Alle Geheimnisse werden eines Tages gelöst werden. Es braucht nur eine Person, die anfängt nach einer Antwort zu suchen.
Zitat Dedans
Mit einem Mal erwachte Alechos aus seiner Lethargie. Tagelang hatte er so dagesessen, die Augen alleine auf das Buch in seinem Schoß gerichtet, doch jetzt setzte er sich auf. Ein triumphales Lächeln schmückte sein Gesicht und seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Hadassa blickte ihn an.
„Nun?“.
All die vergangenen Tage und Wochen der Langeweile und stumpfen Eintönigkeit verblassten angesichts der Bedeutung dieses Augenblicks.
Anstatt einer Antwort füllte der Hersor die Luft mit den Worten der Narichre Tanide, vor Jahrtausenden auf Papier gebannt und nun wieder lebendig.
„Es geschah aber zu einer Zeit, nach langen Tagen des Friedens, das das Volk der Oteilon, sich anschickte, ihr Land wieder in Besitz zu nehmen.
Diesem Volk, das schon 1992 von Ascarna vertrieben worden war, gleicht keinem anderen in seiner Grausamkeit. Vor langer Zeit von den Wegen des Guten abgefallen, dienen sie alleine dem Bösen, dessen Ziel die Unterwerfung aller Völker ist.
Sie eroberten Bocrovney und Ascarvney und viele tapfere Krieger fielen ihren Flammen zum Opfer.“
„Ihren Flammen.“, wiederholte Alechos, vollkommen eingenommen von der Bedeutung dieser Worte.
Hadassa bedeutete ihm mit einer Handbewegung fortzufahren.
„Ascarna also beschloss trotz der Ausweglosigkeit ihrer Situation, den Ruf des Krieges erfolgen zu lassen. Und so sammelten sich die Löwen im siebten Monat des Jahres 1697 zur Verteidigung ihrer Heimat.
Keiner mag die Tapferkeit der Sphinxe anzweifeln! Doch waren sie trotz ihres großen Mutes der Grausamkeit der Oteilon nicht gewachsen. Viele vergebliche Schlachten fochten sie, nur wurden sie immer weiter zurückgedrängt. Doch im neunten Monat geschah es, dass ihr Heer bei Andjolhmb aufgerieben wurde und Verrat an Ascarna geübt wurde. Ihr allein gelang die Flucht in das Tal Chithle, das von nun an nur noch Königinflucht genannt worden ward, wo sie sich von jeglichen Getreuen entfernt verbarg.
Hier geschah es aber, dass der Hüter ihr die Gabe schenkte, welche die Zerstörung der Oteilon und Rettung ihres Volkes ermöglichte. Es war keine Waffe, die von außen zu sehen war, sondern im Inneren verborgen, so dass die Oteilon sie als besiegt wähnten.
Der Tchaveskov jedoch gelang die Flucht und ein letztes Mal versammelte sie ihre Mannen. Die Naswhryth waren es, wo sie aufeinander trafen -“
„Die Naswhryth!“, flüsterte Hadassa, auf einmal begreifend.
Alechos entgegnete nichts, sondern fuhr fort
„und dieser Ort wurde zum Zeugnis großer Ereignisse. An dem Tag, als die Blumenmeere die Wüste erhellen, kam es zur Schlacht.
Doch im Vertrauen auf den allmächtigen Herrn Anthars siegte die große Tchaveskov Ascarna und die Oteilon wurden vernichtend geschlagen, als der Sand sie besiegte. Es war ein großer Tag und ein großer Sieg, der dort gegeben wurde dem Volk der Sphinxe. Und die Verräter wurden bestraft auf dem Feld des Sieges.
Eine Zeit des Friedens und des Segens brach an.“
Alechos endete und blickte auf.
„Dies ist also der geheime Krieg der Tchaveskov Ascarna.“, murmelte er, „Doch trotz alles Wissens konnte Narichre uns nichts über diese Gabe verraten.“.
Hadassa lächelte und schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich verstehe.“.
Diese drei Worte genügten, auf dass Alechos und Mendechos nickten.
Alechos lächelte nun ebenfalls, fast ein wenig wehmütig.
„Du magst wissen, was dein Volk betrifft, doch bringt mir dies nicht meine Frau zurück.“.
„So endet es hier.“, meinte Hadassa zögernd, die Wahrheit kaum begreifend.
Sie waren Verbündete aus der Not heraus geboren und mehr als eine Art widerwillige Achtung hatte sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen nicht entwickelt, dennoch war es ein seltsamer Moment, als sie feststellten, dass sich ihre Wege trennen würden.
