Elam – Stadt der Herzöge und Kurfürsten von Tarea, mächtiger und schöner als Mearis. Sie ist die wahre Königin der Städte Arthergs und niemand kann das bestreiten!
Aus „Die Fürsten des Landes von Tarea“
Elam roch nach Heimat. Der Geruch lag in den Statuen, in den Gesichtern der Kinder und den Häusern. Es war ein guter Geruch. Davror sog ihn in sich ein und genoss ihn. Und doch lag ein fahler Unterton darunter und erst nach einer Weile erkannte der junge Herzog, dass es nicht die Stadt war, die sich verändert hatte, sondern er selbst.
Vielleicht genoss er es grade deswegen so, heimzukommen. Ein Stück Vertrautheit in einer Welt der Ungewissheit.
„Eure Hoheit.“.
Das Volk Elams stand in den Straßen, verneigte und beugte sich vor ihrem Herrscher. Kinder saßen auf den Schultern ihrer Väter und warfen neugierige Blicke auf ihn. Die unverheirateten Frauen tanzten vor dem Pferd des Herzogs und denen seiner Wachen und die Verheirateten warfen Blumen auf das Straßenpflaster.
Davror fragte sich, was sie in ihm sahen. Erkannten sie seine Schwäche oder sahen sie nur die Macht, die ihm Kraft seiner Geburt zustand? Doch würde er sie fragen, würden sie die Wahrheit vor ihm verbergen.
Er seufzte und ließ sein Pferd den Weg finden.
Endlich tauchten die Türme der Burg über den Dächern auf und der Fluss übertönte das Rufen der Menschen. Statt Erde klackerten die Hufe der Pferde nun auf Stein und ein Lächeln erreichte Davrors Gesicht.
Die Tore standen offen und sein Hofstaat hatte sich auf dem Burghof versammelt. Mägde knicksten und die Knechte verneigten sich vor ihm
Doch waren es nicht sie, denen Davrors Blick galt. Sein Blick glitt über die Menschenmenge zu seiner Familie, die sich vor der Tür zur großen Halle aufgestellt hatte.
Er glitt aus dem Sattel und ließ sich die Zügel von einem Burschen aus der Hand nehmen. Mit einigen kurzen Worten begrüßte er auch seine Untergebenen, bevor er die wenigen Stufen hochstieg und seiner Frau uns seinen Töchtern gegenüberstand. Alle drei knicksten und Jarila meinte: „Willkommen zurück, mein Herr.“.
Davror lächelte und erklärte: „Nun komm her.“.
Aufrecht ging seine ältere Tochter auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und knickste erneut.
Wann war seine Tochter nur so erwachsen geworden?
Er hockte sich auf ihre Höhe und sah seine Tochter, die seiner Frau wie aus dem Gesicht geschnitten war, an. Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, um sie danach zu umarmen. Nun lächelte auch Jarila.
Turiwa war nicht so schüchtern. Stürmisch lief sie auf ihn zu und schlang ihre dünnen Arme um ihn.
„Ich habe dich vermisst, Vater.“, meinte sie, dann lief sie zu ihrer Schwester und ihrer Mutter zurück und Davror erhob sich wieder.
Er sah seiner Frau in die Augen, verneigte sich und küsste ihre Hand.
„Wie geht es Euch, meine Dame?“.
Amasas Augen blitzten.
„Ich bin schwanger nicht krank und mir geht es gut.“.
Davror lachte auf und umarmte seine Frau.
Eine Weile standen sie so dar, dann entzog sie sich ihm und meinte: „Lass uns reingehen. Es ist zu kalt, um auf Dauer hier zu verweilen.“.
„Wie Ihr wünscht.“.
Er folgte ihr in die Halle, wo die Feuer prasselten und die Tische reichlich gedeckt waren. Die versammelten Menschen standen auf und erhoben ihre Becher.
„Auf den Herzog und seine Gemahlin.“, rief jemand.
Als Davror sich neben seine Frau und seine Töchter auf die Empore gesetzt hatte, erhob auch er sein Glas.
Davror musterte die Männer und die Banner, die sie trugen. Er erkannte die drei Speere von Kiort, die gekreuzte Feder und das Schwert von Minios und die Mühle des Grafen von Blerem. Es waren die höchsten und die bedeutendsten Fürsten des Herzogtums Tarea.
