Deseis sah sich hektisch um, Claude lag bewusstlos am Boden und Newra presste ihre Hände auf die klaffende Wunde auf Treplews Hals.
„Ihr habt meinen Plan vereitelt oder sollte ich besser sagen Merlins Plan? Wisset das ihr bloß einen Aufschub gewonnen habt. Bald werden die alten Mächte entfesselt, nur Merlin kann sie stoppen!“, Selenos schmunzelte, seine roten Augen fixierten Deseis.
Dieser griff ihn an, aber genau damit hatte Selenos gerechnet. Er wich ihm seitlich aus, um dann seine Fangzähne in Deseis Hals zu vergraben.
Deseis keuchte auf und viel auf die Knie, im selben Moment flog die verschlossene Türe aus den Angeln. Der Boden begann zu leuchten und Treplews Wunde verschloss sich. Selenos ließ von Deseis ab und grinste ihn an: „Das Gift eines Vampirs tötet einen Dämon, es wird qualvoll und langsam vergehen. Church wird wissen warum ich das getan habe!“
Deseis spürte wie seine Adern förmlich zu brennen begannen, Schweiß lief ihm über die Stirn. Er konnte sich kaum noch bewegen und kippte zur Seite.
Plötzlich wurde die aufgebrochene Wohnungstüre aufgeschlagen und ein Schwall goldenen Lichts bedeckte den Boden. Er schien allen neue Kraft zu spenden und Treplews Wunde zu verschließen.
„Wer wagt es mich zu stören, was sollen diese Lichtspiele?“, Selenos drehte sich um, Deseis Blut tropfte von seinen Mundwinkeln.
Vor ihm, im Zenit des Lichts auf dem Boden, stand eine Elfe.
Ihr blondes Haar war hochgesteckt und ihre Gestalt zu zierlich für das Schild, welches sie trug. Es schien aus purem Sonnenlicht zu bestehen, Gold und rein.
„Wir würden uns noch nie vorgestellt. Ich bin Arya Ronalien, jüngste Tochter des Lichtfürsten der Hochelfen! Aber ich hatte noch nie viel für euer Volk übrig, Bluttrinker!“, ihre stahlgrauen Augen fixierten den Vampir, sie schien ihn nicht zu fürchten.
Selenos grinste: „Dein Name ist mir wohlbekannt, Schwester von Ation, dem Verbannten. Er hat die Heiligtümer meines Volkes wie auch der Hexenmeister gestohlen!“
Ein leichtes Lächeln umspielte Aryas pralle Lippen: „Ich sollte da etwas richtig stellen! Nicht mein Bruder hat die Heiligtümer entwendet!“
Das goldene Schild verschwand, stattdessen erschien eine riesige Axt aus Gebeinen und Totenköpfen in ihren Händen, ein roter Schleier schien sich um sie zu bewegen.
Selenos Augen weiteten sich: „Ich dachte Ation hätte die Waffen vernichtet! Wie kann es sein das du sie berühren kannst, die Blutaxt tötet jeden der sie berührt und vernichtet seine Seele!“
Arya’s sturmgraue Augen verfärbten sich zu einem blutigen Rot: „Nein, ich habe gelernt eure Waffen zu beherrschen! Und ich hoffe doch das die Axt genau diesen Zweck erfüllt!“
Dann sprang sie auf ihn los und trieb die Axt tief in sein Herz.
Newra sah geschockt zu wie die gesamte Essenz des mächtigen Vampirs von der Axt aufgesaugt wurde, bis er verschwunden war.
Auch sie als Jägerin hatte um die Artefakte gewusst, aber noch nie ihre wahre grausame Macht gesehen. Im letzten großen Krieg waren sie geschaffen worden, jedes Volk hatte die seine im streben sich vor dem Dunklen zu schützen geschmiedet. Nach dem Tod des Dunklen waren sie in Vergessenheit geraten und man hatte, auch wenn Ation immer beteuerte sie nie gesehen zu haben, mit ihrer Vernichtung gerechnet.
Arya atmete schwer, die Axt verschwand und ihre Augenfarbe kehrte zum Ursprung zurück.
„Ich sagte du sollst im Auto bleiben!“, keuchte sie als Delina an ihr vorbei zu Deseis stürmt.
„Nicht du auch noch!“, Delina nahm Deseis Hand und presste sie an sich.
Deseis Augen waren schon trüb, er atmete kaum hörbar und Delina konnte spüren wie das Leben aus ihm wich.
Tränen flossen über ihre Wangen: „Arya! Hilf ihm! Er ist noch nicht tot!“
Arya senkte den Kopf: „Aber er wird es bald sein! Ich kann ihm nicht helfen, diese Wunde wird ihn schon bald hinüber auf die andere Seite geleiten.“
Delina biss sich auf die Lippe bis sie ihr Blut schmecken konnte, ihre Gefühle übermannten sie.
Blut. Das Blut ihrer Schwester, die von Merlin gepfählt worden war.