„Für dich mag diese Antwort genügen, doch mich zieht es in die Bibliotheken meines Landes, um tiefer zu graben und mehr zu erfahren. Außerdem habe ich einen Sohn, um den ich mich kümmern muss und eine Frau, die betrauert werden will.“.
Hadassa legte ihre Hand auf seinem Arm und auch wenn er einen Moment zusammenzuckte, zog er sie nicht weg.
„Alechos. Ich bin mir sicher, dass deine Frau stolz auf dich ist und dass was du hier vollbracht hast. Denn du hast geholfen, die Welt für deinen Sohn und seine Zukunft sicherer zu machen.“.
Mendechos trat auf sie zu.
„Es war mir eine Ehre, an deiner Seite zu reisen.“, erklärte er mit aufrichtiger Freude.
Wieder einmal fragte die Sphinx sich, wie so ein junges Wesen so viel Weisheit besitzen konnte.
„Mit deiner Erlaubnis?“, fragend deutete Kilchres Mann auf das Buch.
Als sie lächelnd nickte, nahm er es an sich und verstaute es bei seinem übrigen Gepäck.
Erneut standen sie sich für einen Moment verunsichert und zögernd gegenüber.
Schließlich hielt Hadassa ihm etwas an.
Alechos wich sogleich zurück, als er die Gabe erblickte.
„Das kann ich unmöglich annehmen.“, protestierte er, wenn sie auch sehen konnte, wie angetan er war.
„Sie gehören mir.“, antwortete sie, „Und ich habe mich entschieden, dass einer von ihnen dir gehören soll. Es ist eine große Ehre und es wäre eine Torheit, die Gabe einer Sphinx auszuschlagen.“.
Einen Moment schwebten seine Finger über dem Geschenk, das unscheinbar auf ihrer Handfläche ruhte, dann berührte er den schmalen Silberpfeil vorsichtig.
Dies war einer der zwölf Pfeile, die ein Vater seiner fortziehenden Tochter überreichte. Nur ein Sphinx, der diese Silberpfeile erhielt, konnte sicher sein, dass sein Werben erhört worden war. Umso mehr Pfeile die Löwin zur Bundschließung besaß, desto tapferer galt sie. Wahrlich selten war es dagegen, dass diese Pfeile an jemand Anderen als ihren Erwählten gingen und wenn dann zeugte diese Gabe von einem Respekt und einer Achtung, die unmöglich zu vergelten war.
„Wenn wir fortgehen, dann in Freundschaft.“, empfand sie und dann schlossen sich seine Hände um die Gabe, die das kostbarste war, was eine Sphinx zu geben hatte.
„In Freundschaft.“, erwiderte er und war ein wenig erstaunt, dass die Worte so schwach über seine Lippen kamen und er schlucken musste.
Die Sphinx neigte den Kopf, dann nahm sie die Gestalt einer Löwin an und jagte Richtung Süden davon, während die beiden Hersor ihr nachblickten.
Nun wusste sie, wo sie suchen musste.
Hiskijar wusste mit der Gewissheit eines Jägers, dass er zur Beute geworden war. Irgendjemand machte Jagd auf ihn. Vorsichtig trieb er seinen Fuchs in ein Bachbett, auf dass das fließende Wasser seine Spuren verdeckte. Jetzt wäre er am Liebsten zu Fuß unterwegs, ein einsamer Wanderer, doch wusste er, dass Malèhlti ihm in späteren Zeiten noch von großem Wert sein würde. Der Weg nach Zwillingsstadt war weit und die Zeit lief ihm davon. Er spürte es mit dem Instinkt des Kriegers und jeder, der im Felde stand, wusste, dass er sich auf sein Bauchgefühl verlassen musste, ansonsten würde er sterben. Doch hatte er ein Versprechen gegeben und dieses gedachte der einstige Rittmeister zu halten.
„Genug.“, flüsterte er leise, als sie einen kleinen Weiher erreichten. Gehorsam folgte die Stute seinem Befehl und verließ das Wasser, um sich hinter einem Busch anbinden zu lassen.
„Warte hier.“, wisperte er, auch wenn er nicht glaubte, dass sie ihn verstand.
Erinnerungen. Plötzlich. Grausam.
Ein Lächeln strich über Judits Gesicht. Sie sieht genauso aus wie ihre Mutter, dachte Hiskijar, als er seine Tochter betrachtete.