„Eure Hoheit.“. Keran, der Graf von Kiort war aufgestanden. „Stimmt es, dass der König den Zwillingsreichen den Krieg erklärt hat?“.
„Es stimmt.“, entgegnete Davror mit ruhiger Stimme.
„Und wie wird sich Tarea verhalten, Hoheit? Werden wir dem Ruf Folge leisten?“, rief Graf Saawan von Blerem mit höflicher Stimme, in der dennoch Schärfe lauerte.
Mit einer Handbewegung unterdrückte Davror die aufkeimenden Geräusche.
„Wir werden keine weiteren Truppen ausheben und die Männer Tareas, die Teil des regulären Heeres sind, werden in Servina und Tjarol verbleiben, um die Provinzen zu sichern und den Frieden zu wahren. Wenn es dort zu Kämpfen kommen sollte, obliegt uns die Verteidigung und das Durchsetzen des arthergischen Interesses, die Provinzen zu halten, solange bis der Krieg in den Zwillingsreichen beendet ist.“.
Keran nickte ihm zu und setzte sich wieder.
„Ich danke Euch, Hoheit.“.
Amasa berührte seine Hand und Davror drückte sie leicht. Er lächelte ihr zu und nahm einen Schluck von seinem Wein.
„Sie sind gekommen, um Antworten zu erhalten.“, erklärte sie ihm leise die Anwesenheit der drei Grafen.
„Ich weiß.“, murmelte er.
Nur wie sollte er ihnen Antworten geben, die ihm selbst unbekannt waren?
„Die Frage ist nur, wie wir da reinkommen.“, murmelte Hadassa und blickte auf die Burg, die sich vor ihnen ausbreitete.
Die Mauern Elams waren aus dicken Steinblöcken zusammengesetzt, hart und unnachgiebig, wie der Panzer ihres Wappentieres. Wachen patrouillierten auf den Mauern und der Schein ihrer Fackeln drang durch die Dämmerung als ferner, flimmernder Schein zu dem Hügel im Westen der Insel, auf dem sich Hadassa, Alechos und Mendechos versteckten.
„Irgendeine Idee?“, fragte die Sphinx und robbte rückwärts wieder in den Schutz der Erhebung zurück.
Alechos runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.
„Ich weiß es nicht.“, gestand er.
Einen Moment lang funkelte er sie an und knurrte: „Ich hätte eine Karte der Stadt und der Burg gehabt, doch ist sie mitsamt seiner Frau verbrannt.“. Der alte Vorwurf und der Hass waren lange nicht vergessen, das Feuer schwelte und war nicht erloschen, sondern wartete nur darauf, wieder auszubrechen.
„Es ist die größte Festung in ganz Artherg, die Wachen sind berühmt für ihre Trefffähigkeit und die Mauern sind dick und bis auf das eine Tor undurchbrochen.“.
„Aber irgendwo muss es doch einen weiteren Ausgang geben.“, beharrte Mendechos, „Wenn der eine Ausgang versperrt ist, weil Feinde die Mauer und das Tor eingenommen haben oder ein Feuer ausbricht, muss doch der Herzog mit seiner Familie irgendwie entkommen.“.
„Sicher.“, Alechos nickte, „Doch kennen wir ihn nicht und er wird gut versteckt sein.“.
Der Hersor hockte sich neben seinen Sohn auf den Boden. „Der Notausgang wird unter dem Fluss entlang führen und außerhalb der Stadtmauern enden.“.
Er sah auf, als Hadassa aufsprang.
„Was ist?“.
Die Löwin blickte sich um und knurrte dann: „Es riecht nach Elben.“.
Als sich die Welt um ihn herum manifestierte, stolperte Hiskijar für einen Moment, doch bewahrte Linovèn ihn mit einem raschen Zupacken vor einem Sturz.
„Man gewöhnt sich mit der Zeit daran.“, vertraute sie ihm an, doch er schnaubte nur und sah sich um.
Durch die Dunkelheit schimmerten die Lichter Elams zu ihnen herüber. Die Finsternis verbarg das Antlitz der Stadt, doch blieben die Geräusche. Das Gelächter und die Musik, die aus den Tavernen am Stadtrand drang, kläffende Hunde und Schnarchen.