Das Blut ihres Vaters, der versucht hatte Merlin aufzuhalten.
Die Gesichter ihrer Familie, im Regen und auf den schlammigen Boden vor dem brennenden Turm. Sie hatte ihre Körper zurückgelassen, sie hatte ihre Familie nicht einmal beerdigt. Ihr Blut war in den Boden gesickert, ein ewiges Mahnmal für Merlins Grausamkeit.
Aber Deseis blutete kaum, er lebte noch, er war nicht tot.
„Arya bitte!“, schrie Delina jetzt, „Er ist nicht tot! Er ist noch nicht tot! Du kannst ihn doch nicht einfach aufgeben! Bitte Arya! Er ist ein guter Dämon, er hat ein Herz aus Gold! Bitte lass nicht zu das er jetzt stirbt!“
Arya fuhr sich mit der Hand über die Stirn, die Blutaxt, oder Seelenreißer wie die Vampire die Waffe aus den Gebeinen ihrer Vorväter getauft hatten, kostete sie viel Kraft. Sich nicht im Durst nach Macht zu verlieren und alles Leben auszulöschen. Sie konnte Delinas Verzweiflung verstehen, sie hatte heute schon zu viel verloren. Auch sie wusste das Deseis nicht der klassische böse Dämon war, das hatte er auch ihr in der Vergangenheit bewiesen. Aber in die Natur einzugreifen, die ihn dahinraffen würde, könnte ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen. Das Gift, welches einen Menschen zum Vampir machte, war für übernatürliche Kreaturen durchaus tödlich. Aber was wenn sie ihn vor dem Tod bewahren würde? Was würde noch von seiner Seele bleiben.
Die Dunkelheit setzte den Kindern des Lichts zu, wie damals zur Herrschaft des schwarzen Throns. Aber sie war nicht nur ein Kind des Lichts, auch wenn sie spüren konnte das ihr Volk seine Macht bereits gänzlich verloren hatte.
„Arya!“, Delinas verzweifelte Schreie hallten durch die verwüstete Wohnung. Arya wusste das sie schnell eine Entscheidung treffen musste.
"Ich dachte an eine einfache Blume aus diesem Wald, als Zeichen das ich ihre Herkunft schätze und ehre."
"Es tut mir leid wegen deinem Vater, ich konnte ihn nicht retten!"
"Hat dir nie jemand beigebracht das es unhöflich ist ständig andere zu unterbrechen?"
Schnell schüttelte Arya den Kopf um die Worte die durch ihren Kopf schwirrten zu verbannen.
„Du warst eine Jägerin, oder?“, sie wendete sich an Newra, welche nickte.
Arya seufzte tief, was sie vorhatte zu tun war nicht nur verboten, es war Wahnsinn. Und wahrscheinlich würden sie alle dafür hingerichtet werden.
„Dann mach ein Portal nach Irilas, zum Tempel des Lichts!“, Arya wendete sich nun an Treplew, „Du kümmerst dich um Delina! Sie muss still sein!“
Treplew nickte und zog Delina behutsam von Deseis Körper weg.
„Sollte er nicht lieber Deseis tragen?“, fragte Newra überrascht.
Arya ignorierte ihre Frage und hob Deseis Körper mit einer Leichtigkeit, auf die für allgemeine Verwunderung sorgte.
Newra konzentrierte sich und ein Portal erschien, schnell zog sie Claudes bewusstlosen Körper hindurch. Delina wurde von Treplew mitgezogen und fand sich auf einem sandfarbenen glänzenden Steinboden wieder. Über ihr war eine Kuppel aus Glas aus der das warme Licht der Sonne in die Halle fiel. In der Mitte des großen Raumes stand ein runder steinerner Altar auf dem das Symbol einer Sonne mit einem Schild und einem Schwert eingraviert war.
"Irilias!", Newra wendete sich erstaunt an Arya, "Noch nie gelang es uns diesen Ort zu betreten. Finn hatte versucht mit den Ronalien zu verhandeln, aber er konnte nur Ation bei sich aufnehmen und hoffen das er dadurch irgendwann an..."
Aryas Blick verfinsterte sich als sie Deseis Körper auf den Altar hievte: "Um an die Macht meines Volkes zu kommen. Der Krieg kam über uns und Elensar hat uns im Stich gelassen! Nun wird die Kraft der Lichtelfen einem anderen zuteil..."
Langsam begann sie zu sprechen, doch Delina und den anderen war es nicht möglich ein Wort zu verstehen. "Was tut sie?", wollte Treplew leise wissen als Newra sich neben ihnen nieder ließ. "Allister ist ein Abkömmling von ihrem Volk, man sagt die Ronalien wurden von den Engeln selbst mit der Kraft des Lichts gesegnet. Es ist ihnen möglich beinahe alle Wunden zu heilen. Aber mit dem was sie da vollbringt sie unnatürliches...", Newras Blick schien besorgt.
