogel landete neben ihr und musterte sie mit den klugen ockerfarbenen Augen. Sie löste den Brief, der an dem Bein befestigt war und öffnete es hastig.
Es war die feine, säuberliche Schrift von Königin Teres. Zuerst strich ein Lächeln über das Gesicht der Elbe, dann lachte sie und reckte die Faust.
Die ersten Teile der hersorischen Armee hatten die westliche Grenze Madruks erreicht.
Naichie mochte Xeron. Er war ein aufmerksamer und neugieriger Junge, wenn auch schüchtern und nicht besonders selbstbewusst. Noch ließ er sich leicht lenken und Dinge vorsagen, doch langsam begann er aufzutauen und selbständig Dinge zu hinterfragen. Außerdem besaß er eine wichtige Eigenschaft, die seiner Mutter fehlte: Geduld.
Auch jetzt stand der Prinz neben ihm und betrachtete die Karte, die vor ihnen auf dem großen Tisch lag.
Es war später Vormittag und draußen trommelte der Regen. Naichie befand sich in dem Dorf Trorav, das sie den Sphinxen abgejagt hatten und dachte darüber nach, was er alles befehlen würde, wenn er Nian wäre.
Er könnte den Männern befehlen und sie würden ihm gehorchen, doch wenn die Kaiserin dann die Befehle widerrief, würde es keinen guten Eindruck machen und Nians Position untergraben.
Was war schlechter? Ein verlorener Feldzug oder ein uneiniges Heer, was auch zu einem verlorenen Feldzug führen würde? Die zweite Alternative und deshalb schwieg er. Er verstand, dass Nian den Soldaten eine Pause gönnen wollte, doch er war der Meinung dass die Verfolgung der Sphinxe und Elben wichtiger war.
Zwar hatte Naichie Berichte bekommen, dass die Sphinxe sich nach Süden zurückzogen, doch dem schenkte er nicht so wirklich Glauben. Wer sagte denn, dass es keine Verletzten, Verstärkung oder Versorgungsgüter waren, die dort marschierten? Die Sphinxe waren kein Volk, das einfach so aufgab. Fast noch mehr sorgten ihn die Jorohne. Es waren schon mehrere Attentate auf Nian, ihn selbst und weitere hochrangige Offiziere verübt worden. Selbst Kinder bespuckten ihn und verrieten kein einziges Wort. Jegliche Boten, die er ausschickte, fanden den Weg nicht zurück. Zwar wusste er, dass Queron jetzt ihr Anführer war, auch wenn er kein König war. Denn nach jorohnischem Recht durfte erst ein neuer König auf den Thron, wenn der alte gerächt war. Sie hatten sich einen gefährlichen Feind gemacht und Naichie hoffte so sehr, dass sie dieses Problem schnell beenden konnten. Wenn nötig, auch mit Nians Kopf. Denn er diente immer noch seinem Land und nicht Nian und seinen Schwur hatte er auf eine gerechte Kaiserin geschworen.
Am Nachmittag hatte Arlèn ihr Schlachtfeld ausgesucht und ihre Truppen postiert. Es war ein kleines Tal und sie machte sich die Hügelketten, sowie die kleine Turmhügelburg zu Nutzen. Es war eine Defensivstellung, die mit Bogenschützen gut zu verteidigen war und wo sie die Kavallerie gut einsetzen konnte. Sie gab ihren Soldaten die Erlaubnis zum Plündern und bald glänzten die Lagerfeuer durch den Nebel. Die Männer wickelten sich in Umhänge und hockten sich unter Bäume, um sich vor dem Regen zu schützen. Wer Glück hatte, besaß noch Met und Trockenfleisch.
Hinter Arlèns rechter Flanke lag das Dorf Brelson, in dem sie den größten Teil der Reserve postiert hatte, weil dort ein Durchbruch des Gegners am wahrscheinlichsten war. Die Hügelketten waren gut zu verteidigen und die linke Flanke durch mehrere Gehöfte und den Fluss Alisos geschützt. Ein Durchbruch würde dort nur mit viel Blutvergießen möglich sein und die Elbe glaubte nicht, dass Nian das riskierte. Vor der Mitte ihrer Aufstellung lag ein Gutshof und weiter südwestlich die Turmhügelburg. Zwischen den beiden Stellungen war jedoch Platz für einen Kavallerieangriff, weswegen dort die Reserve stand.