„Achtung.“, warnte er sie.
Er legte ihr die Hand auf die Schulter, doch das Kind strafte ihn mit Missachtung. Mit der rechten Hand schob sie seine Hand von ihren schmalen Knochen, während sie vorsichtig einen Schritt vorwärts machte.
Das Pferd schnaubte, doch blieb es stocksteif stehen, als ob es die Verletzlichkeit des Kindes vor ihm wahrnehmen könnte.
Ihre Hand hob sich und der Hengst senkte die Schnauze. Für einen Moment harrten sie so aus, nur noch getrennt durch einen Hauch von Luft, doch dann traf Fell auf Haut.
Rotes Haar fiel ihr über die Schulter, der Zopf, den ihre Mutter ihr am Morgen geflochten hatte, hatte sich erneut aufgelöst. Ihre Augen funkelten vor Freude.
„Darf ich reiten, Vater?“. Flehend blickte sie ihn an, mit diesen großen Kinderaugen.
Doch es war nicht er, der die Antwort geben musste.
„Ich fürchte der Verkäufer war ein Betrüger.“.
Hiskijar und Judit wandten sich um.
Jesajar stand grinsend vor ihnen, doch lag ein unausgesprochener Schatten der Sorge in seinen Augen.
Judit bemerkte nichts von der dunklen Sorge, die ihr Glück bedroht.
„Wieso?“, fragte sie ihren Bruder skeptisch. „Er ist so lieb.“.
Jesajar lachte auf.
„Doch sollte es ein Kriegspferd sein.“, belehrte er sie, „Kein Pferd für kleine Mädchen.“.
Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust und stampfte mit den Füßen auf.
„Ich will aber auf ihm reiten!“.
Hiskijar, der zuvor nach Osten geblickt hatte, wandte sich seinen Kindern zu.
„Lauf zu deiner Mutter.“, befahl er ihr, „Dann überlege ich mir die Sache.“.
Sie rannte davon, Blumen berührten ihre Füße und Schmetterlinge tanzten vor ihrer Nase.
Hiskijar dagegen sah seinen Sohn an.
„Was ist geschehen?“.
„Sie sammeln sich an den Ufern des Lidebir. Medeba wird belagert und weitere Truppen ziehen in Richtung des Passes von Dura.“.
Er nickte. Medeba, deren Ruinen die Rebellen wieder befestigt hatten, würde nicht lange ohne Hilfe standhalten. Es wurde Zeit, dass er die Rüstung wieder anlegte.
„Nimmt du mich dieses Mal mit?“.
Hiskijar schwang sich in den Sattel des neu erworbenen Hengstes. Nachdenklich musterte er seinen Sohn.
Dann nickte er.
„Es wird Zeit, dass du deine erste Schlacht erlebst.“.
Früher oder später würde es sowieso geschehen. Niemand wurde vom Krieg verschont, nicht in einem Land, das vom Bürgerkrieg entflammt war. Nicht bei einem Volk, das sich gegen die fremde Oberherrschaft auflehnte.
„Weißt du, wie sie dich nennen?“.
Bewundernd musterte der Junge seinen Vater, während er versuchte dessen Einhänder aus der Scheide zu ziehen.
Müde strich sich der Soldat eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor er den Spangenhelm schloss.
„Nein.“.
„Sie nennen dich den Hoffnungsfürsten. Sie haben dir den Nam…“.
Auf einmal verschwamm die Erinnerung, graue Nebelfetzen, davon getrieben vom Wind. Es war seltsam, wie lebendig die Gesichter seiner Kinder nach all den Jahren noch waren und wie lebendig das Gefühl des Verlustes noch war.
Tränen flossen über seine Wange und nässten seinen Bart.
„Verzeiht mir.“. Nicht möglich war es ihm gewesen, Weib und Kinder vor der Gefahr zu bewahren. Er selbst mochte überlebt haben, doch wie viel kostbarer wäre ihm dies, wenn er seine Familie bei sich hätte. Doch waren sie fort, weil er versagt hatte, damals.
Wie seltsam, dass er sich an die Worte seiner Tochter, jedoch nicht an die seines Sohnes erinnerte, wo dieser ihm doch immer der Liebere gewesen war.
Wie seltsam, dass die Trauer nach all den Jahren noch so gegenwärtig war.
„Ich habe dich gerächt, Malèhlti.“, flüsterte er, in Gedenken an seine Frau, deren Name nun allein sein Pferd trug, die Tochter jenes Hengstes aus seiner Erinnerung.
