Arya starrte stumm auf die Wand vor ihrem großen Himmelbett, alles war in sonnigen Farben gehalten, nichts davon passte zu ihrer Stimmung. Langsam öffnete sie ihren Zopf und erhob sich wieder, sie hatte sich in der Überforderung einfach auf den weichen Teppich vor ihrem Bett gelegt.
"Ich werde zurückkehren, sobald die Dunkelheit unser Land nicht mehr bedroht!", hatte ihr Vater gesagt, als er in die Schlacht gezogen war. "Natürlich wirst du das, unsere Sonne wird nie untergehen!", hatte Arya voller Hoffnung geantwortet.
Ihre Kindheit war so behütet gewesen, erst jetzt, als sie dabei war eine Erwachsene zu werden, kamen die Schrecken des großen Krieges über ihre Grenzen. Sie wollte kein Teil davon sein, nicht die Schachfigur einer Heirat um den Machtverlust auszugleichen, welchen sie durch den Tod des Herren von Irilias erlitten hatten. Was brachte das noch?
Langsam ging sie in das angrenzende Bad und entfernte den Schmutz von ihrem Körper, mit dem warmen Wasser begann ihre Haut zu kribbeln.
"Was?", Arya spürte, wie etwas durch ihre Venen schoss, unglaublich fühlte es sich an, so viel Macht, "Nein! Das darf nicht sein!"
Schnell zog sie das festliche schwarze Kleid an, welches für Anlässe der Trauer fertiggestellt worden war. Es verdeckte beinahe alles, vom Hals bis zu den Knöcheln. Dann stellte sie sich vor den Spiegel und betrachtete, was sie sah. Ihre sturmgrauen Augen schienen jeglichen Glanz verloren zu haben und ihr blondes Haar steckte sie hoch, so wie ihre Mutter es trug. Nun sah sie aus, wie das was man aus ihr machen wollte, eine Prinzessin.
"Arya?", Ations besorgte Stimme ließ sie kurz schaudern, hatte er davon gewusst? Schnell öffnete sie die Türe und sah die Schuld in seinen Augen, welche ihr eine Antwort auf all die Fragen gab. "Du wusstest es!", fuhr sie ihn an, "Du wusstest es und hast es mir verheimlicht!" Ation nickte traurig: "Ich wusste, das es dich zerstören würde. Darum habe ich geschwiegen, Mutter wollte es dir heute sagen, aber du kamst nicht wie ausgemacht zurück! Wir wollten dir ein paar letzte unbeschwerte Tage lassen!"
Arya atmete einmal tief durch: "Also ist es jetzt meine Schuld? Weil ich nicht so strebsam bin, kann man mir die Nachricht vom Tod meines Vaters verschweigen?" Ation schüttelte entschieden den Kopf: "Nein, natürlich nicht! Bitte verstehe Mutters und meine Beweggründe, es war auch für mich schwer ein Geheimnis vor dir zu haben! Und glaub mir, ich möchte nicht das du dieses Ding heiratest! Aber du weißt, was es heißt das Vater verstorben ist!"
Arya kniff die Augen zusammen, Tränen sammelten sich darin: "Du meinst das er getötet wurde!" Ation seufzte tief: "Arya..." Arya ließ den Kopf hängen: "Also warten wir darauf wer von uns seine Kräfte erben wird, darum werde ich verschachert wie Vieh! Weil du es sein musst, der talentierte, der gute Ation!"
Ation verstand ihren Unmut: "Arya, ich wünschte es wäre anders!" Arya nickte: "Glaub mir ich auch! Aber wir sollten Mutter und ihren Gast nicht länger warten lassen, habe ich recht?"
Ation nickte traurig und folgte seiner Schwester dann zurück in die Halle, wo auch er den zukünftigen Mann seiner Schwester unter die Lupe nehmen konnte. Er war groß und gut gebaut, und zu seiner Erleichterung sah er nicht wie ein Monster aus. Er hatte sich den mächtigsten unverheirateten Mann aus der Sippe Agares bedrohlicher vorgestellt, aber sein Gesicht war anmutig und seine Körperhaltung ließ ihn schon beinahe unschuldig wirken.
Arya warf ihrer Mutter einen kühlen Blick zu: "Was gibt es noch zu besprechen, wenn bereits alles entschieden wurde? Müsst ihr noch über den Preis verhandeln? Wie viel ist meine Zukunft wert, Mutter?"
Tyralia sah sie fürsorglich an: "Du solltest wissen das es der letzte Wille deines Vaters war, Arya!" Das traf Arya unvermittelt, wie ein Blitz. Der Mann, der ihr zugesichert hatte, ihr die Wahl zu lassen und sie nie unter Druck gesetzt hatte zu heiraten hatte in seinen letzten Atemzügen ihr Schicksal besiegelt.
"Warum hätte Vater so eine Entscheidung treffen sollen?", fragte Arya leise und versuchte krampfhaft die sich anbahnenden Tränen zu unterdrücken.