Die Mitte des Tals war von Getreidefeldern und Wiesen geprägt, deren Früchte nun kein Bauer mehr ernten würde. Im Süden und Westen wurde das Tal vom Fluss Alisos begrenzt und im Norden und Osten von dichten Wäldern.
Joshua stand neben ihr, das rote Haar klebte ihm in feuchten Strähnen an der Stirn.
„Der Boden wird sich rot färben.“, meinte er leise.
„Ja.“, entgegnete sie und legte ihrem Schwager die Hand auf den Arm.
„Kennst du die Geschichte dieses Tals?“, fragte sie, um sich eben von diesem Gedanken abzulenken.
„War hier nicht eine Schlacht zur Ankunft der Menschen. Im Jahr 30.235 oder so?“.
Arlèn nickte und sah zu den flackernden Feuern hinüber, die durch die Dunkelheit zu ihnen herüberschimmerten.
„Es gibt zwei menschliche Völker in Ciyen. Von den einen, den Soreq, erzählt man sich, dass sie aus Sahres kommen und die Elben vertrieben, in dem Krieg, dessen Schatten sich jetzt über uns erhebt. Die zweite Rasse aber stammt aus der Gegend, wo jetzt die Elben Noliôns leben. Als die Menschen flohen, wurden sie von den Menschen Noliôns, die man Ástilos nannte, aufgenommen, doch sie brachten den Tod durch Krankheiten. Es waren also zwei Völker, die flohen und an der Küste Ciyens strandeten. Dein Großvater mütterlicherseits, Kirron, ist vom Blute der Ástilos gewesen.“.
Sie lächelte wehmütig, als sie an Kirron dachte, ihren Freund und Ratgeber in vielen Abenteuern.
„Doch die Ástilos waren das unterlegene und kleinere Volk. Sie waren friedlicher und verließen sich mehr auf geschriebenes Wort denn auf ihre Schwerter. Wie du weißt, gaben die Elben den Menschen Land, doch die Ástilos forderten ihr eigenes Reich, unabhängig von den Soreq. Die Soreq wollten dies nicht, denn sie schätzten die Ástilos als Ratgeber und Strategen. Sie gliederten sie gewaltsam in ihr Reich ein. Doch nach und nach bildete sich Widerstand und die Ástilos riefen ihren eigenen König aus. Hier in diesem Tal prallten die Heere aufeinander. Man erzählt sich, dass die Nixen so sehr weinten, dass der Fluss über die Ufer trat und das Tal unter sich bedeckte. Die Ástilos meinen, dass sich die Toten aus der Erde erheben werden, wenn sie wieder einen König haben. Doch seit dieser Schlacht werden sie von den Soreq beherrscht und kein Ástilos konnte jemals die Freiheit für sein Volk erringen.
Hier sagen sie, wird einst ihr König stehen und sein Volk um sich scharren, um sie in die Freiheit zu führen. Dann werden sich die toten Legionen wieder erheben und ihren König preisen.
Jetzt sind es ebenfalls die Soreq und ihre Nachkommen gegen, die wir kämpfen. Die Soreq, die damals zurückblieben, bildeten das Volk der Sebetjh. Und wir, Joshua, sind das Volk der Torès. Damals wurden wir von den Soreq geschlagen, jetzt werden wir sie schlagen und uns für die Niederlage und unsere Flucht aus Sahres vor sechzigtausend Jahren rächen. Endlich.“.
Naichie betrachtete das Tal, das sich in der hereinbrechenden Dunkelheit unter ihnen ausbreitete. Er sah zu Nian herüber, die neben ihm auf ihrer Stute saß. Mit harter Hand hielt sie die Zügel und mit einem harten und wachsamen Blick musterte sie das Gelände. Aufklärungsoffiziere ritten davon und kamen wieder, um Bericht zu erstatten. Nian hatte diesen Blick, den sie immer trug, wenn sie plante und wusste, dass ihre Pläne genial waren. Es war dieser freudige Ausdruck auf ihrem Gesicht, der seine düsteren Vorahnungen bestätigte.