Seine Hände glitten über die Erde, arthergische Erde. Wie er dieses Land hasste!
„Doch war es nicht genug. Ich konnte nicht verhindern, dass sie unser Land besetzten.“.
Damals hatte er es nicht verhindern gekonnt, doch vielleicht an einem anderen Zeitpunkt, einen anderem Tag. Einem Tag, an dem der Fuchs erneut zur Jagd rief und die Hörner Gefolgschaft forderten.
Er schüttelte diese Gedanken ab und konzentrierte sich allein auf die vor ihm liegende Aufgabe.
Der einsame Wanderer lauschte auf die Geräusche des Waldes und das was diese ihm über die Verfolger berichteten.
Leise Stimmen, kaum wahrnehmbar für ein ungeübtes Gehör.
Geduckt pirschte sich der Mann, den man früher Heled geheißen hatte, näher heran. Blätter tanzten im Wind um ihn herum, altes Braun in einer Welt voller Farben.
Langsam mit fast schon zärtlichen Schritten kroch er die Böschung hinauf, bis er durch einen Busch verdeckt auf die Straße blicken konnte.
Die lauter werdenden Stimmen bestätigten sein Gefühl der Gefahr. Ein Pferdekopf kam in Sicht, das helle Braun schimmerte in der strahlenden Sonne fast golden.
Leder knirschte und ein Tier kaute auf seinem Gebiss herum, doch die Reiter schwiegen.
Endlich erblickte der Beobachter auch sie, die Soldaten, welche nach ihm jagten.
Ihre Bewaffnung war einfach, nicht mehr als Säbel, Pfeil und Bogen, sowie einen leichten Rundschild. Dies zeichnete sie als leichte Kavallerie aus und machte sie schnell, perfekt für Verfolgungsjagden.
Hiskijar seufzte. Hätte der Thron ihm nicht den Gefallen machen und schwere Kavallerie entsenden können? Das hätte vieles vereinfacht.
„Er kann nicht mehr viel Vorsprung haben.“, meinte einer der Reiter, während er nieder hockte, um den Boden zu untersuchen.
„Ich frage mich, was sie mit einem einfachen Rittmeister anfangen wollen.“, murrte ein junger Soldat, dessen Gesicht grade den ersten Flaum zeigte.
„Es reicht, wenn unsere Herren das wissen.“, belehrte ein älterer Soldat ihn
Der niedergehockte Reiter stand auf und schwang sich wieder aufs Pferd.
„Weiter.“, befahl er.
„Ich wette, dass er überhaupt nicht mehr hier ist.“, meinte der Junge, „Wir reiten doch nur in diese Richtung, damit Rittmeister Ilev nach Awisto zu seiner Familie kommt.“.
Also gehörten diese Reiter zur ersten oder zweiten Division des zweiten Korps, stellte Hiskijar fest, denn Awisto gehörte zum Herzogtum Keriso und allein diese beiden Divisionen stammten von dort.
Und nun war er sich immerhin sicher, dass sie nach ihm suchten und zwar großflächig, denn war dieser Ort weit vom Platz des Überfalls entfernt, was dieser Suche Bedeutung verlieh. Jemand wollte ihn in die Hände bekommen und dieser hatte genug Macht, um Truppen des offiziellen Heeres abzuspalten. Eine beängstigende Vorstellung, doch zugleich eine belustigende.
Hiskijar grinste, während er zu seiner Stute zurück schlich.
Es schien ihm, dass er in die Zeit vor fünfzehn Jahren versetzt worden war. Lange war es her, dass er nicht mehr in den Genuss einer ordentlichen Verfolgung gekommen war.
Sein Oheim hatte sich nicht verändert und für einen Moment erschien es Davror, als ob ihn dort sein Vater erwartete.
Tarendor trieb sein Pferd den Hügel hinab, hinter ihm folgte sein Bannerträger, Knappen und Soldaten.
Ein wenig hatte er den Bruder seines Vaters immer gefürchtet und so musste er sich für einen kurzen Moment daran erinnern, dass dieser ihm nun Treue schuldete. Er war der Fürst und Tarendor ihm unterstellt.
Aufrecht saß der Herzog von Tarea auf seinem Hengst, der auf der Stelle tänzelte, als ob er die Nervosität seines Reiters wahrnehmen würde. Seine Handschuhe griffen die Zügel enger, während er beruhigend auf das Tier einsprach, obwohl er wusste, dass er sich selbst versuchte zu beruhigen.
„Niendor!“.