"Gut das Claude bewusstlos ist!", stellte Treplew fest, "Sonst würde er das Ritual stören!" Delina war sich sicher, dass der Druide durchdrehen würde wenn er wüsste wie kritisch es um seinen einzigen Freund stand. Sie konnte spüren wie weiter alle Lebenskraft aus Deseis Körper zu schwinden schien. Das Sonnenlicht, welches über den Altar fiel, wurde greller, sodass sie kaum noch etwas sehen konnte, bis es einen gewaltigen Knall gab, der Delina und die anderen zurückwarf. Das Licht schien verschwunden und Arya sank erschöpft vor dem Altar auf die Knie. Delina warf ihr einen fragenden Blick zu und rappelte sich auf: "Lebt er? Arya?"
Diese nickte schwach: "Er schläft jetzt... Aber er wird wieder erwachen!"
Treplew wendete sich herum: "Schritte, viele Schritte..." Newra und Delina stellten sich neben ihn und machten sich kampfbereit als zahlreiche bewaffnete Elfen den Raum stürmten.
"Wer wagt es unser Heiligtum zu schänden?", die strenge Stimme der einzig fürstlich gekleideten Elfen schien beinahe durch die dicke Luft zu schneiden. ihr hochgestecktes Haar und der Blick erinnerten Delina an Arya selbst.
"Wir waren in Not! Also...", begann Delina und wurde dann von Arya unterbrochen.
"Ich, Mutter!", Arya taumelte an ihnen vorbei und ihr Blick traf den strafenden Blick der Fürstin Ronalien.
"Tochter!", Tyralia Ronalien verzog ihr Gesicht voller Verachtung, "Also ist es wahr was dein verkommener Bruder sagte. Warum müssen diese verräterischen Kinder meine sein? Tötet sie!"
Delina konnte nicht fassen wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den beiden Elfen schien, aber dann dachte sie an ihre eigene Mutter.
"Ich bin Ezra Androlien!", Treplew erhobt sich, "Bruder von Allister Androlien, ich denke sie haben zumindest von ihm gehört!" Tyralias Blick wendete sich nun interessiert dem entstellten Elfen zu: "Der verrückte Treplew, Bruder des Heilkünstlers. Was begehrt ihr von den Lichtelfen? Seit ihr gekommen, um unsere Macht zu stehlen? Dann muss ich euch sagen, dass ihr zu spät kommt!" Überrascht sah Delina sich die Elfen genauer an, sie sahen ausgezehrt aus: "Wer hat das getan?" Tyralia musterte nun auch sie: "Jemand deinesgleichen… Hexe!" Delina sah sie überrascht an: "Ich bin keine Hexe, ich bediene mich der Magie, die man in Elensar lehrt!" Tyralia schien nun sehr wütend zu werden: "Ihr seit Delina, die Tochter von Vincent Guren! Dieses Monster, das kam und unserem Volk die Kraft nahm, sie zeigte mir was geschehen wird... Du wirst schon bald selbst zur Finsternis!" Dann schienen sich ihre Gesichtszüge zu entspannen: "Ihr könnt bleiben bis ihr ausgeruht seid. Dann verlasst dieses Land und kehrt nie wieder. Auch du, Arya! Du wirst deine Macht hier im Tempel binden, sodass unser Volk überleben kann und dann in die Verbannung gehen. Versprich es!"
Arya sah stumm zur Herrin der Lichtelfen: "Ihr habt mein Wort, Mutter!"
"Shanora!", Finn folgte seiner weinenden Schwester durch die qualmenden Ruinen seiner Stadt. "Nein!", sie wirbelte herum und schrie ihm die Worte entgegen, "Nein Finn! Das Wort, das du wie diese Elfe sagte nicht kennst! Wie konntest du nur? Ich habe dich unzählige Male gewarnt! Angefleht habe ich dich das du auf mich hören musst. Und das ist passiert!"
Sie drehte sich in der Asche die langsam vom andauernden Regen weggespült wurde. "Wir haben einen Rückschlag erlitten, aber unsere Feinde werden...", fing Finn an doch Shanora unterbrach ihn wieder.
"Unsere Feinde?", Tränen rannen über ihre Wange, "Was ist aus dir geworden das du Freund und Feind nicht mehr unterscheiden kannst?"
Fest entschlossen verschwand sie, wollte diesmal alles richtig machen. Der Ort, der ihr in den Sinn kam war ihr zuhause, Ladiras Hütte um Wald.
"Manchmal ist es der einzig richtige Weg alles hinter sich zu lassen!", Maris Geist tanzte über die Wiese und warf ihr diese Worte entgegen.
"Und das werde ich!", sagte Shanora und begann ihre Sachen zu packen, "Diesmal werde ich keine Hilfe brauchen. Und niemand wird mich finden! Selbst Finn nicht! Aber zuerst werde ich dafür Sorgen das Finn sieht was für eine Person Merlin ist. Dafür gibt es nur eine Möglichkeit!"