"Ich verstehe das diese Situation für dich nicht einfach ist!", erhob nun der junge Mann seine Stimme, "Aber ich selbst war in den letzten Sekunden dabei, als dein Vater seinem Berater diesen Wunsch mitgeteilt hat!" Arya schluckte und sah in seine schwarzen Augen: "Du bist Teil dieses Krieges! Du bist auch einer dieser mordenden Verrückten die ihre Taten ruhmreich nennen?"
Der junge Mann nickte: "Ich bin Deseis, Bruder des Baal. Erbe Agares und ich führe die Armee meines Bruders in jeder Schlacht die wir gegen den Dunklen zu schlagen haben!" Tyralia nickte anerkennend: "Er wird dir bestimmt ein guter Mann sein, Arya! Es wird dir an nichts fehlen!"
Aryas Gesichtszüge verhärteten sich: "Er wird so gut sein und vielleicht bald in einer ruhmreichen Schlacht sterben damit ich seinen Anblick nicht zu lange ertragen muss. Hoffentlich noch bevor ich widerliche kleine Halbblüter zur Welt bringe wie eine Zuchtstute. Ich werde meine Entscheidung heute Abend im Tempel des Lichts bekannt geben. Darf ich zumindest noch diese Tradition wahren, oder wird mir das nicht gestattet, Mutter?"
Tyralia ließ den Kopf hängen: "Natürlich darfst du das Arya, aber bedenke, dass es nichts zu entscheiden gibt!"
Arya nickte und verließ fluchtartig den Raum, stürmte aus dem Anwesen in den Wald. Es kümmerte sie nicht das die Äste und Sträucher Risse in dem teuren Stoff ihrer Kleidung hinterließen, sie rannte, bis sie wieder auf der Lichtung ankam, wo sie in der Mitte der Wildblumen zusammenbrach und bitterlich weinte.
Sie weinte, bis das Gefühl der Leere die Trauer verdrängt hatte und sie schwer atmend auf der Wiese lag. Die Sonne schien ihr auf ihre gut gebräunte Haut, was sich ein wenig heilsam anfühlte. Aber auch das Kribbeln in ihrer Haut kehrte zurück, als würden die Sonnenstrahlen es noch verstärken.
"Es tut mir leid!", die kühle Stimme von Deseis riss sie aus ihrer aufkeimenden Panik, was die Kräfte, die plötzlich in ihr innewohnten betraf. Schnell rappelte sie sich auf, ihre Frisur war zerstört, also öffnete sie den Knoten einfach: "Was tut euch leid, Kriegsfürst? Das ich nicht das bin was ihr erwartet habt? Keine wunderschön strahlende Prinzessin die kichernd mit ihren Zofen Tee aus kleinen Tässchen trinkt? Das ich nicht so wunderschön bin und es mir ehrlich gesagt auch egal ist? Oder das ich keinen Wert darauf lege eure Gemahlin zu werden und Halbblüter in die Welt zu setzen?"
Deseis sah sie an, als hätte sie etwas Dummes gesagt: "Nein. Das stört mich nicht! Du bist intelligent und hast eine unglaubliche Ausstrahlung. Und wahrscheinlich einer der schönsten Menschen die mir je begegneten. Es tut mir leid wegen deinem Vater, ich konnte ihn nicht retten!"
Aryas Atem stockte, sie hatte das Gefühl ihr Herz würde nicht mehr richtig funktionieren und sich verkrampfen: "Du warst dabei? Als er getötet wurde?" Deseis warf ich einen kühlen Blick zu: "Dachtest du dein Vater ist der einzige, der mit seinen Männern kämpft anstatt sich zu verstecken? Natürlich war ich dabei?"Arya merkte, dass sie ihn wohl falsch eingeschätzt hatte: "Wie ist es passiert? Wie konnte er fallen?"
Deseis schien zu überlegen, ob er es ihr sagen sollte, dann aber begann er zu sprechen: "Das Schlachtfeld war in völlige Dunkelheit gehüllt, kein Sonnenstrahl mehr sichtbar. Die Schreie, der Geruch nach verbranntem Fleisch und Blut. Dein Vater und ich standen einer übermacht entgegen und unsere Männer waren verletzt, müde und kraftlos. Dein Vater hat ihnen den Rückzug befohlen und blieb zurück, ich sollte sie absichern, schaffte es aber nicht ihn alleine seinem Schicksal zu überlassen. Der, der uns gegenüberstand, führte eine Waffe von ungeheurer Macht, eine Sense. Maltreas der Seelendieb, so nannte man unseren Gegner. Ich habe versucht deinen Vater dazu zu bringen zu fliehen, schließlich hatte er ja eine Familie, aber er ließ sich nicht beirren. Er stieß mich mit seinem Schild aus Licht zurück und wurde von der Sense getroffen. Mir gelang es zwar Maltreas zu besiegen, ober die Sense wirkt auf Elfen anders als auf Dämonen. Ein Fluch der Argonie raffte deinen Vater noch bevor wir eine Nachricht über seine Verletzung senden konnten dahin. Er sprach zu meinem Bruder, dem Dämonenkönig des neunten Kreises und bat ihn mich mit dir zu vermählen, um unser Bündnis ewig zu machen!"