Der Anführer seiner Wache trieb sein Pferd zu ihm hin.
„Herr?“.
„Ihr werdet meinen Oheim mit sechs deiner Männer zu mir geleiten.“.
„Zu Befehl, Herr.“. Der erfahrene und vernarbte Mann, winkte sechs seiner Männer zu sich und die kleine Gruppe ritt davon.
Der Herzog war froh, dass die Reise für den Moment zu Ende ging. Teilweise sehr starke Regenfälle hatten ihren Weg verlängert und allein die letzten Tage der Sonne hatten die Laune seiner Männer wieder gehoben.
Soeben hatte er die Grenze nach Servina überschritten, um den Befehl über die arthergischen Truppen zu übernehmen. Ihm widerstrebte es immer noch, diesen Schritt zu tun, doch war es seine Pflicht und diese musste erfüllt werden. Dennoch quälten ihn immer noch Befürchtungen, denn noch nie hatte er jemanden in eine Schlacht geführt und schon immer hatte er das Soldatenleben als abschreckend erfunden. Zwar hatte er wie alle jungen Adeligen die Schwertleite empfangen, doch war dies nur aufgrund seines Blutes und nicht etwa seiner Fähigkeiten wegen geschehen. Auch wollte er nun bei seinem Weib und seinen Kindern sein, den ersten Tritt des ungeborenen Lebens spüren und mit seinen Töchtern lesen üben.
Dann erreichten Tarendor und sein Geleit ihn und unterbrachen ihn in seinen Gedanken.
„Mein Herzog.“. Tarendors Miene sah Davror an, dass dieser seinen Kopf allein aus Pflichtgefühl und nicht aus Überzeugung neigte.
„Oheim.“, begrüßte er den Befehlshaber des dritten Korps.
Tarendor besaß das Gesicht eines Soldaten. Die markanten Züge ließen sein Gesicht stolz und hart erscheinen und obwohl das Soldatentum sein Lebenszweck war und er sich nicht scheute, in den vordersten Reihen zu kämpfen, waren seine Züge von Narben verschont geblieben. Sein Körper war trotz seines fortgeschrittenen Alters stark geblieben und die Muskeln zeugten davon, dass Tarendor keine Arbeit mied. Er besaß die gleichen eisblauen Augen, durch die auch sein älterer Bruder die Welt betrachtet hatte. Dieselbe Kälte und Strenge lag darin und ein Blick genügte, um zu erkennen, dass dieser Mann keine Späße trieb.
„Die Truppen sind Euer.“, meinte Tarendor leise.
„Wo stehen sie?“, fragte sein Neffe.
„Einen Tagesmarsch von hier.“, erwiderte der Ältere, „Die Ástilos sammeln sich an der Kreuzung vom Jaremer und seinem Schwesterfluss Jaeser.“.
„Das bedeutet, dass sie sich jeder Zeit in die Wälder von Machir und das Schattengebirge zurückziehen können.“, erkannte Doeros’ Sohn. Er runzelte die Stirn. „Doch zugleich ist es eine sehr unkluge Position, denn in ihrem Rücken haben sie Minajas, deren Truppen ihnen den Weg abschneiden können, während sie von drei Seiten vom Wasser umgeben sind.“.
Er versuchte sich eine Karte Servinas vor Augen zu führen und war froh, dass er wenigstens etwas bei den Lehrern gelernt hatte, die sein Vater ihm aufgezwungen hatte.
„Und im Südwesten können die Truppen der Akyras-Festungen angreifen, während wir aus dem Westen kommen.“.
„Richtig.“, erklärte Tarendor und auch wenn seine Miene kalt blieb, wusste Davror, dass sein Oheim sich für einen Moment freute, dass ihm kein völlig Unwissender vor die Nase gesetzt worden war. „Ich habe die Pioniere zu Ausmessungen vorausgeschickt, damit wir die Flussüberquerungen kennen und Brücken bauen können.“.
Mit einem Nicken gab Davror sein Einverständnis. Auch wenn er seinen Oheim nicht immer gemocht hatte, war er froh, diesen erfahrenen Mann an seiner Seite zu haben.
„Wahrlich diese Truppen werden von einem Kind geführt.“, lachte er und dieses Wissen nahm ihm die Furcht vor seiner Verantwortung, auch wenn dies ein Kampf war, den er nicht zu führen wünschte.
Doch er würde ihn führen, damit er in die Heimat und zu seiner Familie zurückkehren konnte. Es gab keine andere Möglichkeit.