Hinter ihnen toste der Fluss Alisos und wand sich durch das Tal. An der steilen Böschung mühten sich einige Männer ab, um an Wasser zu gelangen. Die vorderen Kontingente waren müde und erschöpft, wo sie sich doch erst den Weg über die einzige Brücke, die hier über den Fluss führte, sowie durch das Dorf Marnov erkämpft hatte. Brücken. Naichie schnaubte, er hatte sie schon immer gehasst. Brücken waren gut zu verteidigen und noch leichter zu zerstören und unter Bogenbeschuss einen Fluss zu durchqueren, kostete viele Männer. Zu ihrem Glück hatten die Elben die Brücke nicht zerstört, zu fest war der Stein im Boden verankert gewesen und sie hatten alle Verteidiger getötet, aber es hatte doch zu viele Männer gekostet.
Nian wandte sich zu ihm um und ihr Gesicht glänzte.
„Sie sind gefangen. Der Fluss im Osten und im Norden der Wald. Morgen wird es zur Schlacht kommen. Sie können nicht fort und werden hier fallen.“.
Naichie war sich da nicht so sicher. Er hatte gesehen wie die Elben kämpften und den Überraschungsmoment hatten sie lange nicht mehr auf ihrer Seite. Die Elben hatten sich diesen Platz ausgesucht und Naichie musste an die Geschichte von Kaiserin Iandrowie denken, die gedacht hatte, das feindliche Heer geschlagen zu haben und sie in die Wälder von Yaran verfolgt hatte. Sie war mitten in eine Falle getappt und sie hatte nicht nur ihr Heer und ihr Leben verloren, sondern auch ihre Krone und ihre Dynastie, die zu dieser Zeit immerhin zweihundert Jahre geherrscht hatte, war nie wieder in ihre alte Position gekommen. Auch damals hatte es eine selbstsichere Kaiserin gegeben und eine einzelne Entscheidung hatte Tausende dem Untergang preisgegeben.
Naichie seufzte und sah zu den Männern. Sie hatten begonnen, die Nachtlager aufzuschlagen. Doch es war keine Zeit zum Plündern geblieben und die Dunkelheit verhinderte die Suche nach Feuerholz. Missmutig starrten sie zu den feindlichen Feuern, die durch die Nacht schimmerten, herüber. Einige hockten sich zusammen und aßen rohes Fleisch – und Naichie wollte sich nicht fragen, woher sie das hatten. Die Männer hungerten aufgrund der Nahrungsmittelknappheit. Das Plündern war leichter gesagt als getan, da die Jorohne ihre Felder in Brand legten und alle Vorräte vernichteten, damit sie den Feinden nicht in den Händen fielen. Und die eigenen Nachschübe steckten irgendwo fest, kamen nicht fort und Naichie hatte keine Ahnung wo. Zum wiederholten Mal verfluchte er die Jorohne, die es unmöglich machten, Neuigkeiten heran zu bekommen.
Naichie gestand es sich nicht gerne ein, doch er machte sich Sorgen. Er hatte nun schon vierzig Jahre Kampferfahrung, hatte unter vielen Herren gedient und in vielen Kriegen gekämpft. Er wusste wie wichtig eine gute Versorgung der Truppe war, nicht nur für die Grundbedürfnisse auch für die Moral war sie extrem wichtig. Er wusste, wann Männer an dem Punkt standen, wo sie nicht mehr wollten. Und er wusste auch, dass jetzt so ein Punkt gekommen war. Jeder neuer Befehl würde eine Gradwanderung zwischen Krieg und Frieden zwischen Truppe und Befehlshabern sein und jeder falscher würde den Untergang bedeuten.
Naichie setzte sich in den Kreis einiger Soldaten, die ihn stumm in seiner Mitte aufnahmen und griff nach seinem Trinkbeutel, der mit Reiswein gefüllt war. Er nahm einen Schluck, reichte ihn an seinen Nebenmann und starrte in die Dunkelheit.
Er würde sehen, was der morgige Tag bringen würde.