Linovèn legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Bei dem, was du jetzt vorhast, werde ich dir nicht helfen können. Dies ist dein Weg und du musst ihn alleine beschreiten. Solltest du nicht rechzeitig kommen, werde ich mich alleine auf den Weg in das Schattengebirge machen. Kommst du rechzeitig, reisen wir gemeinsam.“.
Hiskijar nickte knapp. Servina rief nach ihm, jede Pore seines Seins sehnte sich nach den schneebedeckten Bergen, den Hochlanden und den dichten Wäldern, den tosenden Wassern des Lidebir und nach den Festungen, die wie Adlerhorste über den Wolken schwebten und von längst vergangenen Zeiten träumten. Doch zuvor musste er mit dem Herzog sprechen, dem Einzigen im Rat des Königs, dem er einigermaßen trauen konnte. Er hatte auch erwägt zu Beera zu gehen, doch hatte er nicht die Zeit und die Energie sich mit dem Alten auf tagelange Diskussionen einzulassen, außerdem konnte man bei dem Herzog von Alak nie sicher sein auf wessen Seite er stand
„Konzentrier dich.“, befahl die Elbe ihm. „Du kannst ein Schutzschild aufrichten, nun musst du einen Umhang weben, der dich vor den Augen Fremder verbirgt.“.
Es war unendlich mühsam, denn diese Art von Magie hatte er noch nie erschaffen, doch letztendlich gelang es ihm, wenn auch nur für kurze Zeit.
„Das muss genügen.“, meinte Linovèn und seufzte. „Für mehr bleibt keine Zeit. In der Stadt brauchst du keine Magie zu wirken, aber in der Burg ist sie von Nöten.“.
Einen Moment betrachtete er die Elbe, die er obgleich er sie erst wenige Wochen kannte, schon als fast so etwas wie eine Freundin betrachtete, mindestens als Kampfgenossin.
Dann umarmte er sie urplötzlich, ein seltener doch notwendiger Gefühlsausbruch seinerseits. Er hatte keine Ahnung wie der Herzog auf ihn reagieren würde und somit musste er Linovèn wenigstens einmal zuvor beweisen, dass sie ihm nicht egal war.
Als er durch die Straßen von Elam ging, war er Hiskijar und es waren Hiskijars Erinnerungen, die ihn überkamen. Es gab so viele Erinnerungen, die in Elam lauerten. Sie sprangen ihn von Springbrunnen an oder von den Fresken, aus winzigen Gassen und von den Dächern.
Doch fühlte es sich nicht nach einer Heimkehr an, denn obwohl er in Elam geboren war, hatte er diese Stadt nie seine Heimat genannt. Es war die Heimat seines Vaters, die seiner Mutter war Hawila, die Stadt am Lidebir im Schatten des Gebirges und Hiskijar hatte Servina nicht Artherg zu seinem Heimatstaat auserkoren.
Er erreichte die Stadttore und verschmolz mit den Schatten. Ohne gesehen zu werden, huschte der einstige Rittmeister über die Brücke aus Stein und schlüpfte unter den Augen der Wachen hinweg durch das Burgtor.
Trotz der späten Stunde herrschte reger Betrieb. Diener eilten hin und her, Frauen trugen Körbe mit Feuerholz und Mägde trugen Platten mit Fleisch zur großen Halle. Hiskijar folgte einer von ihnen, einem jungen Mädchen mit dunklem Haar und einem blassen Gesicht.
Die große Halle hatte sich nicht viel verändert, seitdem er zuletzt hier gewesen war, auch damals hatte Winter geherrscht und die Feuer hatten Schatten an die Wände geworfen. Einige Männer schliefen auf den Tischen, die Köpfe in Lachen von Bier und Wein, weitere unterhielten sich im flackernden Licht der Kerzen, doch der Mann, den er suchte, war nicht zu sehen. Die hohe Tafel war leer, nur ein Hund knabberte unter dem Tisch an einem Knochen und Davrors Onkel schnarchte in einer Pfütze aus Bier.
Erneut wartete Hiskijar bis ein Diener die Tür zum Wohnturm der Herzogsfamilie aufstieß, dann folgte er ihm.
Er ahnte, wo er Davror von Tarea finden würde und so wartete er, bis die dumpfen Schritte verhallten, dann stieß er leise die Tür zu Bibliothek auf. Und richtig, Davror saß an einem Pult, die Feder auf ein Pergament gesetzt und füllte das Blatt mit Buchstaben.