Arya konnte nicht mehr stehen, ihre Beine waren kraftlos, es gelang ihr nicht das, was sie gehört hatte, zu verarbeiten. Es dauerte nicht lange und alles um sie herum wurde schwarz, aber nicht ganz, etwas schien sie aus dem Versuch ihres Körpers der Situation zu entkommen zu reisen, ein helles Licht, welches ihr Hoffnung gab. Sie schlug die Augen wieder auf und blickte Deseis an, welcher ihren Körper vom Waldboden aufgehoben hatte und sie zurückzutragen schien.
"Ich dachte nicht das ich dich schon heute so tragen muss!", meinte er, und es war Arya unmöglich zu erkennen ob es ein Scherz war oder sein voller ernst.
"Könnt ihr auch lachen?", fragte sie schwach, worauf er schmunzelte. Arya überlegte, ob sie ihm sagen sollte das er sie herunterlassen sollte, aber sie musste sich eingestehen das ihr ganzer Körper sich anfühlte, als hätte er den Dienst quittiert. Plötzlich vernahm sie die Schritte vieler gepanzerter Personen, unweit von ihnen. Auch Deseis schien das wahrzunehmen, aber es beunruhigte ihn nicht.
"Es sind meine Leute, und alles was von der Armee deines Vaters übrig ist, sie kommen, um unser Bündnis zu feiern!", Deseis schien sie in diesem Moment nicht ansehen zu wollen.
"Lasst mich runter, jetzt!", befahl Arya ihm, auf einmal fühlte sich jeder Körperkontakt zu Deseis falsch an und sie sprang förmlich aus seiner Reichweite, erleichtert das ihre Beine sich nun doch wieder an ihre Funktion erinnerten.
"Arya du solltest dich ausruhen, das ist kein Anblick für dich!", Deseis Stimme klang streng, aber Arya tat was sie immer machte, sie setzte ihren sturen Kopf durch und lief los.
Der Anblick der verletzten Krieger ihres Vaters in dem Lager, das sie unweit des Sonnentempels errichtet hatten war schrecklich, viele waren schwer verwundet und lagen auf Tüchern, die sich trotz der Mühe der Heiler ihrer Mutter rot färbten.
"Arya!", Deseis berührte sie an der Schulter, "Wir sollten gehen!"
"Deseis!", eine strenge Stimme ließ ihn innehalten, "Wo ist mein Bruder, mein Schlachtenfürst, der uns das Massaker überleben ließ? Du sollst gekämpft haben wie der Dunkle selbst, im Alleingang sollst du beinahe alles erobert haben!"
Aus der Menge an schwarz gekleideten Dämonen trat ein Mann, schwarze Haare, schwarze Augen, ähnliche Statur wie Deseis.
"Baal!", Deseis bestätigte damit Aryas Vermutung, "Die Männer übertreiben, der Sieg gebührt den Lichtelfen und ihrem König, nicht mir. Wie schön, dass du es einrichten konntest! Wie geht es den Kindern?"
Baal lächelte breit: "Sie machen sich gut, halten meine Frau aber ordentlich auf trab! Sag, Bruder, konntest du schon einen Blick auf Rylarion Ronaliens Tochter werfen? Sie soll recht ansehnlich sein, für eine Elfe!"
Dann wendete er sich an Arya: "Magd, bring uns doch etwas zu trinken!"
Arya atmete langsam ein und aus, dann verpasste sie dem König der Dämonen eine Ohrfeige: "Arya Ronalien schlägt auch recht ansehnlich, für eine Elfe!"
Baal schien das nicht besonders zu gefallen und er holte aus, um zurückzuschlagen, als er plötzlich von seinem Bruder aufgehalten wurde.
"Baal! Senke deine Hand meiner Verlobten gegenüber!", Deseis warf ihm einen wütenden Blick zu.
"Das soll die Tochter des Großen Rylarion Ronalien sein? Ein wenig mickrig wenn du mich fragst, ob sie dir wirklich starke Agares Söhne gebären kann?", Baal musterte Arya abwertend.
"Noch ein weiteres Wort und ich töte euch!", entfuhr es Arya plötzlich, sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Baal schien nun kaum noch verärgern, er lachte schallend: "Das passt zu dir, Deseis, das Ding weiß auch nie wann es genug ist!" Deseis warf seinem Bruder einen bittenden Blick zu, aber Arya drängelte sich nun an ihm vorbei und sah in Baals schwarze Augen: "Euer bester Mann gegen mich! Dann sehen wir was wir kleinen Elfen können! Außerdem versteckst ihr euch doch hinter einem Befehlstisch, Meister Baal!"
Baal grinste: "Gut, wie das Püppchen möchte! Deseis, bring deiner Zukünftigen Manieren bei! Ja Arya, er ist mein bester Mann, dann weißt du gleich was dich in Zukunft erwartet!"