Der Arzt sagte, womöglich ein Ekzem, kann er aber von weitem nicht beurteilen. Ich sage, es sind die Geschichten. Sie zwicken mich im Bauchinnern, durchdringen die Magenschleimhaut und wollen durch die Haut ausbrechen. Ich kratze nochmal. Sage dem Mann, dass ich ja vorhabe die Geschichten herauszulassen, sie sich aber scheinbar lieber gewaltsam Freiheit verschaffen wollen. Hab's schon versucht, keine Muse hat sich bequemt mir zu helfen. Er redet von Salben. Ich rede gegen eine Wand. Ich sehe jedes mal, wenn er flüchtig zu Rebecca rüber sieht, wie sich der hinter seinen Augen langsam reißende Geduldsfaden in seinem Gesicht widerspiegelt. Ich stelle mir vor, dass der Faden hinter den Kulissen die Augenlider wie ein Seil den Theatervorhang festhält. Reißt das Seil, fällt der Vorhang. Dann würde der Quacksalber in seinem Behandlungszimmer, herum torkeln wie ein Huhn ohne Kopf und die Augen nicht mehr aufkriegen. Vielleicht würde er ja mit seinen vielen lateinischen Worten um Hilfe rufen. Und ich würde bloß von der Liege aufstehen und ihm Augentropfen empfehlen. Ja, genau das würde ich tun. Großer Abgang, Vorhang schon gefallen. Sonst noch was zu tun? Nein? Schön! Licht aus, Abschließen, bitte!
Leider ist sein Geduldsfaden verdammt beständig. Er hat wohl öfter Künstler in diesem glatten Klotz, den er stolz Praxis nennt. Rebecca sieht mich an, das spüre ich im Nacken.
Ich stehe trotzdem auf und steuere auf die Tür zu. Salben? Nun, tut mir leid. Das wird mir nicht helfen. Ich kenne das Problem doch. Weiß genau was zu tun ist. Keine Salben, bitteschön, vielen Dank! Guten Tag! Dummerweise mache ich den Fehler mich zu Rebecca umzudrehen, die unverändert auf dem ungemütlichen Hocker schräg hinter der Liege sitzt. Ganz gerade, Hände über ihrem Buch im Schoß gefaltet. Oh oh. Sie guckt böse. Das kann sie sehr gut. Wenn sie mich so ansieht, sollte ich meinen Abgang durch die Mitte überdenken. Ihr finsterer Blick ist zwar abgeschmeckt mit einer Prise Sorge, vermutlich um mich, doch das wird sie nicht daran hindern, mir später die Hölle heiß zu machen, wenn ich jetzt gehe.
Setze mich also wieder auf die Liege und prompt klebt mir ein Papierfetzen am immer noch halbnackten Hintern. Und das soll jetzt hygienischer sein, als kein Stückchen toter Baum am Arsch? Ich seufze, es wäre wohl sowieso kein so großartiger Abtritt gewesen, so mit runter gelassener Hose. Er beugt sich also über meinen Ausschlag und betrachtet ihn von Nahen. Mir gefällt der ernste Zug um seinen Mund gar nicht als er sich wieder aufrichtet.
Wieder Zuhause versuche ich Rebecca zu beruhigen. Jetzt wünsche ich mir, sie wäre nur wütend wegen meines Fluchtversuchs. Rebecca hat Angst. Sie hat Prüfungsangst wegen eines Test den ich bewältigen muss. Nicht, dass man bei Krebs besonders viel mitreden kann.