Hiskijar lehnte sich an die Tür und betrachtete die Silhouette des Herzogs schweigend. Davror war seit ihrer letzten Begegnung gewachsen, er war nicht länger ein Junge, sondern ein Mann, der gelernt hatte, was es hieß, Verantwortung zu tragen.
„Hallo, Bruder.“, meinte er leise.
„Wen haben wir denn da?“.
Hadassa fuhr herum und stürzte auf die Elbe zu, die sich an eine Tanne lehnte und sie betrachtete. Im letzten Moment wich die Elbe aus und Hadassas Krallen zerfetzen alleine die Baumrinde.
„Eine Sphinx und zwei Hersor.“. Sie wich erneut der geballten Kraft der Löwin aus und runzelte die Stirn. „Was treibt ihr hier im Norden?“.
„Dasselbe könnte ich dich fragen, Elbe.“, knurrte sie und warf sich erneut auf die Elbe.
„Hadassa.“. Als sie Alechos’ harschen Ruf vernahm, hielt sie inne.
Auch die Elbe drehte sich um und lächelte. „Ich wusste doch, dass es hier eine Person gibt, mit der man vernünftig reden kann.“.
„Also noch einmal, was habt ihr hier zu suchen?“.
„Wir suchen ein Buch.“, antwortete Alechos gelassen, während Hadassa nur das Gesicht verzog.
„Und du?“, fragte die Löwin und starrte die Elbe grimmig an.
„Ich warte, aber mein Begleiter sucht einen Verbündeten.“.
„In der Person des Herzogs? Eines Menschen?“, fragte Hadassa entgeistert, „Das ist verrückt.“.
„Mindestens so verrückt wie eine Sphinx und ein Hersor, die in die Bibliothek eines Herzogs spazieren wollen, um nach einem Buch zu verlangen.“.
Einen Moment musterte Hadassa die Elbe stur, dann lachte sie und bedeutete die Elbe sich zu setzen.
„Wie ist dein Name?“, fragte sie.
„Linovèn.“, lautete die Antwort, „Und wie lauten die euren?“.
„Ich bin Hadassa.“, erklärte die Sphinx, „Dieser verbitterte Zeitgenosse ist Alechos und das ist sein Sohn Mendechos.“.
„Ein seltsamer Ort für ein Zusammentreffen.“, stellte Linovèn fest und erntete dafür ein zustimmendes Nicken.
„Vielleicht ist es ein Zufall.“, murmelte Hadassa, dann wurde sie lauter, „Vielleicht Bestimmung.“.
„Wofür wollt ihr einen Verbündeten finden?“.
„Gegen einen Mann, der den Thron Arthergs an sich reißen will.“.
Die Löwin lachte auf. „Davon gibt es viele, ebenso wie bei uns. Nur bei euch gelten sie als Verräter und bei uns ist es ihr Recht. Der Thron ist ihrer, sobald sie sich als stärker erweisen als der bisherige König. Dieses System der Menschen ist schwach.“.
Sie deutete auf die Burg. „Ein Sohn sollte sich sein Recht selbst erkämpfen müssen und nicht durch einen Blutrang seinen Wert festgelegt bekommen. Der Stärkere überlebt und die Schwachen fallen. So ist der Lauf der Dinge und dieses System, welches die Menschen haben, ist abartig und unnatürlich.“.
Linovèn zuckte mit den Schultern. „Es sind Menschen, keine Sphinxe und keine Elben. Und welche Fragen trieben euch nach Elam, in dessen Bibliotheken ihr nun nach Antworten sucht?“.
„Die Frage, wieso es einen toten Sphinx geben kann, der sich nicht in Sand aufgelöst hat.“.
„Was?“. Überrascht sah Linovèn die Sphinx an. „Das ist unmöglich.“.
Hadassa seufzte. „Das dachten wir auch, doch ist es Realität und wir wollen herausfinden, wer es war.“.
Nun meldete sich auch der Hersor zu Wort.
„Sie haben meine Frau umgebracht.“. Aus seinen Augen sprach lodernder Hass und seine Hände waren geballt. „Sie ist bei lebendigem Leibe verbrannt.“.
Linovèn runzelte die Stirn und sah ihn scharf an. „Sagtest du verbrannt?“.
„Ja.“, erwiderte er, „Wieso?“.
„Weil mein Heimatdorf ebenfalls niedergebrannt worden ist.“.
„Sie wollten etwas oder jemanden.“, stellte Hadassa fest, „Wenn es sich denn um die gleichen Leute handelte. Und der kleine Junge in den Wüsten muss etwas gesehen haben, weswegen er getötet worden ist.“.
„Feuer legen kann jeder.“, meinte Alechos, „Das ist keine große Kunst.“.
Hadassa schüttelte den Kopf. „Wer auch immer es wahr, es waren keine Menschen. Diese Furcht, die von diesem Ort ausging, ist zu stark für etwas, dass ein Mensch bewirken kann.“.
„Du hast es auch gespürt?“, fragte die Elbe, „Eine große Furcht, dunkel und namenlos, bei der sich jegliches Haar am Körper sträubt und alle Sinne nach Flucht schreien?“.
„Ja.“, antwortete die Sphinx und sah Linovèn an, „Es waren dieselben Leute. Nur was verbindet die beiden Geschichten?“.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete Linovèn und ballte die Hand zur Faust, „Doch lohnt es sich, das Buch, das ihr sucht, zu finden, um darin nach Antworten zu suchen. Wenn mein Freund das überlebt, werde ich euch helfen. Und vielleicht können wir dann die Wahrheit herausfinden.“.
Als Davror die Stimme vernahm, umfasste er den Griff seines Schwertes und fuhr herum. Der Mann, der an der Tür stand, war ihm völlig unbekannt und das Einzige, was ihn interessierte, war die schwere Bewaffnung des Fremden.
Die Frage war nur, wer ein Interesse daran hatte, einen Mörder für ihn zu schicken.
Mühelos entgegnete der Mann Davrors Schlag mit einem Säbel. Welche Kraft musste in diesen Armen liegen, wenn er den Schlag eines Anderthalbhänders so mühelos mit einer Klinge, die so viel leichter war, abwehren konnte.
Jedem Schlag Davrors wich er aus und tänzelte leicht und sich jedem seiner Schritte genau bewusst um ihn herum.
Und dann begann er etwas Seltsames zu tun.
„Du schützt deine rechte Seite zu wenig. Sei schneller.“, riet er ihm. „Du verlagerst dein Gewicht schlecht, stell dich grade hin und mach deine Schrittfolge sorgfältiger.“.
Soviel er Davror beriet, so wenig Fehler machte der Fremde selbst. Er war schnell, voller Sorgfalt und Konzentration und er hatte seine Klinge voll unter Kontrolle. Bei ihm sah es aus, als ob der Säbel ein Teil seines Körpers wäre.
Umso mehr war Davror überrascht, dass der Krieger ihn nicht angriff. Er verteidigte sich lediglich und seine Schläge waren so gezielt, dass sie ihn nicht verletzten.
Zögernd ließ er sein Schwert sinken und betrachtete den Fremden genauer.
„Hiskijar?“, fragte er zögernd.
Der Fremde ließ sein Schwert nun ebenfalls sinken, grinste ihn an und nickte.
„Lange ist es her, Bruder.“. Mit einer fließenden Bewegung schob er seinen Säbel in die Scheide an seiner Seite zurück.
„Fünfzehn Jahre.“, meinte Davror leise und betrachtete seinen Halbbruder genauer. Er trug eine andere Gestalt, als die, die er gewöhnt war, doch war darin ein Schatten des Vertrauten. Die gleiche Haltung, der gleiche Schmerz in den dunklen Augen, dieselbe Verbissenheit, der um die Mundwinkel lag.
„Und du kämpfst immer noch so gut wie damals.“. Er hob den Zeigefinger, „Und ich möchte gar nicht wissen, wie du es geschafft hast an meinen Wachen vorbei zu gelangen.“.
„So schwer war das nicht.“, erklärte Hiskijar, „Und du kämpfst genauso schlecht wie damals. Dabei könntest du viel besser sein, wenn du nur den Mut dafür hättest, weiter zu gehen. Du hast das Talent unseres Vaters, ich sehe es in deinen Augen, zumindest einen Teil davon.“.
Davror verzog das Gesicht. „Lass uns nicht von unserem Vater reden.“.
Hiskijar nickte. „Einverstanden und ich fürchte, ich bringe dir schlechte Kunde.“.